Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280508/3/Kon/Pr

Linz, 14.09.2000

VwSen-280508/3/Kon/Pr Linz, am 14. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 7. Kammer (Vorsitzender: Mag. Gallnbrunner, Berichter: Dr. Konrath, Beisitzer: Dr. Grof) über die Berufung des Herrn W. H., p.A. Fa. G. KG, L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 27.12.1999, Ge96-123-1998-KM, wegen Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten 1 und 3 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, § 45 Abs.1 Z3 VStG.

Entscheidungsgründe:

Im eingangs zitierten Straferkenntnis wird der Beschuldigte der Verletzung nachstehender Rechtsvorschriften für schuldig erkannt.

Zu Faktum 1:

Art.6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, Abl. EG Nr. L 370 vom 31.12.1985, S 1 (EG-VO 3820) in Verbindung mit dem Kollektivvertrag für d. Güter-beförderungsunternehmen Österreichs (kurz KV) sowie § 28 Abs.1a Z4 Arbeitszeitgesetz - AZG, BGBl.Nr. 461/1969 idgF;

zu Faktum 3:

Art.8 Abs.1 der EG-VO 3820 iVm dem KV sowie § 28 Abs.1a Z2 AZG.

Anmerkung:

Die Entscheidung über die gegen Faktum 2 erhobene Berufung fällt gemäß § 51c VStG in die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes.

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 VStG 1991 idgF. der Firma G. KG. mit dem Sitz in L., zu verantworten, daß - festgestellt (die Tachoscheibenauswertung wurde von einem Fachorgan der Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge mit einem Auswertegerät der Firma K. vorgenommen) anläßlich einer am 25.8.1998 um 16.10 Uhr durch die Bundespolizei am Kontrollort Leoben, durchgeführten Kontrolle und einer am 25.9.1998 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Wels durchgeführten Kontrolle der Tachografenschaublätter - folgende Übertretungen nach dem AZG begangen wurden:

Der Arbeitnehmer J. P., geb., beschäftigt im o.a. Güterbeförderungsunternehmen als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen, das der Güterbeförderung dient, und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, wurde lt. den vorliegenden Tachographenschaublättern zu folgenden ungesetzlichen Arbeitsleistungen herangezogen:

  1. Überschreitung der täglichen Lenkzeit:

von bis um

23.08.1998-25.08.1998 20.05 Uhr 16.12 Uhr 10 Std. 36 Min.

Die Gesamtlenkzeit betrug 20 Stunden 36 Minuten. Dies stellt eine Übertretung des Artikels 6 Abs. 1 der EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV dar, wonach die tägliche Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten maximal zehn Stunden nicht überschreiten darf.

  1. Unterschreiten der Ruhezeit:

Beginn des 24-Stunden Zeitraumes

      1. 20.05 Uhr

Dauer der Ruhezeit

von 06.48 Uhr - 09.34 Uhr

2 Std. 46 Min.

Ende des 24-Stunden Zeitraumes

      1. 20.05 Uhr

Dies stellt eine Übertretung des Artikels 8 Abs. 1 EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV dar, wonach innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens 9 (neun) Stunden zu gewähren ist."

In Entscheidung über die gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig erhobene Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach Einsichtnahme in den zugleich mit der Berufung vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 28 Abs.1a Z4 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die Lenker über die gemäß Art. 6 Abs.1, Unterabsatz 1 oder Abs.2 der VO 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen (Faktum 1) und die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs.1 der VO 3820/85 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 28 Abs.4 leg.cit. beträgt die Verjährungsfrist für Verstöße gegen die im Abs.1a angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr abweichend von § 31 Abs.2 VStG ein Jahr.

Gemäß Art.2 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 gilt diese Verordnung für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr im Sinne von Art.1 Nr. 1.

Gemäß Art.2 Abs.2 der genannten Verordnung gilt das europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) anstelle der vorliegenden Vorschriften für Beförderungen im grenzüberschreitenden Straßenverkehr

  • von und/oder nach Drittländern, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, oder im Durchgang durch diese Länder auf der gesamten Fahrtstrecke, wenn die Beförderungen mit Fahrzeugen durchgeführt werden, die in einem Mitgliedstaat oder in einem dieser Drittländer zugelassen sind;
  • von und/oder nach einem Drittland, das nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist, mit Fahrzeugen, die in einem solchen Drittland zugelassen sind, auf allen Fahrtstrecken innerhalb der Gemeinschaft.

Gemäß § 31 Abs.2 VStG beträgt die grundsätzliche Verjährungsfrist für die Verfolgung von Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal "Internationaler Straßenverkehr" im Sinne der Abs.3 und 4 des § 28 AZG wird durch Art.2 Abs.1 der VO 3820/85 definiert.

Demnach ist unter internationaler Straßenverkehr jener für innergemeinschaftliche Beförderung im Straßenverkehr im Sinne von Art.1 Nr.1 zu verstehen.

Daraus folgt, dass die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist im Sinne des § 28 Abs.4 AZG und die Bestimmungen der genannten Verordnung nur im Rahmen des innergemeinschaftlichen Güterverkehrs zum Tragen kommen.

Für den grenzüberschreitenden Güterverkehr nach Drittländern findet die Verordnung (EWG) 3820/85 keine Anwendung, sondern gelten die Bestimmungen des AETR.

Dies bedeutet weiter, dass für Verstöße gegen die in Abs.1a des § 28 AZG angeführten Rechtsvorschriften, die nicht im internationalen Straßenverkehr im Sinne der zitierten Verordnung erfolgen, sondern im Rahmen des AETR nicht die einjährige sondern die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG gilt.

Bezogen auf die Tatzeiträume zu Faktum 1 und 3 (23.8. bis 25.8.1998 bzw. 24.8.1998) hätte die Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.2 VStG am 24.2. bzw. 25.2.1999 geendet.

Die belangte Behörde hat jedoch, wie sich aus der Aktenlage ergibt, ihre erste Verfolgungshandlung erst mit der am 28.4.1999 erfolgten Absendung der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 27.4.1999, Ge96-123-1998, gesetzt, sohin zu einem Zeitpunkt, in dem schon Verfolgungsverjährung eingetreten war.

Dass im gegenständlichen Fall die Güterbeförderung nicht im Rahmen des internationalen Straßenverkehrs im Sinne der voranzitierten EG-VO erfolgte, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den darin erliegenden Tachographenschaublättern, denen zufolge von einem grenzüberschreitenden Straßenverkehr im Sinne des AETR auszugehen war.

Aus den dargelegten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses sind dem Berufungswerber keinerlei Verfahrenskostenbeiträge vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. G a l l n b r u n n e r

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 20.02.2001, Zl.: 2000/11/0292,0293-5