Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280427/3/Ga/Fb

Linz, 31.08.1998

VwSen-280427/3/Ga/Fb Linz, am 31. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des KR L D in R gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 26. März 1998, Ge96-13-1998, wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG), zu Recht erkannt:

Die Berufung wird hinsichtlich der Schuld in beiden Fakten abgewiesen; das angefochtene Straferkenntnis wird insoweit mit der Maßgabe bestätigt, daß als verletzte Rechtsvorschrift (Spruchteil gemäß § 44a Z2 VStG) zu 1. "Art.6 Abs.1 EG-VO 3820/85 iVm § 28 Abs.1a Z4 AZG" und zu 2. "Art.8 Abs.1 und 6 EG-VO 3820/85 iVm § 28 Abs.1a Z2 AZG" anzuführen ist.

Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung hingegen teilweise stattgegeben; die zu 1. und 2. verhängten Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) werden auf je 7.000 S (je 3 Tage), die Kostenbeiträge zum Verfahren vor der Strafbehörde auf je 700 S herabgesetzt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. §§ 24; 19, 51 Abs.1, 51c, 64f VStG.

Entscheidungsgründe: 1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der bezeichneten Speditionsgesellschaften, näherer Gewerbestandort in B, verwaltungsstrafrechtlich dafür einzustehen, daß er eine bestimmte Person als Lenker eines Sattelzugfahrzeuges und Sattelanhängers, je durch Kennzeichen bestimmt, vom 2. auf den 4. Oktober 1997 beschäftigt habe, wobei 1. die Lenkzeit 44 Stunden und 20 Minuten betragen habe, obwohl sie maximal 10 Stunden hätte betragen dürfen, und 2. die (tägliche) Ruhezeit nur 3 Stunden betragen habe und somit nicht vorschriftsmäßig gewährt worden sei. Dadurch habe der Berufungswerber 1. § 28 Abs.1a Z4 AZG iVm § 14a Abs.1 AZG "iVm dem Kollektivvertrag Art. 6 Abs.1 VO 3820/85 EWG" und 2. § 28 Abs.1a Z2 AZG iVm § 15a Abs.1 und 2 AZG "iVm dem Kollektivvertrag Art. 8 Abs.1 und 6 VO 3820/85 EWG" verletzt. Über ihn wurde zu 1. und 2. gemäß § 28 Abs.1a AZG je eine Geldstrafe von 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: je 4 Tage) je kostenpflichtig verhängt. 2. Der Berufungswerber bestreitet tatseitig nicht den den Schuldsprüchen zugrunde gelegten Lebenssachverhalt als solchen. Er beantragt jedoch die Einstellung des Verfahrens, weil er für die Übertretungen nicht haftbar gemacht werden könne. Der involvierte Lenker sei in seinem Urlaub nur für diesen einen Fahrtauftrag von ihm beschäftigt worden. Vor Fahrtantritt sei der Lenker ausdrücklich und schriftlich auf die geltenden Arbeitszeitvorschriften hingewiesen worden und habe er das entsprechende Merkblatt auch erhalten und gegengezeichnet. Von der Dispositionsabteilung des Unternehmens habe der Lenker ausdrücklich und schriftlich die Ladeaufträge erhalten. Gleich nach seiner Rückkehr sei der Lenker zu den Übertretungen befragt worden. Daraus hätte sich ergeben, der Lenker sei der Meinung gewesen, daß Arbeit in Österreich etwas Positives sei und nicht so penibel ausgelegt werde und man arbeitende Menschen in Österreich wohl nicht an der Arbeit hindern werde. Auf den Vorhalt, daß sein Verhalten zwar verständlich sei, jedoch die Arbeitszeitgesetze eben auch von ihm beachtet werden müßten, erklärte der Lenker, daß er unter diesen Umständen keine weitere Zusammenarbeit mehr wolle, sodaß das Beschäftigungsverhältnis in beiderseitigem Sinne beendet worden sei. Zur Ergänzung dieses Vorbringens legte der Berufungswerber mit Schriftsatz vom 30. April 1998 eine vom Lenker unterfertigte "Stellungnahme" vor, mit der er bestätigt, daß er über die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes aufgeklärt wurde und ihm der in Rede stehende Ladeauftrag mit der Routeneinteilung schriftlich zur Kenntnis gebracht wurde; der Lenker erläutert auch seine Leistungsbereitschaft und gibt an, daß er die Übertretung "rein aus eigenem Willen durchgeführt" habe; er habe ein "gutes Beispiel" der Arbeitsmoral, die gerade in Österreich "mehr als desolat" sei, geben wollen und mehr leisten wollen, als ihm der Gesetzgeber zubillige. Diesen Unterlagen beigefügt war auch ein schriftliches Merkblatt über die Arbeitszeit (die die Aushändigung bestätigende Unterschrift des Fahrers ist allerdings ebenso unleserlich wie die Unterschrift unter der "Stellungnahme").

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Einsicht in den Strafverfahrensakt der belangten Behörde genommen und zur Berufung die Amtspartei angehört. Schon aus dieser Aktenlage erweist sich der maßgebende Sachverhalt als hinreichend geklärt. Weil zudem mit der vorliegenden Berufung lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend gemacht wird und die Verfahrensparteien entsprechende Anträge nicht stellten, konnte im übrigen von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß Art. 6 Abs.1 Unterabsatz 1 EG-VO 3820/85 darf die "Tageslenkzeit" genannte Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit neun Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf zehn Stunden verlängert werden. Gemäß Art. 8 Abs.1 EG-VO 3820/85 hat der Fahrer innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden einzulegen, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als neun zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird. Gemäß Abs.6 leg.cit. muß jede als Ausgleich für die Verkürzung der täglichen (....) Ruhezeit genommene Ruhezeit zusammen mit einer anderen mindestens achtstündigen Ruhezeit genommen werden und ist dem Betroffenen auf dessen Antrag hin am Aufenthaltsort des Fahrzeugs oder am Heimatort des Fahrers zu gewähren. Gemäß § 28 Abs.1a AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen, wenn sie gemäß Z4 dieser Bestimmung Lenker über die gemäß Art. 6 Abs.1 Unterabsatz 1 oder Abs.2 der EG-VO 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen; gemäß Z2 dieser Bestimmung die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs.1, 2, 6 oder 7 oder Art. 9 der EG-VO 3820/85 nicht gewähren. 4.2. Vor diesem Hintergrund - tatseitig geht der Oö. Verwaltungssenat von dem oben (1. und 3.) als erwiesen festgestellten Sachverhalt aus - steht fest, daß im Berufungsfall der (dem) involvierte(n) Lenker unter den spruchgemäß angeführten Umständen 1. über die zulässige Lenkzeit hinaus eingesetzt wurde und 2. die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit nicht gewährt wurde. Für diese Übertretungen hat nach den Umständen dieses Falles der Berufungswerber in seiner (im § 9 Abs.1 VStG begründeten) Stellung als verantwortliches Organ der spruchgemäß bezeichneten Gesellschaften verwaltungsstrafrechtlich auch einzustehen. Daran vermag nichts zu ändern, wie sogleich zu begründen sein wird, daß der involvierte Fahrer die eigenmächtig, in bewußtem Widerspruch zu der ihm von der Dispositionsabteilung aufgetragenen Routeneinteilung gesetzten Zuwiderhandlungen gegen die von ihm zu beachtenden Arbeitszeitvorschriften zugibt.

Beides - objektive und subjektive Tatbestandsmäßigkeit der angelasteten Übertretungen - folgt aus der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes, die dieser mit jüngsten Erkenntnissen nach Beschwerdefällen, die vom Oö. Verwaltungssenat ausgegangen sind, neuerlich bestätigt hat. 4.2.1. Der Oö. Verwaltungssenat vertrat nämlich in hier vergleichbaren Straffällen (vgl die h Erkenntnisse vom 30.7.1997, VwSen-280290, und vom 23.9.1997, VwSen-280329) die Auffassung, unter bestimmten, von § 28 Abs.1a AZG nun ausdrücklich mittels besonderer Tätigkeitsverben unter Strafe gestellten Verhaltensweisen könne - nach gänzlicher Neufassung der Strafbestimmungen zufolge Anpassung des AZG an die Verordnung (EWG) Nr. 3820/ 85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und der dadurch bewirkten Abkehr vom System des bis dahin geltenden Blankettstrafbestandes - nur ein zielgerichtetes, vorsätzliches Verhalten des Arbeitgebers verstanden werden. Dem habe die Formulierung des Schuldspruchs zu entsprechen und sei daher im Grunde des neuen Strafkataloges gemäß § 28 Abs.1a AZG ausgeschlossen, dem ansonsten rechtstreu die Lenker einsetzenden Arbeitgeber die dann im Einzelfall uU eigenmächtige Übertretung von AZG-Vorschriften durch seine Lenker mit der (der "alten" Rechtslage und Judikatur folgenden) Begründung, er habe eben fahrlässig seine Kontrollpflichten verletzt, anzulasten. Dagegen aber hat die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und den Standpunkt vertreten, daß nach wie vor von einem Ungehorsamsdelikt, für das Fahrlässigkeitsschuld genüge, ausgegangen werden müsse; zur näheren Begründung wurde auf die sogenannte Kontrollsystem-Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die im gegebenen Zusammenhang allerdings zur Rechtslage vor der Novelle BGBl.Nr. 446/1994 entwickelt wurde, hingewiesen.

4.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beschwerden mit Erkenntnissen vom 21. April 1998, 97/11/0284 und 97/11/0316, stattgegeben und, auf den Punkt gebracht, ausgesprochen, daß auch im Lichte der durch die AZG-Novelle BGBl.Nr. 446/1994 geänderten Rechtslage für die Verwirklichung der Einzelstraftatbestände des § 28 Abs.1a AZG kein zielgerichtetes vorsätzliches Verhalten des Arbeitgebers gefordert sei, sondern hiefür - weiterhin - auch bloß fahrlässiges Verhalten, das im Unterlassen entsprechender Kontrollen und Maßnahmen bestehen kann, ausreiche. An diese - wenngleich vom h Tribunal nicht geteilte - Rechtsansicht ist der Oö. Verwaltungssenat bei der Erlassung auch der vorliegenden Berufungsentscheidung nun gebunden. 4.2.3. Das bedeutet schuldseitig in diesem Fall, daß beide Fakten dem Berufungswerber im Grunde des § 5 Abs.1 VStG schon wegen eines ihm aus Fahrlässigkeit unterlaufenen Sorgfaltsmangels zurechenbar sind, weil er das von der einschlägigen (und, wie oben dargelegt, unverändert fortgeschriebenen) Judikatur geforderte System von wirksamen Maßnahmen zur Hintanhaltung eigenmächtiger (gegen das AZG verstoßender) Verhaltensweisen seiner Lenker im wesentlichen schon behauptungsmäßig nicht dargetan hat. In solchen Fällen wäre zufolge Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das zur Sicherung der Einhaltung ua der Tageslenkzeiten und täglichen Ruhezeiten durch die vom Berufungswerber als Arbeitgeber beschäftigten Fahrer tatsächlich eingerichtete und wirksam auch gehandhabte System von Kontrollen und internen Sanktionen in den wesentlichen Einzelheiten darzulegen gewesen, was aber, wie das Arbeitsinspektorat im Ergebnis zu Recht eingewendet hat, weder im Verfahren vor der Strafbehörde noch in der Berufungsschrift geschehen ist. Dem Berufungswerber ist entgegen zu halten, daß ein bloß pauschales Behaupten von Kontrollen und Ermahnungen die geforderte detaillierte Schilderung des im Betrieb zur Tatzeit eingerichtet gewesenen (freilich fallbezogen auch zumutbaren) Kontrollsystems und seine wirksame Handhabung ebensowenig zu ersetzen vermögen wie die als "Schuldeingeständnis" gedachte Stellungnahme des Lenkers. Desgleichen können auch die Aushändigung von Merkblättern über die Arbeitszeit an den Lenker und eine schriftliche Routenfestlegung allein nicht den geforderten Nachweis der wirksamen Überwachung der erteilten Anweisungen ersetzen.

Aus allen diesen Gründen war daher zu beiden Fakten wie im Spruch zu entscheiden; die gleichzeitig zu verfügen gewesene Berichtigung der verletzten Rechtsvorschriften (vgl diesbezüglich die Ausführungen im h Erk vom 30.7.1997, VwSen-280290, Abschnitt 3.2.2.) bedeutet keine Erweiterung der Tatvorwürfe.

4.3. Was hingegen die Höhe der zu beiden Fakten verhängten, vom Berufungswerber konkret nicht bekämpften Geldstrafen anbelangt, ist iSd § 19 Abs.1 VStG der Unrechtsgehalt, der - aus dem Blickwinkel einer gemeinwohllegitimierten Abwehr von schwerwiegenden, mit der Übermüdung von Kfz-Lenkern verbundenen Gefahren - dem Nichteinrichten eines wirksamen Kontrollsystems zur Gewährleistung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften innewohnt, als nicht bloß unbeträchtlich zu werten. Andererseits aber ist iSd § 19 Abs.2 VStG hier zu berücksichtigen, daß das (allgemein- und selbstgefährdende, jedenfalls aber) eigenmächtige Verhalten des Fahrers das dem Berufungswerber als Arbeitgeber in diesem Fall zurechenbare Verschulden zwar keineswegs vernachlässigbar macht, so doch aber zurücknimmt. Das Strafausmaß war daher schuldangemessen zu reduzieren. Einer noch stärkeren Herabsetzung steht allerdings der, von der belangten Behörde zu Recht gewertete Erschwerungsgrund noch nicht getilgter einschlägiger Vorstrafen entgegen.

5. Kostenmäßig hatte sich dieses Ergebnis in den strafbehördlich schon auferlegten Beiträgen niederzuschlagen; Kosten des Berufungsverfahrens hingegen waren nicht vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner Beschlagwortung: Eigenmacht des Lenkers; Milderungsgrund

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