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VwSen-280418/5/Kl/Rd

Linz, 15.06.1999

VwSen-280418/5/Kl/Rd Linz, am 15. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Mag. S, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29.12.1997, Ge96-381-1996/Ew, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem AZG zu Recht erkannt:

I.Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 45 Abs.1 Z2 erste Alternative VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29.12.1997, Ge96-381-1996/Ew, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 5.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs.1a Z1 und 2 iVm § 15a Abs.1 und 2 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl.Nr. 464/1994, iVm dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe und iVm Art.8 Abs.1 und 6 der Verordnung EWG-Nr. 3820/85 des Rates vom 20.12.1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin Z, zu vertreten hat, daß wie am 8.11.1996 von einem Organ der Bundesgendarmerie-Grenzkontrollstelle 7443 Rattersdorf anläßlich einer Lenkerkontrolle bei der Grenzkontrollstelle Rattersdorf, Bundesstraße 61, km 12,5 Fahrtrichtung Österreich, festgestellt wurde, der Arbeitnehmer der genannten Gesellschaft, Herr S, geb. 13.3.1942, vom 7.11.1996 4 Uhr bis 8.11.1996 17 Uhr mit dem Lenken des LKW mit dem Kz. beschäftigt wurde, wobei dem Lenker entgegen § 15a Abs.1 und 2 des AZG sowie Art.8 Abs.1 und 6 der Verordnung EWG Nr. 3820/85 vom 20.12.1985 keine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 9 zusammenhängenden Stunden gewährt wurde, obwohl gemäß § 15a Abs.1 und 2 AZG iVM dem Kollektivvertrag für das GütbefG und Art. 8 Abs.1 und 6 der Verordnung EWG Nr. 3820/85 den Lenkern von Kraftfahrzeugen, die ua zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5 t übersteigt, innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden zu gewähren ist bzw kann durch Kollektivvertrag zugelassen werden, daß die tägliche Ruhezeit dreimal wöchentlich auf mindestens 9 zusammenhängende Stunden verkürzt wird, wenn dem Lenker bis zum Ende der folgenden Woche eine zusätzliche Ruhezeit im Ausmaß der Verkürzung gewährt wird; diese als Ausgleich zustehende Ruhezeit ist zusammen mit einer anderen mindestens achtstündigen Ruhezeit zu gewähren, und zwar über Verlangen des Lenkers am Aufenthaltsort des Fahrzeuges oder am Heimatort des Lenkers.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und unrichtige rechtliche Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht. Im wesentlichen wurde ausgeführt, daß weder seitens der Firma Z GesmbH eine Veranlassung bestand, den Fahrer S anzuweisen, unter Außerachtlassung der gesetzlichen Mindestruhezeiten seinen LKW nach Hause zu fahren, noch irgendein beruflicher Grund für Hrn. S vorlag, dies zu tun, weil er die nächste Fahrt erst am 11.11.1996 mit Beladung um 7.00 Uhr in Aschach/D. durchzuführen hatte und deshalb keine Eile gegeben war. Diesbezüglich wurden Fahrtberichte vom 7.11. bis 11.11.1996 vorgelegt. Weiters berief sich der Bw auf regelmäßige Fahrerbesprechungen, in denen die einzelnen Fahrer ua auch auf die Bestimmungen der AZG und die Notwendigkeit deren Einhaltung hingewiesen werden. Auch fänden Kontrollen der Fahrtberichte und Tachographenscheiben durch den Bw statt. Auch seien die Bestimmungen des AZG leicht verständlich im Fahreraufenthaltsraum ausgehängt. Der Bw habe daher sowohl in bezug auf die Ermöglichung als auch in bezug auf die Kontrolle der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhenszeiten alles getan, was erwarten läßt, daß diese Bestimmungen auch tatsächlich eingehalten werden. Auch wurde eine eidesstattliche Erklärung vom 12.1.1998 des Lenkers vorgelegt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat nach dem ArbIG das zuständige AI für den 9. Aufsichtsbezirk am Verfahren beteiligt. In der Stellungnahme vom 12.5.1998, Zl. 2260/31-9/98, gab das AI für den 9. Aufsichtsbezirk bekannt, daß gegen die Einstellung des Strafverfahrens seitens des AI Linz kein Einwand besteht.

Weil schon aufgrund der Aktenlage ersichtlich ist, daß das Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Bw vorgeworfen, daß bei einer Lenkerkontrolle bei der Grenzkontrollstelle Rattersdorf festgestellt wurde, daß der näher bezeichnete Lenker der näher bezeichneten Arbeitgeberin, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bw ist, "vom 7.11.1996 4.00 Uhr bis 8.11.1996 17.00 Uhr mit dem Lenken des LKW mit dem Kz. beschäftigt wurde, wobei dem Lenker ... keine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 9 zusammenhängenden Stunden gewährt wurde".

Gemäß Art. 8 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20.12.1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr - diese gilt gemäß Art.2 Abs.1 iVm Art.4 Z1 der Verordnung für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr mit Fahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5t übersteigt - legt der Fahrer innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden ein, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.

Gemäß § 28 Abs.1a Z2 des Arbeitszeitgesetzes idF BGBl.Nr. 417/1996 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) (im folgenden kurz: AZG) sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die die tägliche Ruhezeit gemäß Art.8 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen.

4.2. Vorweg ist zum Tatvorwurf gemäß § 44a Z1 VStG sowie der Übertretungsnorm gemäß § 44a Z2 VStG folgendes auszuführen:

Gemäß § 13 Abs.2 AZG ist, wenn eine Bestimmung des Abschnittes 4 des AZG Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 wiederholt oder eine Angleichung durch Kollektivvertrag erfolgt ist, die jeweilige Bestimmung im Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht anzuwenden. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß die Verordnung (EWG) vorgeht.

Dem entspricht auch die Regelung des § 28 Abs.3 AZG, wonach im internationalen Straßenverkehr als verletzte Verwaltungsvorschrift je nach Fahrtstrecke entweder eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes oder die entsprechende Vorschrift der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 in Frage kommt, abweichend vom § 44a Z2 VStG als Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift die Angabe des entsprechenden Gebotes oder Verbotes der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 genügt.

Letzteren Regelungen entspricht die Bezugnahme der belangten Behörde auf § 15a Abs.1 und 2 AZG sowie § 28 Abs.1a Z1 AZG nicht.

Darüber hinaus ist anzumerken, daß die Regelungen über die Ruhezeit sowohl nach der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 als auch nach § 15a AZG nur jene Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung betreffen, deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5t übersteigt. Dies ist daher ein wesentliches Tatbestandselement, welches auch in der konkretisierten Umschreibung des Tatvorwurfes (hinsichtlich des tatsächlich gelenkten Kraftfahrzeuges) beinhaltet sein muß. Dem konkreten Tatvorwurf fehlt aber die Bezugnahme auf den Sattelanhänger sowie das Überschreiten des höchstzulässigen Gesamtgewichtes von 3,5t durch das Kraftfahrzeug samt Anhänger.

4.3. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Ruhezeit ist durch das Vorliegen der Tachographenscheiben erwiesen und wurde zu keiner Zeit im Verfahren bestritten. Sie ist daher objektiv erfüllt.

Im Hinblick auf das Verschulden hat aber der Bw in seinen schriftlichen Ausführungen glaubwürdig dargelegt und auch durch Beweismittel unter Beweis gestellt (Fahrtberichte, eidesstattliche Erklärung, Fotographie des Aushanges), daß der Lenker für seine nächste Fahrt erst am 11.11.1996, also zweieinhalb Tage später, zu einem neuen Einsatz bestimmt war und daher ausreichend Zeit für die Einhaltung der Mindestruhezeiten gegeben war und gewährt wurde. Es wurde erwiesen, daß der Fahrer aus ganz persönlichen Gründen in freier Entscheidung die Mindestruhezeiten nicht eingehalten hat und aus seinen persönlichen Gründen ohne Ruhezeiten nach Hause gefahren ist. Auch hat der Bw glaubwürdig dargelegt, daß regelmäßige Fahrbesprechungen mit den Lenkern durchgeführt werden, woran auch der gegenständliche Lenker teilgenommen hat, in denen ausreichend über das AZG und die Notwendigkeit der Einhaltung hingewiesen wurde. Auch werden vom Bw die Fahrtberichte von jedem Fahrer einzeln verlangt und auch kontrolliert. Gleiches gilt für die Tachographenscheiben. Auch sind die Bestimmungen des AZG leicht verständlich dargelegt im Fahreraufenthaltsraum, den die Fahrer und auch der gegenständliche Lenker regelmäßig besuchen, ausgehängt.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten und ist Fahrlässigkeit bei Ungehorsamsdelikten ohne weiteres anzunehmen, es sei denn, daß der Täter glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Durch das oa Vorbringen und die vom Bw beigebrachten Beweise ist ihm die Glaubhaftmachung seines mangelnden Verschuldens gelungen und ist der Oö. Verwaltungssenat zur Überzeugung gelangt, daß im gegenständlichen Fall ein Verschulden des Bw nicht vorliegt, zumal er glaubhaft dargelegt und unter Beweis gestellt hat, daß die von ihm getroffenen Maßnahmen unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (VwGH vom 13.12.1990, 90/09/0141, vom 30.10.1991, 91/09/0055 ua).

Es hat daher der Bw mangels Verschulden die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen. Es war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis entfallen gemäß § 66 Abs.1 VStG sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Anwendungsvorrang der VO (EWG), § 13 AZG, Überschreitung von 3,5 t Gesamtgewicht, wesentliches Tatbestandsmerkmal; kein Verschulden, wenn erforderliche Maßnahmen vorhanden sind.

 

 

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