Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280352/2/KON/FB

Linz, 12.11.1997

VwSen-280352/2/KON/FB Linz, am 12. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn F J H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M, L, K, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 14. April 1997, Ge-859/96, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z3 VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuldspruch: "Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma H Handelsgesellschaft mbH. in S, S, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, daß zumindest am 18.6.1996 in der Filiale in S, M (Einkaufszentrum) für die beiden in oa. Filiale beschäftigten erwachsenen Arbeitnehmer keine verschließbaren Garderobekästen zur Verfügung gestellt wurden, obwohl jedem Arbeitnehmer ein versperrbarer Kleiderkasten oder eine sonstige geeignete versperrbare Einrichtung zur Aufbewahrung der Privatkleidung und Arbeitskleidung sowie sonstiger Gegenstände, die üblicherweise zur Arbeitsstätte mitgenommen werden, zur Verfügung zu stellen ist. Dies stellte eine Übertretung der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes dar. Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 27 Abs.4 i.V.m. § 130 Abs. 1 Ziff. 15 ASchG, BGBl.Nr. 450/1994." In seiner dagegen erhobenen Berufung wendet der Beschuldigte mit näherer Begründung unvollständige, nicht den Bestimmungen des § 44a Z1 VStG entsprechende, Tatumschreibung ein. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß Abs.4 des mit "sanitäre Vorkehrungen in Arbeitsstätten" überschriebenen § 27 ASchG ist jedem Arbeitnehmer ein versperrbarer Kleiderkasten oder eine sonstige geeignete versperrbare Einrichtung zur Aufbewahrung der Privatkleidung und Arbeitskleidung sowie sonstige Gegenstände, die üblicherweise zur Arbeitsstätte mitgenommen werden, zur Verfügung zu stellen. Erforderlichenfalls ist dafür vorzusorgen, daß die Straßenkleidung von der Arbeits- und Schutzkleidung getrennt verwahrt werden kann. Gemäß Abs.2 des mit "sanitäre Vorkehrungen und Sozialeinrichtungen" überschriebenen § 108 ASchG gilt bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach diesem Bundesgesetz, die die sanitären Vorkehrungen und die Sozialeinrichtungen in Arbeitsstellen regelt, für Kleiderkästen und Umkleideräume § 66 Abs.1 bis 3 und 5 bis 9 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV). Gemäß § 86 Abs.1 AAV ist jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche geschützt ist.

Gemäß § 86 Abs.2 leg.cit. müssen Kasten auch für jene Gegenstände, die für die Verrichtung der Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer mitgebracht und für jene Sachen, die ihm nach Verkehrsauffassung und Berufsüblichkeit zur Arbeitsstätte mitgenommen werden, wie Taschen, Platz bieten. Diese Gegenstände und Sachen können auch getrennt von der Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung in anderen versperrbaren Einrichtungen aufbewahrt werden, wenn sie dadurch Einwirkungen nach Abs.1 nicht ausgesetzt sind; jedem Arbeitnehmer muß eine solche Einrichtung zur Verfügung gestellt werden. Aus dem Zusammenhang der zit. Gesetzesstellen ergibt sich, daß die Bestimmungen des § 27 Abs.4 ASchG nach Maßgabe der Bestimmungen des § 86 Abs.1 bis 3 AAV anzuwenden sind (§ 108 Abs.2 leg.cit.). Weiters, daß Voraussetzung für das im § 86 Abs.1 AAV normierte Gebot des Zurverfügungstellens eines versperrbaren Kastens ist, daß die Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung der Arbeitnehmer der Gefahr der Wegnahme oder den Einwirkungen wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche, ausgesetzt ist. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Demnach ist es geboten, dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Hiezu bedarf es der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind.

Der Tatvorwurf laut Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses entspricht insofern nicht den Erfordernissen des § 44a Z1 VStG, als darin die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des § 86 Abs.1 AAV wie das Vorliegen der Gefahr der Wegnahme, der Einwirkung von Nässe, Staub, etc nicht angeführt sind. Hiedurch ist es dem unabhängigen Verwaltungssenat als Berufungsinstanz nicht möglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen des § 86 Abs.1 AAV überhaupt vorliegen. Im weiteren wird der Beschuldigte in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt, weil er nicht in die Lage versetzt wird, Beweise dafür anzubieten, daß die Gefahr der Wegnahme oder der Nässe- oder Staubeinwirkung in der gegenständlichen Betriebsstätte gerade nicht gegeben sind.

Eine Sanierung des Tatvorwurfes war im Berufungsverfahren deswegen nicht möglich, weil bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses die mit einem halben Jahr bemessene Verfolgungsverjährungsfrist abgelaufen war. Aufzuzeigen ist, daß der Schuldspruch auch im Hinblick auf die Bestimmungen des § 44a Z2 VStG unvollständig ist, weil als verletzte Verwaltungsvorschriften (Z2) § 86 Abs.1 AAV und § 108 Abs.2 ASchG als deren Geltungsgrund einzufügen gewesen wären. Dieser Mangel hätte allerdings auch noch nach der Verfolgungsverjährungsfrist durch die Berufungsinstanz behoben werden können. Aus den dargelegten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Aufgrund der vorliegenden Berufungsentscheidung ist der Beschuldigte von der Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge befreit (§§ 66 Abs.1 und 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. K o n r a t h

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