Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280372/5/Le/Ha

Linz, 23.01.1998

VwSen-280372/5/Le/Ha Linz, am 23. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Gerhard K, L, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 10.6.1997, Ge96-35-1997-Gat, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 10.6.1997 wurden über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretungen des § 28 Abs.1a Z3 bzw. Z4 sowie § 28 Abs.1a Z2 des Arbeitszeitgesetzes (im folgenden kurz: AZG) zwei Geldstrafen in Höhe von je 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je vier Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Geschäftsführer der "K Transport Ges.m.b.H. & Co. KG" zu vertreten, daß der Lenker Gerhard H a) über die gesetzlich zulässige Lenkzeit hinaus eingesetzt wurde (Lenkzeit am 3.2.1997: 10 Stunden und 10 Minuten und Lenkzeit am 4.2.1997: 10 Stunden und 24 Minuten) und b) die gesetzlich vorgeschriebene tägliche Ruhezeit nicht einhalten konnte (vom 4.2. auf 5.2.1997 betrug die tägliche Ruhezeit nur 8 Stunden und 45 Minuten, vom 5.2. auf 6.2.1997 betrug die tägliche Ruhezeit nur 8 Stunden und 45 Minuten).

In der Begründung dazu wurde die Rechtslage dargestellt und der Gang des Ermittlungsverfahrens wiedergegeben. Das Verschulden nahm die Behörde als gegeben an, da der Beschuldigte nicht den Versuch unternommen habe glaubhaft zu machen, daß hinsichtlich der Verletzung der Verwaltungsvorschrift ein Verschulden nicht vorliege. Sodann legte die Erstbehörde die Gründe der Strafbemessung dar.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 19.6.1997, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. In der Begründung dazu führte der Bw aus nicht kontrollieren zu können, ob ein LKW-Lenker während einer Woche 10 Stunden oder 8 Stunden fahre. Er sehe nicht ein, dafür bestraft zu werden, daß ein Berufskraftfahrer seine Ruhezeit um 15 Minuten nicht einhalte. Diese Nichteinhaltung könne er beim besten Willen nicht kontrollieren. Auch wenn die Fahrzeit knapp disponiert sei, komme es auf 15 Minuten nicht an.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Die Berufung wurde dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk zur Kenntnis gebracht. In seiner schriftlichen Stellungnahme dazu vom 21.7.1997 verwies der Arbeitsinspektor auf die eindeutigen Bestimmungen des § 28 AZG. Hinsichtlich des Verschuldens führte er aus, daß auch dieses im gegenständlichen Fall in der Form der Fahrlässigkeit insofern gegeben sei, als der Arbeitgeber aufgrund seiner Position und seiner langjährigen Erfahrung wissen müßte, daß das Verantwortungsbewußtsein für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften bei manchen Arbeitnehmern nicht so ausgeprägt sei, wie dies erforderlich wäre. Dies werde durch die Aussage des Beschuldigten, seine Fahrer könnten sich die Lenkzeiten selbst einteilen, nur noch bekräftigt. Im konkreten Fall hätte mit Hilfe eines effizienten Kontroll- und Maßnahmen-systems die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet werden müssen. Dies wäre im gegenständlichen Fall offensichtlich nicht gegeben gewesen, sodaß das Verschulden an den in Rede stehenden Verwal-tungsübertretungen nicht auf den involvierten Arbeiter abgewälzt werden könne.

Der Strafantrag bleibe vollinhaltlich aufrecht.

Da der unabhängige Verwaltungssenat aus dem vorgelegten Verwaltungsakt einen für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelten Sachverhalt vorfand, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

4.2. Zu Spruchabschnitt a: Das vorliegende Straferkenntnis gliedert sich in zwei Abschnitte: In dem mit der lit.a bezeichneten Abschnitt wurde dem Bw vorgeworfen, es verantworten zu müssen, daß der Lenker Gerhard H über die gesetzlich zulässige Lenkzeit hinaus eingesetzt wurde, und zwar am 3.2.1997: Lenkzeit 10 Stunden und 10 Minuten, und am 4.2.1997: Lenkzeit 10 Stunden und 24 Minuten. Der Bw habe dadurch § 14 Abs.2 AZG iVm dem Kollektivvertrag (der aber nicht näher bezeichnet wurde) und Art. 6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85, iSd § 28 Abs.1a Z3 bzw. Z4 AZG verletzt.

4.2.1. Die Erstbehörde hat dem Bw somit - unkritisch der Anzeige des Arbeitsinspektorates folgend - zwei Verwaltungsübertretungen vorgeworfen, nämlich die Lenkzeitenüberschreitung am 3.2.1997 und die Lenkzeiten-überschreitung am 4.2.1997. Für diese beiden Delikte hat die Erstbehörde jedoch nur eine einzige Strafe verhängt. Diese Vorgangsweise widerspricht § 22 VStG, weil für zwei Verwaltungsüber-tretungen auch zwei Strafen (nebeneinander) zu verhängen sind (siehe hiezu etwa VwGH vom 17.1.1997, 90/09/0135; VwGH vom 30.6.1994, 94/09/0049 u.a.). Die Verhängung einer Gesamtstrafe für mehrere Verwaltungsübertretungen ist lediglich zulässig beim "fortgesetzten Delikt": Darunter ist eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten; der Zusammenhang muß sich äußerlich durch zeitliche Verbundenheit objektivieren lassen (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 866).

Für die Annahme eines solchen fortgesetzten Deliktes spricht insbesonders, daß der Lenker Gerhard H in der angenommenen Tatzeit in einem Arbeitsverhältnis zum Bw stand, von diesem die entsprechenden Fahrtaufträge bekam und für diesen Fahrten mit dem LKW des Bw durchführte; die Begehungsform ist ident; der zeitliche Zusammenhang ist evident, da die Lenkzeitenüberschreitungen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen begangen wurden. Es ist damit der Schluß zwingend, daß es sich bei diesen beiden Verwaltungsübertretungen in Wahrheit um ein fortgesetztes Delikt handelt. Nach Lehre und Judikatur (siehe Hauer/Leukauf, aaO) scheiden fahrlässige Begehungen für die Annahme eines fortgesetzten Deliktes aus. Nur dann, wenn der Täter von vornherein - wenn auch nur mit bedingtem Vorsatz - einen Gesamterfolg mit seinen wesentlichen Merkmalen ins Auge gefaßt hat (Gesamtvorsatz) ist es gerechtfertigt, ihm nur eine einzige Straftat anzulasten. Das fortgesetzte Delikt kommt daher nur im Bereich der Vorsatzdelinquenz zur Anwendung.

Die Verschuldensform der vorsätzlichen Begehung wird sohin zum Tatbestands-merkmal, welches von der Behörde zu ermitteln und dem Beschuldigten innerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG vorzuwerfen ist. Dies ist im gegenständlichen Fall jedoch nicht geschehen, sodaß der Tatvorwurf unzureichend ist. Wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung ist es dem unabhän-gigen Verwaltungssenat nicht möglich, diesbezüglich ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und den Tatvorwurf zu ergänzen, weil eingetretene Verfolgungsverjährung in jedem Verfahrensstadium zu beachten ist.

4.2.2. Für die Annahme eines Vorsatzdeliktes spricht im übrigen auch der Wortlaut der Strafnorm des § 28 Abs.1a Z3 AZG: "Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die 3. Lenker über die gemäß § 14 Abs.2 oder 3 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen". Der im angefochtenen Straferkenntnis alternativ angelastete Tatvorwurf des § 28 Abs.1a Z4 AZG ist hinsichtlich des Handlungsverbs "einsetzen" ident.

Wesentliches Tatbestandsmerkmal dieser Übertretung ist sohin das "Einsetzen" eines Lenkers. "Einsetzen" bedeutet nach dem offenkundigen Sinngehalt in Anlehnung an die gängigen Wörterbücher und im gegebenen Zusammenhang ein zielgerichtetes Verwenden einer Person in einer bestimmten Funktion.

Ein solches Verhalten kann in einer direkten Anordnung des Arbeitgebers an den Lenker bestehen, bei der Durchführung des Fahrtauftrages ungeachtet der Lenkzeitenregelung zu einer bestimmten Zeit zu einem bestimmten Ort zu kommen. Auch indirektes Verhalten des Arbeitgebers verwirklicht das Einsetzen, etwa die zielgerichtete Gestaltung von Destinationen, Beförderungsvolumen, Fahrzeiten und Fahrtstrecken innerhalb solcher Vorgaben in einer Weise, daß die Einhaltung der Lenkzeiten dem Lenker nicht möglich ist.

Nur ein in diesen Ausprägungen auf die Nichteinhaltung der Lenkzeiten gerichtetes Verhalten ist im Sinne des Straftatbestandes gemäß § 28 Abs.1a Z3 (bzw. 4) AZG idF der Novelle BGBl.Nr. 446/1994 als Verwaltungsübertretung strafbar. Herauszustreichen ist, daß die ausdrückliche Wortwahl des Gesetzge-bers ("über die zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen") ein Vorsatzdelikt indiziert, dessen schuldseitige Verwirklichung wenigstens indirekten Vorsatz (dolus eventualis) verlangt. Daß vom Straftatbestand hier nicht zugleich auch der Eintritt des Schadens (nämlich daß der Lenker als kausale Folge des Einsetzens über die Lenkzeit hinaus die Lenkzeiten tatsächlich nicht eingehalten hatte) miterfaßt ist, steht für sich allein der Annahme eines Vorsatzdeliktes nicht entgegen. Wollte man aber - gegen den Wortsinn! - den Straftatbestand des § 28 Abs.1a Z3 (bzw. 4) AZG extensiv dahin deuten, daß die Übertretung auch fahrlässig begangen werden könne, so würde dies in Wahrheit den Strafkatalog des AZG um ein neues Delikt erweitern. Diesem Ergebnis stünde allerdings die dann im Zweifel anzulegende Maxime zur verfassungskonformen Interpretation entgegen.

4.3. Zu Spruchabschnitt b: In dem mit der lit.b bezeichneten Spruchabschnitt wurde dem Bw vorgeworfen, es verantworten zu müssen, daß der Lenker Gerhard H die gesetzlich vorgeschriebene tägliche Ruhezeit nicht einhalten konnte; vom 4.2. auf 5.2.1997 betrug die tägliche Ruhezeit, genauso wie vom 5.2. auf 6.2.1997, jeweils nur 8 Stunden und 45 Minuten. Es handelt sich somit in diesem Fall ebenfalls um zwei Delikte, die - entsprechend den oben unter 4.2. getroffenen Ausführungen - jeweils gesondert zu bestrafen gewesen wären bzw. die man als fortgesetztes Delikt betrachten muß. Auch diesbezüglich fehlen von der Erstbehörde angestellte Ermittlungen hinsichtlich des Vorsatzes, die wegen eingetretener Verfolgungsverjährung vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht nachgeholt werden können.

Die Begründung für die Aufhebung dieses Spruchabschnittes entspricht in ihren rechtlichen Gründen jener der im Punkt 4.2. dargestellten, allerdings mit der Maßgabe, daß anstelle des Handlungsverbs "einsetzen" jenes des "nicht gewährens" zu setzen ist. Als Judikaturhinweis wird auf das Erkenntnis des UVS vom 30.7.1997, VwSen-280290/4/Ga/Ha, verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen. Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Ergeht an: Beilage Dr. L e i t g e b Beschlagwortung: Kontrollsystem; Lenkzeiten, Ruhepausen; Verantwortlichkeit

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