Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280374/5/Schi/Fb

Linz, 14.08.1997

VwSen-280374/5/Schi/Fb Linz, am 14. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des M R, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wels vom 20.6.1996, MA2-Pol-5014-1996 OM, wegen einer Übertretung nach der Bauarbeiterschutzverordnung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber (Bw) angelastet, er habe als im Sinne des § 9 Abs.2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der M. R Ges.m.b.H. & Co.KG, W, zu verantworten, daß, wie anläßlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates L auf der Baustelle B, Baumax-Halle, am 21. 11.1996 um 10.30 Uhr festgestellt wurde, daß auf dieser Baustelle von Arbeitnehmern der Fa. R GesmbH & CO KG Hallendacheindeckungsarbeiten bei einer Absturzhöhe von 4,60 m bis 5,60 m und einer Dachneigung von 21ï‚° ohne Absturzsicherungen (Dachschutzblenden, Dachfanggerät) durchgeführt wurden, obwohl nach § 87 Abs.3 BauV bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20ï‚° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m geeignete Schutzeinrichtungen (Dachschutzblenden, Dachgerüste) vorhanden sein müssen; der Bw habe daher § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung iVm § 130 Abs.1 Z19 iVm § 118 Abs.3 ASchG übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe von 6.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt wurde. Gleichzeitig wurde gemäß § 64 VStG verfügt, daß der Bw einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren in Höhe von 600 S zu leisten hat.

2. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 7.7.1997 rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, der Berufung Folge zu geben.

3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

4.1. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat Leoben zur Kenntnis gebracht; dieses wies mit Schreiben vom 1.8.1997 auf die im Gegenstand ergangene Stellungnahme vom 22.1.1997 hin.

4.2. Aus einem beim O.ö. Verwaltungssenat anhängigen Parallelverfahren, protokolliert zu VwSen-280268, welches mit Erkenntnis vom 23.7.1997, VwSen-280268/7/Schi/Ha, abgeschlossen worden war, war dem O.ö. Verwaltungssenat bekannt, daß der Bw entgegen der Ausführungen im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht rechtswirksam als verantwortlich Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 VStG der Firma M. Reifetshammer Ges.m.b.H & Co.KG bestellt worden war. Dies bezog sich in dem angeführten Verfahren auf den Tatzeitpunkt 22.3.1996; aber auch hinsichtlich des gegenständlichen Tatzeitpunktes 21.11.1996 kann nichts anderes gelten, zumal das Arbeitsinspektorat Leoben in seiner Anzeige vom 29.11.1996 sogar darauf hingewiesen wurde, daß dem Arbeitsinspektorat keine Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemeldet worden war. Im Verfahren VwSen-280268, wurden schon aufgrund von Zweifeln, ob der Bw tatsächlich verantwortlich war, in diese Richtung eingehende Ermittlungen angestellt. Dabei hat sich folgendes herausgestellt:

Mit Schreiben vom 8.7.1997, Zl. 008/131-19/97-Pri, hat das Arbeitsinspektorat Wels mitgeteilt, daß folgende Meldungen über die Bestellung eines verantwortlich Beauftragten gemäß § 23 Abs.1 ArbIG vorlägen:

1. Schreiben vom 5.4.1993, Baustellen in ganz Österreich: J G, und M R (gemeint wohl R).

2. Kopien des Arbeitsinspektorates L (Fax vom 8.4.1993): J G, und M R, für Baustellen in ganz Österreich.

3. Schreiben vom 11.4.1995: H B, (keine räumliche und sachliche Zuständigkeit angegeben).

4. Schreiben vom 9.4.1996: J G, H B und M R für Baustellen in ganz Österreich und angrenzendes Ausland.

Im übrigen wurde darauf hingewiesen, daß im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Verantwortungsbereich dieser Bestellungen nicht klar abgegrenzt ist.

4.3. Da somit aufgrund der Aktenlage iVm den erwähnten ergänzenden Erhebungen ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist und überdies ausdrücklich eine mündliche Verhandlung nicht verlangt wurde, war die vorliegende Entscheidung im Sinn des § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung zu treffen.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Nach Abs.2 dieses Paragraphen sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, und soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Als verantwotlicher Beauftragter können somit bestellt werden: a) Personen aus dem Kreis der zur Vertretung nach außen Berufenen oder b) Personen, die diesem Kreis nicht angehören.

Während die unter a) genannten Personen auch als Verantwortliche für den Gesamtbetrieb bestellt werden können, ist dies in Ansehung der unter b) Genannten nur für bestimmte räumlich (zB Zentrale, Filiale, Baustelle) oder sachlich (zB Fuhrpark) abgegrenzte Bereiche (und nicht für das ganze Unternehmen) möglich (vgl VwGH 17.5.1988, 87/04/0131).

Voraussetzungen für die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sind: a) dessen Wohnsitz im Inland, b) die Möglichkeit seiner strafrechtlichen Verfolgung, c) die nachweisliche Zustimmung des Beauftragten, d) der Besitz einer Anordnungsbefugnis für den klar abgegrenzten Bereich.

5.2. Gemäß § 23 Abs.1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG, BGBl.Nr.27, wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und Abs.3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist.

5.3. Aufgrund der oben bereits unter Punkt 4.2. (Z 1-3) angeführten Meldungen über die Bestellung eines "verantwortlich Beauftragten gemäß § 23 Abs.1 ArbIG" waren im Hinblick auf die diesbezügliche Judikatur des VwGH (vgl. zB Erkenntnis vom 8.7.1994, Zl. 94/02/0079; 9.8.1994 Zl. 94/11/0207, 0208; 20.5.1994, Zl. 94/02/0160 und 7.4.1995, Zl. 94/02/0470) die vorliegenden Mehrfach-bestellungen unwirksam und für die ggst. Verwaltungsübertretung der handelsrechtliche Geschäftsführer der M. R Ges.m.b.H & Co.KG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Aus diesem Grund hat der Bw die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG zu verfügen ist.

5. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Bw in dieser Sache gänzlich.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage: Akt Dr. Schieferer

Beschlagwortung: § 9 VstG - § 23 ArbIG: Mehrfachbestellungen unwirksam

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