Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280457/16/Kon/Pr

Linz, 01.08.2000

VwSen-280457/16/Kon/Pr Linz, am 1. August 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung der Frau R. L., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F.X. B., L., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz, vom 16.4.1999, GZ: 502-32/Kn/We/155/98j, wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.Nr. 340/1994, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 11. Juli 2000, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird hinsichtlich der Schuld keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich mit der Maßgabe bestätigt, dass die Beschuldigte die ihr angelastete Verwaltungsübertretung in zwei Fällen (Arbeitnehmer Kaiser und Kopovac) begangen hat.
  2. Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung teilweise unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 20 VStG) und mit der Maßgabe Folge gegeben, als diese unter gleichzeitiger Aufteilung auf zwei Strafbeträge wie folgt herabgesetzt wird:

Faktum a) (Arbeitnehmer K.):

1.500 S (entspricht 109,01 Euro), Ersatzfreiheitsstrafe 8 Stunden

Faktum b) (Arbeitnehmer K.):

1.500 S (entspricht 109,01 Euro), Ersatzfreiheitsstrafe 8 Stunden

Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz vermindert sich insgesamt auf den Betrag von 300 S (entspricht 21,80 €).

Der von der Bestraften zu entrichtende Gesamtbetrag (1.500 S + 1.500 S + 150 S + 150 S) beträgt 3.300 S (entspricht 239,82 €).

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuld- und Strafausspruch:

"Die Beschuldigte, Frau R. L., geboren am, wohnhaft: L., hat es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der K. M. Gesellschaft m.b.H., L., und somit als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlicher zu vertreten, dass am 16.7.1998, wie anlässlich einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk festgestellt wurde, auf der von o.a. Gesellschaft m.b.H. betriebenen Baustelle "Wohnbau 2000, Haus C, G.", zwei Arbeitnehmer der o.a. Gesellschaft m.b.H., nämlich Herr K. und Herr K. bei einer Absturzhöhe von ca. 9 m (Herr K.) bzw. ca. 13 m (Herrr K.) mit dem Ausschneiden des Brustbleches auf der ostseitigen Dachfläche (Herr K.) bzw. mit dem Ausschneiden des Rinnenkessels auf der westseitigen Dachfläche (Herr K.) bei einer Dachneigung von ca. 23 ° beschäftigt waren, ohne dass geeignete Schutzeinrichtungen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern (Dachschutzblenden und Dachfanggerüste), vorhanden gewesen wären. Die beiden Arbeitnehmer waren auch nicht angeseilt.

Die Beschuldigte hat hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 118 Abs. 3 Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 i.d.g.F., i.V.m. § 87 Abs. 3 und 5 Bauarbeiterschutzverordnung (BAV), BGBl.Nr. 340/1994, i.d.g.F. begangen und wird über ihn wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs. 5 ASchG eine Geldstrafe von S 10.000,-- verhängt.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 1 Tag.

Die Beschuldigte hat gemäß § 64 Abs. 2 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10.v.H. der verhängten Strafe, das sind S 1.000,-- zu leisten."

Hiezu führt die belangte Behörde nach Darstellung des von ihr als erwiesen angenommenen Sachverhaltes begründend im Wesentlichen aus, dass der Tatbestand der der Beschuldigten angelasteten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht als erfüllt anzusehen sei.

In Bezug auf die subjektive Tatseite hält die belangte Behörde begründend fest, dass der Beschuldigten der Schuldentlastungsbeweis im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen sei.

So hätten die verfahrensgegenständlichen Arbeitnehmer, auch wenn es sich um solche im Sinne des Abs.5 des § 87 BauV lt. Angabe der Beschuldigten gehandelt hätte, jedenfalls angeseilt sein müssen. Dies sei aber nicht der Fall gewesen und werde von der Beschuldigten auch nicht bestritten. Auch der den Arbeitnehmern von der Beschuldigten jeweils zur Verfügung gestellte Sicherheitskoffer reiche ohne geeignete Kontrolle, ob dessen Inhalt auch tatsächlich benützt werde, nicht aus um darzutun, dass sie geeignete Maßnahmen getroffen habe, um Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes hintan zuhalten.

Es müsse auch ein geeignetes Kontrollsystem aufgebaut sein, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften in allen vorhersehbaren Fällen sicher zu stellen.

Wer auf der gegenständlichen Baustelle vor Ort dafür verantwortlich gewesen wäre, dass im gegenständlichen Fall der § 87 BauV eingehalten würde, gehe aus der Rechtfertigung der Beschuldigten nicht hervor. Sollte dies der Arbeitnehmer K. gewesen sein (die Beschuldigte erwähne einmal in ihrer Stellungnahme, er sei Vorgesetzter des Arbeitnehmers K. gewesen), so sei dazu anzumerken, dass es sich dabei offensichtlich um keine geeignete Aufsichtsperson gehandelt habe, da der Arbeitnehmer K. selbst die gegenständlichen Arbeiten vornahm, ohne sich angeseilt zu haben.

Inwieweit die Geschäftsführer der Fa. K. M. GesmbH, also auch die Beschuldigte, die Baustellen kontrollierten, gehe aus der Stellungnahme der Beschuldigten ebenfalls nicht hervor. Soweit man sich unter "regelmäßigen Kontrollen", wie es die Beschuldigte erwähne, stichprobenartige Kontrollen vorstellen müsse, so reichen diese nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls nicht aus, ein geeignetes Kontrollsystem darzutun.

Auch wenn es sich nur mehr um geringe Restarbeiten gehandelt habe, worauf die Beschuldigte in ihrer Stellungnahme vom 26.3.1999 immer wieder hingewiesen habe, hätten sich die beiden Arbeitnehmer jedenfalls anseilen müssen.

Der Beschuldigten sei es daher nicht gelungen, einen Schuldentlastungsbeweis zu erbringen, weshalb auch die subjektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen sei.

In ihrer Begründung zum Strafausmaß hält die belangte Behörde fest, dass davon auszugehen sei, dass Verstöße gegen das Arbeitnehmerschutzgesetz ganz allgemein einen schwerwiegenden Unrechtsgehalt aufweisen könnten.

Strafmildernde oder straferschwerende Umstände seien nicht vorgelegen. Zu berücksichtigen wäre auch gewesen, dass im vorliegenden Fall ein Absturz mit möglichen tödlichen Verletzungen geendet hätte.

Bei der Festsetzung der Strafhöhe seien auch spezialpräventive Gesichtspunkte zu berücksichtigen gewesen.

Die Beschuldigte habe keine Angaben über ihre Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse getätigt, sodass von einem monatlichen Nettoeinkommen in der Höhe von 30.000 S bei Nichtvorliegen von Sorgepflichten ausgegangen worden sei.

Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen vorgebracht wie folgt:

§ 87 Abs.3 BauV sei im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar, weil die Mitarbeiter K. und K. geringfügige Arbeiten im Sinne des § 87 Abs.5 BauV durchgeführt hätten.

Am verfahrensgegenständlichen Objekt, dem Haus C, wären die Dachdecker- und Dachspenglerarbeiten am 16.7.1998 bereits vollständig abgeschlossen gewesen, sodass die Dachschutzblenden und Dachfanggerüste zu diesem Zeitpunkt auch bereits abgebaut hätten werden können.

Am 16.7.1998 habe sich jedoch - erst im Nachhinein und vor Abbau der Dachschutzblenden und Dachfanggerüste keinesfalls vorhersehbar - herausgestellt, dass am Haus C noch eine Tätigkeit durchzuführen gewesen wäre, nämlich das Aufschneiden des Brustbleches und das Ausschneiden des Rinnenkessels. Diese Tätigkeit sei von den Mitarbeitern K. und K. durchgeführt worden und hätte längstens zwei Stunden Zeit in Anspruch genommen. Keinesfalls könne diese Tätigkeit, welche in den bisherigen Beschuldigtenstellungnahmen als "Restarbeit" bezeichnet worden sei - als Teil der am Haus C sonst durchgeführten Dachdecker- und Spenglerarbeiten - angesehen werden. Bei den von den Mitarbeitern K. und K. durchgeführten Tätigkeiten handelte es sich daher um geringfügige Tätigkeiten im Sinne des § 87 Abs.5 BauV, weshalb die Verpflichtung, Dachschutzblenden und Dachfanggerüste aufzubauen, nicht gegeben gewesen wäre.

Es scheide jedoch auch eine Bestrafung wegen § 87 Abs.5 BauV aus, weil die Fa. M., ein Familienbetrieb mit nur wenigen Mitarbeitern, über ein ausreichendes und funktionsfähiges Kontrollsystem verfüge, das die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleiste.

Hinsichtlich der Kontrolle der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften sei zwischen sämtlichen Geschäftsführern der Fa. M. vereinbart, dass die Kontrolle ausschließlich vom Beschuldigten E. L. und vom Beschuldigten Ing. R. L. durchgeführt werde. Eine Bestrafung der Beschuldigten R. L. scheide daher von vornherein aus, zumal die Überwachung und Kontrolle der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften jedenfalls bis zum 16.7.1998 anstandslos funktioniert hätte.

Im Konkreten sei die Kontrolle von den Beschuldigten E. L. und Ing. R. L. so durchgeführt worden, dass die Baustelle mindestens einmal pro Tag, meistens sogar mehrmals pro Tag, hinsichtlich der Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften kontrolliert worden sei. Die Verantwortung, die verfahrensgegenständliche Baustelle im Hinblick auf die Einhaltung von § 87 BauV zu kontrollieren, sei somit ausschließlich bei den Beschuldigten E. L. und Ing. R. L. gelegen.

Im Einzelnen sei den Mitarbeitern der Fa. M. von den genannten Beschuldigten aufgetragen worden, bei Arbeiten auf Dächern ständig Dachschutzblenden und Dachfanggerüste zur Vermeidung von Abstürzen der Mitarbeiter zu verwenden. In jenen Fällen, in denen ein Arbeiten auf Schutzblenden und Dachfanggerüsten zulässig sei - also nur bei geringfügigen Arbeiten im Sinne des § 87 Abs.5 BauV -, würden die Mitarbeiter ausdrücklich angewiesen, sich immer mit Sicherheitsgeschirr anzuseilen.

Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Sicherheitsvorschriften wäre von den Beschuldigten E. L. und Ing. R. L. vorgesehen gewesen, dass an jene Mitarbeiter, die die Sicherheitsvorschriften nicht einhielten, zunächst eine Weisung die Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten erteilt werde. Bei Nichteinhaltung dieser Weisung wäre dann mit einem schriftlichen Verweis vorgegangen worden. Bei einem Verstoß gegen einen schriftlichen Verweis oder bei wiederholter Nichteinhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften wäre sogar mit Kündigung bzw. Entlassung vorgegangen worden.

Zu diesen Maßnahmen hätte bislang jedoch nie gegriffen werden müssen, zumal die Mitarbeiter diese arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften immer eingehalten hätten. Es wäre daher für die Beschuldigten E. L. und Ing. R. L. völlig unvorhersehbar gewesen, dass die Mitarbeiter K. und K. am 16.7.1998 ohne Sicherheitsgeschirr gearbeitet hätten.

Da die Fa. M. über ein ausreichendes Kontrollsystem zur Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften verfüge, zu dem die genannten Beschuldigten mehrmals pro Tag, mindestens jedoch einmal pro Tag, die Baustelle speziell auf deren Einhaltung kontrollierten, sei davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall grundsätzlich geeignete Maßnahmen getroffen worden seien, um die Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften zu vermeiden.

Sämtliche Beschuldigte treffe daher an der Verletzung des § 87 Abs.5 BauV kein Verschulden.

Zur verhängten Geldstrafe in der Höhe von 10.000 S bringt die Beschuldigte vor, dass dies zu hoch und keineswegs tat- und schuldangemessen sei. Darüber hinaus habe die belangte Behörde bei der Strafbemessung den Milderungsgrund der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit bei der Strafbemessung außer Acht gelassen. Bei Anwendung dieses Milderungsgrundes hätte die belangte Behörde eine wesentlich mildere Geldstrafe verhängen müssen.

Weiters bringt die Beschuldigte vor, dass auch gemäß § 21 Abs.1 VStG hätte vorgegangen werden können.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erwogen:

Die öffentliche Verhandlung am 11.7.2000 hat ergeben, dass neben der von Anfang an unstrittigen objektiven Tatseite der Verwaltungsübertretung gemäß § 87 Abs.5 BauV auch deren subjektive voll erfüllt ist.

So vermochte die Beschuldigte auch im Berufungsverfahren, insbesondere in der öffentlichen Berufungsverhandlung nicht ausreichend darzulegen, dass sie im Sinne eines lückenlosen Kontrollsystems Maßnahmen getroffen hat, die die lückenlose Einhaltung der Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung mit gutem Grunde hätten erwarten lassen können. So ist diesbezüglich der belangten Behörde beizupflichten, dass die Erteilung von Weisungen, die Schutzvorschriften einzuhalten, wie auch die Bereitstellung von Sicherheitskoffern, beinhaltend Sicherheitsgeschirre und Seile und das Androhen wie auch der Vollzug von Sanktionen gegen Arbeitnehmer, die diese Weisungen nicht befolgen, nicht ausreichen, ein taugliches und verlässliches Kontrollsystem darzustellen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die angeführten Maßnahmen von einer intensiven Kontrolle und Beaufsichtigung der Arbeitnehmer begleitet worden wären. Von einer solchen Kontrolle bzw. Beaufsichtigung kann aber auch bei täglichen Baustellenkontrollen durch die beiden anderen Gesellschafter, welche den Angaben des Ing. R. L. nach durchschnittlich eine Stunde dauerten, noch nicht gesprochen werden. Dies auch dann nicht, wenn diese fallweise zweimal am Tag ihre Arbeitnehmer auf den Baustellen hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften kontrollierten. Auch der Umstand, dass einer der Arbeitnehmer (K.) auf der Baustelle als Vorgesetzter des anderen (K.) fungierte ändert daran nichts, da K. selbst die Sicherheitsvorschriften nicht einhielt. Entlastet wird auch die Beschuldigte nicht durch den Umstand, dass der Einsatz der verfahrensgegenständlichen Arbeitnehmer auf dem Dach überraschend und unvorhersehbar erfolgte und nur kurze Zeit dauerte. Dies deshalb, weil gerade auch für solche Fälle, in denen Arbeitnehmer eigenmächtig, wenn auch nur für kurze Zeit, die Sicherheitsvorschriften nicht einhalten, ein entsprechendes Kontrollsystem Platz zu greifen hat (vgl. VwGH 23.9.1994, 94/02/0258 und 31.3.2000, 96/02/0052-7).

Der Schuldspruch der belangten Behörde ist sohin zu Recht ergangen.

Was den Strafausspruch des angefochtenen Straferkenntnisses betrifft so ist zunächst aufzuzeigen, dass bei Übertretungen des § 87 Abs.5 BauV die Rechtsfigur des fortgesetzten Deliktes nicht zur Anwendung kommt, weil sich mit deren Begehung ein Angriff auf höchstpersönliche Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der jeweils im Schuldspruch namentlich angeführten Arbeitnehmer verbindet. So hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen (13.1.19994, 91/19/0200, 30.5.1997, 97/02/0096 und 31.3.2000, 96/02/0052-7) die Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, dass, werden Rechtsvorschriften die dem gesundheitlichen Schutz von Arbeitnehmern dienen (auch die BauV zählt zu diesen) in Ansehung mehrerer Arbeitnehmer verletzt, mehrere Übertretungen vorlägen. Demnach hat die belangte Behörde dadurch, dass sie die Beschuldigte lediglich einer Verwaltungsübertretung für schuldig befunden hat, gegen das im § 22 VStG normierte Kumulationsgebot verstoßen.

Der Mangel des erstbehördlichen Strafausspruches, der eine Gesamtstrafe beinhaltet, konnte jedoch vom Unabhängigen Verwaltungssenat als Berufungsinstanz insoferne saniert werden, als die Verletzung der Bestimmungen des § 87 Abs.5 BauV für jeden der beiden Arbeitnehmer den gleichen Schuld- und Unrechtsgehalt aufweist, sodass es möglich war, die verhängte Strafe hälftemäßig aufzuteilen und auch im jeweils gleichen Ausmaß herabzusetzen, ohne dabei gegen das Verschlechterungsverbot zu verstoßen. Abgesehen vom gleichen Schuldgehalt erweisen sich auch unbeschadet des Umstandes, dass einer der Arbeitnehmer in einer Absturzhöhe von 9 m, der andere in einer von 13 m, arbeitete, in beiden Fällen Unrechtsgehalt und Tatumfang als jeweils im gleichen Ausmaß gegeben. Dies deshalb, weil von einem gleich hohen Gefahrenpotential für jeden der verfahrensgegenständlichen Arbeitnehmer ausgegangen werden kann. So wird das größere Ausmaß der Absturzhöhe bei einem Arbeiter (13 m) dadurch ausgeglichen, dass er nicht im Traufenbereich und sohin an der Absturzkante arbeitete, wie dies beim anderen Arbeitnehmer, der sich in einer Absturzhöhe von 9 m, dafür aber im Bereich der Absturzkante befand, der Fall war. So schnitt einer der Arbeitnehmer in 13 m Höhe das Brustblech für den Kamin aus, der andere im Traufenbereich (9 m Höhe) den Rinnenkessel. Nach der zeugenschaftlichen Aussage des Arbeitnehmers K. kann auch davon ausgegangen werden, dass sich beide Arbeitnehmer in annähernd gleich langer Dauer ungesichert am Dach befanden.

Das Strafausmaß war aus folgenden Gründen herabzusetzen:

Die Behauptung der belangten Behörde in ihrer Begründung des Strafausmaßes, dass keine Strafmilderungsgründe vorliegen, findet in der Aktenlage keine Deckung und wurde von der Beschuldigten zu Recht gerügt, dass der Strafmilderungsgrund der Unbescholtenheit nicht berücksichtigt worden sei. Vielmehr ergab die Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde, dass Verwaltungsstrafvormerkungen nicht zu verzeichnen sind, sodass der Strafmilderungsgrund der Unbescholtenheit bei der Strafbemessung in Rechnung zu stellen war.

Auch die verwandtschaftliche Bindung (Ehegatten und deren Sohn) aller drei verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Gesellschafter der K. M. GesmbH. stellt nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates insoferne einen Milderungsgrund dar, als jeder von ihnen durch die Bestrafung des anderen zumindest wirtschaftlich in Mitleidenschaft gezogen wird und der Familienbetrieb durch die Bestrafung aller drei Gesellschafter bei einem Strafbetrag von 10.000 S über Gebühr wirtschaftlich belastet würde. Die Bestrafung aller drei Gesellschafter ist allerdings rechtsgemäß. Im Falle der Beschuldigten kommt überdies hinzu, dass sie zwar wie E. und Ing. R. L. verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Gesellschafterin der Fa. M. GesmbH ist, ihr Aufgabenbereich innerhalb der Firma aber, wie bei der öffentlichen Berufungsverhandlung hervorkam, rein bürokaufmännischer Natur ist und sie mit der technisch-gewerblichen Betriebsführung, zu der auch die Wahrnehmung der Angelegenheiten des technischen Arbeitnehmerschutzes gehört, nichts zu tun hatte. Ihre verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit resultiert allein aus der Tatsache, dass seitens der genannten Gesellschaft kein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG für die Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes bestellt wurde. In Anbetracht des Umstandes, dass hinsichtlich der Beschuldigten bei der Strafbemessung keine Erschwerungsgründe heranzuziehen waren einerseits und ihrer bisherigen verwaltungstrafrechtlichen Unbescholtenheiten andererseits wie auch des Umstandes, dass die Baustellenführung nicht zu ihrem Aufgabengebiet innerhalb der Gesellschaft gehörte, lassen die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG erforderlich werden, weil diesen nicht unbeträchtlichen Milderungsgründen keine Erschwerungsgründe gegenüber stehen.

Nicht ins Auge gefasst werden konnte allerdings ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG, weil eine der hiefür erforderlichen Voraussetzungen, nämlich geringfügige Folgen der Übertretung nicht vorliegt. So waren die Arbeitnehmer K. und K. durch die Nichtbeachtung der Bestimmungen des § 87 Abs.5 BauV im gegenständlichen Fall einer nicht unerheblichen Gefährdung des Lebens und der Gesundheit ausgesetzt.

Auch kann in Anbetracht der bisherigen Unbescholtenheit der Bestraften davon ausgegangen werden, dass auch mit dem herabgesetzten Strafausmaß den Präventionszwecken der Strafe entsprochen wird.

Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses sind der Beschuldigten keine Kosten für das Berufungsverfahren aufzuerlegen (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. K o n r a t h

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VwGH vom 3.11.2000, Zl.: 2000/02/0263

 

 

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