Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-280481/21/Kl/Rd

Linz, 28.09.2000

VwSen-280481/21/Kl/Rd Linz, am 28. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Konrath, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung des S, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 7.9.1999, Ge96-2442-1998, Faktum 1, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der BauV nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 20.9.2000 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung zu Faktum 1 wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Übertretungsnorm iSd § 44a Z2 VStG zu lauten hat: "§ 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, BGBl.Nr. 450/1994 iVm §§ 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.Nr. 340/1994."

II. Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 6.000 S (entspricht 436,04 €), ds 20 % der verhängten Strafe, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 7.9.1999, Ge96-2442-1998, wurde über den Bw zu Faktum 1 eine Geldstrafe von 30.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 300 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 iVm § 61 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.3 BauV verhängt, weil er es als Inhaber der "Bauunternehmung S" mit Sitz in F zu verantworten hat, dass bei einer am 19.2.1998 um ca. 14.35 Uhr auf der Baustelle S durchgeführten Kontrolle, Folgendes festgestellt wurde:

1) Die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer S, geb. 22.1.1973 (Vorarbeiter), H (Lehrling), geb. 26.10.1981 und P (Lehrling), geb. 12.9.1979 wurden bei Dacharbeiten (Aufbringen der Dachlattung und der Dampfsperre) ohne jede Sicherung gegen Absturz angetroffen. Am gesamten Objekt waren weder Dachfanggerüste noch Dachschutzblenden angebracht. Die Traufenhöhe betrug 6,85 m, die Dachneigung betrug 27 Grad. Die Dienstnehmer trugen weder Sicherheitsgeschirre noch waren sie angeseilt, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste gemäß § 88 BauV.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht. Darin wurde ausgeführt, dass sechs Tage vor der Kontrolle des AI für alle Betriebsmitarbeiter eine anwesenheitspflichtige Betriebsveranstaltung zum Thema "Sicherheit am Bau" durchgeführt wurde, bei welcher Vertreter der Unfallverhütungsstelle ausführlich erklärten, welche Sicherheitsvorschriften in jedem Fall bedacht werden müssen. Solche Veranstaltungen wurden auch in den Vorjahren mehrmals durchgeführt. Auch werden die Poliere und Bauleiter auf die Notwendigkeit der Einhaltung der gegenständlichen Normen laufend von ihren Vorgesetzten hingewiesen. Für die gegenständliche Baustelle war der Prokurist Ing. H als verantwortlicher Bauleiter bestellt und tätig. Dieser sei verantwortlicher Beauftragter des Firmeninhabers, zumal eine unmittelbare Kontrolle durch den Firmeninhaber unzumutbar sei. Sowohl der Bauleiter Ing. H als auch der verantwortliche Polier B verfügten über entsprechende Fähigkeiten und Kenntnisse der Normen. Vom Bw selbst werden sporadische Überprüfungen durchgeführt. Auch der Vorarbeiter wäre aufgrund seiner Ausbildung verpflichtet, die bestehenden Sicherheitsbestimmungen einzuhalten und wäre daher selbst für ein allfälliges Verschulden verantwortlich. Es wurde daher die Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu die Verhängung der Mindeststrafe beantragt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat das zuständige AI am Berufungsverfahren beteiligt.

Weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war nach der geltenden Geschäftsverteilung die 8. Kammer zur Entscheidung zuständig.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Akteneinsichtnahme sowie durch die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.9.2000, zu welcher neben den Verfahrensparteien die Zeugen Ing. W, AI für den 18. Aufsichtsbezirk, B und Ing. Hl geladen wurden. Der Zeuge B ist nicht erschienen und wurde vom Bw auf die Einvernahme mit der Begründung verzichtet, dass dieser zum Vorfall keine Aussagen machen kann.

Es ist erwiesen, dass bei einer Kontrolle am 19.2.1998 auf der Baustelle S, drei namentlich angeführte Arbeitnehmer bei Dacharbeiten ohne geeignete Schutzeinrichtungen angetroffen wurden. Auch verwendeten sie keine Sicherheitsgeschirre oder -seile. Die Traufenhöhe betrug 6,85 m, die Dachneigung 27 Grad. Es waren keine Dachfanggerüste oder Schutzblenden vorhanden und wurden auch von den Arbeitnehmern keine persönlichen Schutzausrüstungsgegenstände wie Seile oder Sicherheitsgeschirre verwendet. Es steht weiters fest, dass über Veranlassung des kontrollierenden Arbeitsinspektors mit dem Drehkran Dachfanggerüste auf das Dach hinübergehoben wurden. Mit den Dacharbeiten wurde aber schon vor der Montage der Dachfanggerüste begonnen. Die Kontrolle fand am 4. Tag der Arbeiten statt. Es handelte sich um mehrere Reihenhäuser, wobei bei einigen schon die Dachlattung vorhanden war. Am konkreten Haus beschäftigte Arbeitnehmer haben bereits an diesem Dach mit der Dacheindeckung begonnen. Dies ergibt sich aus der Einvernahme des kontrollierenden AI sowie auch des Bauleiters. Auch wurden Fotos vorgelegt, die den Sachverhalt untermauern. Der Bauleiter legte auch glaubwürdig dar, dass er Anweisung zum Montieren der Dachfanggerüste und zum Verwenden der Sicherheitsausrüstung gab. Der Dienstweg ging von ihm als Bauleiter zum Polier und dann zum Vorarbeiter. In der Abwesenheit des Bauleiters müsste der Polier die Verwendung der Schutzausrüstung kontrollieren. In diesem Fall wäre dies Aufgabe des Herrn B. Die Verwendung von Schutzausrüstung ist ständig ein Thema in der Firma und auch Thema von Belehrungen und Informationsveranstaltungen sowie auch von Polierbesprechungen. Allerdings gäbe es immer wieder Widerstände gegen die Verwendung der Ausrüstung. Es hat im Betrieb auch schon schriftliche und mündliche Verwarnungen gegeben. Hinsichtlich dieser Baustelle und vor diesem Vorfall gab es keine Verwarnung. Der Bauleiter war am Tattag nicht auf der Baustelle zur Kontrolle. Er hat einen Jourfix montags und war daher zu Beginn dieser Woche sicher auf der Baustelle, ob er zwischen Montag und dem Kontrolltag (Donnerstag) auf der Baustelle war, konnte er nicht sagen. Die persönlichen Schutzausrüstungsgegenstände befinden sich im Bus, und zwar für jeden einzelnen Arbeitnehmer. Der Bauleiter wurde als Verantwortlicher für die Baustelle bestellt und fühlte sich auch für die Baustelle verantwortlich. Bei sicherheitstechnischen Mängeln ermahnt er auch die Poliere und Arbeitnehmer und weist auf Fehler und Mängel hin. Die Umsetzung entsprechender Anordnungen kann aber von ihm nicht ständig verfolgt werden, weil er mehrere Baustellen zu betreuen hat.

Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten wurde beim zuständigen AI nicht gemeldet und ein Zustimmungsnachweis nicht hinterlegt.

Der Bauleiter wird vom Firmeninhaber, also dem Bw, nicht kontrolliert, weil dies aufgrund der Größe des Unternehmens nicht möglich ist. Allerdings können die Protokolle über die Baustellenbesprechungen kontrolliert werden.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.Nr. 340/1994, müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste (§ 88).

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt. Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die BauV nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

5.2. Im Grunde des erwiesenen Sachverhaltes, nämlich dass bei einer Dachneigung von 27 Grad und einer Traufenhöhe von 6,85 m keine Dachschutzblenden und -fanggerüste vorhanden waren, obwohl bereits drei Arbeitnehmer mit dem Aufbringen der Dachlattung und der Dampfsperre beschäftigt waren, wurde der objektive Tatbestand erfüllt.

Entgegen den Ausführungen des Bw, dass mit dem Drehkran die Dachfanggerüste bereits zum Dach hinübergehoben wurden, ist die Bestimmung des § 155 Abs.1 BauV entgegenzuhalten. Danach hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass den Vorschriften dieser Verordnung sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Unterhaltung und Führung der Baustelle entsprochen wird. Dies bedeutet, dass bereits zu Beginn der Dacharbeiten die entsprechenden geeigneten Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen. Indem aber bereits an diesem Tag konkret gearbeitet wurde und die Schutzeinrichtungen noch nicht montiert waren, wurde der objektive Tatbestand einwandfrei erfüllt.

Die Verwaltungsübertretung hat der Bw auch subjektiv zu verantworten. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt fahrlässiges Verhalten, wobei Fahrlässigkeit bei Ungehorsamsdelikten, zu welchen auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung zählt, ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Bw nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Ein solcher Entlastungsnachweis ist dem Bw auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht gelungen. Entsprechend der ständigen Judikatur des VwGH genügen nämlich Dienstanweisungen und Anordnungen nicht, um sich zu entlasten, sondern es hat der Arbeitgeber vielmehr alle Maßnahmen zu ergreifen, die mit gutem Grund die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gewährleisten. Dies bedeutet, dass er auch für die Einhaltung der Anordnungen Sorge zu tragen hat und die Durchführung seiner Weisungen zu kontrollieren hat. Die Durchführung von Informationsveranstaltungen auch mit Anwesenheitspflicht sowie die Anweisungen durch den Bauleiter und Polier, die entsprechenden Schutzeinrichtungen zu montieren, genügen daher nicht, sondern es wäre vielmehr zu kontrollieren, dass die entsprechenden Anordnungen auch eingehalten werden. Es hat daher der Bw ein lückenloses und hinreichendes Kontrollsystem initiativ darzustellen und nachzuweisen. Ein solcher Nachweis ist ihm aber nicht gelungen. Wie die Einvernahme insbesondere auch des zuständigen Bauleiters ergeben hat, wird die Baustelle zwar stichprobenartig einmal in der Woche, allenfalls zweimal in der Woche von ihm kontrolliert. Schon dies allein reicht für eine zuverlässige und lückenlose Kontrolle nicht aus. Darüber hinaus war aber erwiesen, dass der Bauleiter seinerseits vom Bw nicht kontrolliert wird. Schließlich wurde weder vom Bw noch vom einvernommenen Bauleiter dargelegt, welche Maßnahmen getroffen werden, dass die Schutzausrüstungen auch tatsächlich verwendet werden bzw die Arbeitnehmer keinen Anreiz haben, sich den Verwaltungsvorschriften zu widersetzen. Es hat daher der Bw zumindest fahrlässige Begehungsweise zu verantworten.

5.3. Wenn hingegen in der Berufung ausgeführt wird, dass der Bauleiter zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei, und daher der Bw nicht verantwortlich sei, wofür auch eine Bestellungsurkunde vom 23.12.1997 bei der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde, so ist diesem Vorbringen die Bestimmung des § 23 Abs.1 ArbIG 1993 entgegenzuhalten, wonach die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen AI eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung des Bauleiters samt einem Nachweis der Zustimmung wurde beim zuständigen AI nicht gemacht. Auch wurde das Einlangen einer solchen schriftlichen Mitteilung beim AI gar nicht vom Bw behauptet. Nach dieser Gesetzesstelle war daher die Bestellung nicht rechtswirksam, dh, es ist die Verantwortung nicht gemäß § 9 Abs.2 und 3 VStG auf den Bauleiter übergegangen.

5.4. Im Grunde der Strafbemessung ist die belangte Behörde gemäß § 19 VStG vorgegangen. Sie hat als straferschwerend einschlägige Vorstrafen gewertet. Strafmildernde Umstände waren nicht vorhanden. Die Verwaltungsstrafvormerkungen wurden durch einen Auszug belegt und ist daraus eine einschlägige Verwaltungsvorstrafe ersichtlich. Zu den persönlichen Verhältnissen hat der Bw selbst ein monatliches Nettoeinkommen von 30.000 S und die Sorgepflichten für die Gattin und ein Kind angegeben. Der Unrechtsgehalt der Tat, nämlich dass konkret drei Arbeitnehmer in ihrer körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit gefährdet waren, dass die Absturzhöhe beträchtlich war, und dass auch sonstige persönliche Schutzausrüstungsgegenstände nicht verwendet wurden, war entsprechend bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Es war daher die verhängte Geldstrafe tat- und schuldangemessen und erforderlich, um den Bw von einer gleichartigen Tatbegehung abzuhalten. Im Übrigen war die Geldstrafe auch erforderlich, um generalpräventive Wirkung zu zeigen. Die verhängte Geldstrafe ist im Übrigen auch den persönlichen Verhältnissen des Bw angemessen. Es war daher auch die verhängte Strafe zu bestätigen.

5.5. Die Berichtigung der Übertretungsnorm ist in den vorzitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, ds 6.000 S, gemäß § 64 VStG aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht  181,68 €) zu entrichten.

 

 

Dr. Konrath

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, keine wirksame Bestellungsurkunde