Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280551/18/Le/La

Linz, 06.03.2001

VwSen-280551/18/Le/La Linz, am 6. März 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des F K, A 99, W/K, vertreten durch Rechtsanwälte S, B, T & P, T 13, 1 W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 5.10.2000, Zl. Ge96-30-2000, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.2.2001 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straf-erkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 2.000 S (entspricht  145,35 Euro) zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vom 5.10.2000 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 35 Abs.1 und 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (im Folgenden kurz: AAV) iVm § 130 Abs.5 und § 109 Abs.2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (im Folgenden kurz: ASchG) eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 5 Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der L Ziegelindustrie GmbH und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der L Ziegelindustrie GmbH & Co KG dafür einzustehen, dass am 20. Juni 2000 der Arbeiter M P im Ziegelwerk T in A Nr. 36 im Bereich des Kombiliftes und des Übersetzers zu Reinigungsarbeiten an der Ziegelmaschine bzw zur Entfernung der herabgefallenen Ziegelstücke beschäftigt worden ist, ohne dass diese Betriebseinrichtung zum Unfallzeitpunkt durch Schutzvorrichtungen gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert gewesen wäre.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 23.10.2000, mit der beantragt wird, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass der Vorwurf einer Übertretung des § 35 Abs.1 und 2 AAV nicht berechtigt sei: Bei den solcherart abzusichernden Gefahrenstellen müsse es sich um solche handeln, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung der Betriebseinrichtung (einschließlich Einstell- und Nachstellarbeiten, die an in Gang befindlicher Maschine durchgeführt werden müssen) gegeben sind. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor. Herr Milan P sei seit etwa einem halben Jahr im Unternehmen beschäftigt und wäre es seine Aufgabe, die Verkehrswege der Ziegelmaschinen sauber zu halten und zB herabgefallene Ziegelstücke zu beseitigen. Herr P hätte die ausdrückliche Anweisung, diese Arbeiten nur im Bereich von abgestellten Maschinen durchzuführen. Der Bereich des Kombiliftes, in dem sich der Unfall ereignet habe, sei überdies mit einer Kette abgesperrt. Herr P musste diese Kette weggegeben haben, um den Boden in diesem Bereich zu reinigen.

Entscheidend sei daher, dass Herr P entgegen dem ausdrücklichen Auftrag, Arbeiten nur im Bereich von abgestellten Maschinen durchzuführen, gehandelt habe. Die Gefahrenstelle wäre bei auftragsgemäßem Verhalten nicht gegeben gewesen. Selbst wenn man die Tätigkeit von Herrn P unter den Begriff der "Nachstellarbeiten" subsumieren wollte, so wäre es doch keine iSd § 35 AAV relevante Nachstellarbeit gewesen, weil nach dieser Bestimmung nur solche Nachstellarbeiten zur bestimmungsgemäßen Verwendung zählen, die an in Gang befindlichen Betriebseinrichtungen durchgeführt werden müssten. Dies sei aber nicht der Fall.

Der Berufungswerber habe sich daher weder rechtswidrig noch schuldhaft verhalten. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, Herrn P Fehlverhalten durch entsprechende Maßnahmen und Kontrollen zu begegnen. Das tragische, aber eigenmächtige unvorhersehbare Vorgehen von Herrn P könne ihm daher nicht vorgeworfen werden.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes hat der Unabhängige Verwaltungssenat am 26.2.2001 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Rechtsvertreter des Berufungswerbers und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz teilnahmen; die belangte Behörde blieb der Verhandlung ohne Angabe von Gründen fern.

Bei dieser Verhandlung wurden Herr DI H T vom Arbeitsinspektorat Leoben und die Arbeitnehmer R W, J S und M P vom Ziegelwerk T als Zeugen vernommen. Der Arbeitsinspektor DI T legte 13 Fotos der gegenständlichen Anlage vor, auf denen die Unfallstelle, der Weg dorthin sowie andere Bereiche der Anlage, wie etwa die Schaltwarte, zu sehen sind. Alle Verhandlungsteilnehmer konnten sich aus diesen Bildern die Situation veranschaulichen und anhand dieser Fotos ihre Aussagen konkretisieren.

3.2. Aus dieser Verhandlung steht im Zusammenhalt mit den Ermittlungen der Erstbehörde folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Zur Maschine:

Aus der Darstellung des Betriebselektrikers J S, des Produktionsleiters R W, des Arbeitsinspektors DI T sowie den aufgenommenen Lichtbildern ist ersichtlich, dass es sich bei der gegenständlichen Anlage um ein Transportsystem für Ziegel innerhalb des Ziegelwerkes handelt. Dabei laufen Paletten auf Bahnen und Umsetzern. Die Anlage war zum damaligen Zeitpunkt weitgehend durch Schutzgitter abgesichert. Bei den beiden Eingängen waren Schutzschalter montiert, die bewirkten, dass beim Öffnen einer dieser Türen die Anlage automatisch abgeschaltet wurde. J S bediente von der Schaltwarte aus die Abläufe dieser Anlage.

Lediglich an einer Stelle war kein Schutzgitter vorhanden. Genau dort ging M P in die Anlage. Neben einem I-Träger, an dem ein Förderband vorbeilief, bückte sich M P offensichtlich, um Ziegelschutt wegzuräumen. Er überhörte dabei das Herannahen einer Ziegelpalette, wurde von dieser erfasst, gegen den I-Träger gedrückt und dabei schwer verletzt. Der Zugang zu dieser Gefahrenstelle war durch eine rot-weiß-rot gefärbte Plastikkette abgesichert, die aber ein Betreten dieses Anlagenbereiches nicht wirksam verhinderte.

Zum Unfallhergang:

Der Produktionsleiter R W gab am Morgen des 20.6.2000 Herrn S und Herrn P den Auftrag, den Ziegelschutt aus der Anlage zu räumen. Zu diesem Zweck schaltete J S die Anlage ab. Anschließend gingen beide in die Anlage, worauf Herr P den Ziegelschutt beseitigte und mit einer Scheibtruhe aus der Anlage brachte. Als sie fertig waren, verließen J S und Milan P die Anlage; S schaltete die Maschine wieder ein. Von ihm unbemerkt ging Milan P wieder in die Anlage hinein, und zwar in jenen Bereich, der nicht durch Gitter abgesichert war. Von einem anderen Arbeiter wurde S verständigt, dass Milan P in der Anlage war und dort eingeklemmt worden war. Er schaltete die Anlage ab und schob den Ziegelwagen gemeinsam mit einem anderen Arbeiter zurück, um P aus seiner Notlage zu befreien. Anschließend wurde Milan P mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen.

Zum Weisungs- und Kontrollsystem:

Der nunmehrige Berufungswerber ist laut Firmenbuchauszug seit 21.7.1999 handelsrechtlicher Geschäftsführer der L Ziegelindustrie GmbH. Diese Gesellschaft hatte laut Aussage des Rechtsvertreters des Berufungswerbers das Ziegelwerk T in A vom früheren Eigentümer E M übernommen.

Am 20.6.2000 war Herr R W als Produktionsleiter dieses Ziegelwerkes innerbetrieblich unter anderem für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen verantwortlich. Ihm unterstanden ua der Betriebselektriker J S und der Arbeiter M P. Diese waren an seine Weisungen gebunden und wurden von ihm auch kontrolliert. Nachweislich am 13.9.1999 wurde M P über die Gefahren, die bei der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten auftreten können, unterwiesen. Eine spätere Unterweisung ist mangels schriftlicher Unterlagen nicht nachweisbar.

R W wurde laut eigener Aussage etwa alle zwei Monate von einem externen Sicherheitsberater, nämlich Herrn DI G R, über die Arbeitnehmerschutzbestimmungen informiert. Schriftliche Nachweise darüber wurden nicht vorgelegt.

Als unmittelbaren Vorgesetzten bezeichnete Herr R W einen Herrn "B M", später auch Herrn J.

Nach Aussage des Rechtsvertreters des Berufungswerbers wurde Herr Jeck nach der Übernahme des Werkes durch die L Ziegelindustrie GmbH & Co KG beauftragt, im Ziegelwerk dafür zu sorgen, die Ziegelqualität zu verbessern und insgesamt das Werk "auf Vordermann" zu bringen; ein "B M" sei ihm nicht bekannt.

Aus der Aussage des Zeugen R W ergibt sich, dass Herr J zum Tatzeitpunkt noch nicht mit der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen betraut war; vielmehr wäre sein unmittelbarer Vorgesetzter Herr "B M" gewesen.

Herrn K kannte er nach eigener Aussage nur flüchtig. Er habe diesen etwa alle ein bis zwei Wochen gesehen, ihn aber nicht im Werk herumgeführt. Allfällige Beanstandungen oder Mängel habe er Herrn M gemeldet.

Der Zeuge W gab weiters an, dass die Beanstandung unter anderem der gegenständlichen Unfallstelle durch die AUVA in deren Schreiben vom 3.5.2000 zum Anlass genommen worden war, Sicherheitseinrichtungen für diesen Teil der Anlage zu überlegen. Die Gitter wurden tatsächlich aber erst nach dem Arbeitsunfall des M P bestellt.

Festgestellt wird, dass M P bei der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht in der Lage war, die an ihn gestellten Fragen zu beantworten, weil er diese auf Grund mangelnder Sprachkenntnisse nicht verstand. Als Sprachhelfer fungierte bei der Verhandlung sein Sohn R P. R W gab an, dass er bei Belehrungen des Herrn P immer dessen Schwiegersohn beiziehe, der ebenfalls im Ziegelwerk arbeite. Er meinte aber, dass ihn Herr P grundsätzlich verstehe, wenn er ihm etwas erkläre.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG)

4.2. Nach § 130 Abs.5 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in

1. den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt...

In diesem 9. Abschnitt ist in § 109 Abs.2 ASchG vorgesehen, dass bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach diesem Bundesgesetz zur Durchführung des 3. Abschnittes für Arbeitsmittel iS dieses Bundesgesetzes ... §§ 34 bis 36 ... der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) als Bundesgesetz weiter gelten.

§ 35 Abs.1 und 2 AAV bestimmt Folgendes:

"(1) Bewegte Teile von Betriebseinrichtungen, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder Zuführung von Stoffen oder Werkstücken dienen, wie Werkzeuge, sowie bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden, müssen durch Schutzvorrichtungen gegen gefahrbringendes Berühren gesichert sein, soweit dies der jeweilige Arbeitsvorgang zulässt. Dies gilt auch bei Einstell- und Nachstellarbeiten, die an in Gang befindlichen Betriebseinrichtungen durchgeführt werden müssen.

(2) Sofern Gefahrenstellen nach Abs.1 nicht durch Schutzvorrichtungen gesichert sind, müssen Schutzmaßnahmen anderer Art getroffen sein, die ein gefahrbringendes Ingangsetzen oder Berühren bewegter Teile verhindern oder deren Stillsetzen bewirken, wie Sicherungen mit Annäherungsreaktion, abweisende Einrichtungen, Schalteinrichtungen ohne Selbsthaltung oder selbsttätig und sofort wirkende Notausschaltvorrichtungen."

Die gegenständliche Anlage dient dem Transport von Ziegeln innerhalb des Ziegelwerkes T. Als Transportmittel enthält diese Anlage notwendigerweise bewegte Teile. Der Unfall passierte in einem Bereich, wo Ziegel auf einer Palette befördert werden. Die Stelle war zum Unfallzeitpunkt lediglich durch eine einfache Plastikkette abgesichert, die ein Betreten der Anlage in diesem Bereich nicht wirksam verhinderte.

Bei einer Besichtigung am 17.4.2000 stellten Experten der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt AUVA fest, dass diese Stelle gefährlich ist. In ihrem Schreiben vom 3.5.2000 verlangte die AUVA in Punkt 4. Folgendes:

"Der Quetschbereich des Kombiliftes/Nassseite ist technisch in geeigneter Weise abzusichern (Lichtschranken oder Schutzgitter etc). Dies gilt auch für den Bereich der Trockenseite."

Zum Tattag war aber dieser Bereich lediglich durch eine Kette gesichert, die den Zugang zu diesem Teil der Anlage nicht wirksam verhinderte.

Nach dem Arbeitsunfall wurden die Schutzgitter bestellt und später auch montiert.

Das bedeutet, dass es sich bei diesem Teil der Anlage um eine Anlage iSd § 35 Abs.1 und Abs.2 AAV handelt, die entsprechend dieser Bestimmung hätte abgesichert sein müssen. Dadurch, dass eine solche Absicherung am 20.6.2000 fehlte, konnte der Arbeitsunfall des M P passieren.

Der Berufungswerber ist nicht im Recht, wenn er in seiner Berufung ausführt, dass nur solche Gefahrenstellen abgesichert sein müssten, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung der Betriebseinrichtung vorhanden sind und der Arbeiter M P eben nicht eine bestimmungsgemäße Verwendung durchgeführt hätte.

Im Sinne der Vorschreibung der AUVA hätte vielmehr die Gefahrenstelle so abgesichert sein müssen, dass auch bei unsachgemäßem Berühren der Anlage kein Arbeitnehmer zu Schaden kommt. Absicherungen dienen bekanntlich allgemein dem Zweck, Unfälle selbst bei unsachgemäßem Verhalten zu vermeiden. Wenn sich jeder Arbeitnehmer korrekt verhalten würde, wären Sicherungsmaßnahmen generell überflüssig. Da aber - wie die Lebenserfahrung zeigt - davon auszugehen ist, dass sich Arbeitnehmer immer wieder unsachgemäß verhalten (zB durch Unterschätzen der Gefahr, durch Routine, durch Sorglosigkeit, etc) müssen Sicherungsmaßnahmen eingerichtet werden.

Dadurch, dass diese im vorliegenden Fall an der gegenständlichen Stelle gefehlt haben, ist es zum Arbeitsunfall gekommen. Der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung wurde somit erfüllt.

4.3. Zur Verantwortlichkeit des Berufungswerbers für diesen Arbeitsunfall ist die Bestimmung des § 9 Abs.1 VStG heranzuziehen, wonach für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und sofern nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Persönlich haftende Gesellschafterin der L Ziegelindustrie GmbH & Co KG ist die L Ziegelindustrie GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer zum Tatzeitpunkt Herr F K war.

Auf Grund dieser Funktion war er zur Tatzeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes verantwortlich.

4.4. Zum Verschulden bestimmt § 5 Abs.1 VStG, dass zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Es liegt auf der Hand, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer eines größeren Betriebes nicht in der Lage ist, ständig an jedem Ort im Betrieb zu sein, um dort für die Einhaltung der Arbeitssicherheitsbestimmungen zu sorgen. Er muss sich daher geeigneter Mitarbeiter bedienen, die diese Aufgaben für ihn erledigen und durch Weisungen, Belehrungen und Kontrollen die Verletzung von Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer wirksam verhindern.

Sind dennoch Arbeitnehmerschutzbestimmungen verletzt worden, so hat der Arbeitgeber initiativ darzulegen, inwieweit er ein ausreichendes Weisungs- und Kontrollsystem eingerichtet hat und inwieweit er selbst, obwohl als gemäß § 9 Abs.1 VStG an der Spitze des Kontrollsystems stehender Verantwortlicher, in dieses entsprechend eingebunden ist (siehe dazu etwa VwGH vom 31.3.2000, 96/02/0052 ua.).

Im vorliegenden Verfahren hat es der Berufungswerber unterlassen darzulegen, inwieweit er ein wirksames Weisungs- und Kontrollsystem eingerichtet hat und inwieweit er selbst in dieses eingebunden ist.

Die amtswegigen Ermittlungen des Unabhängigen Verwaltungssenates ergaben, dass Herr R W im Ziegelwerk T als Produktionsleiter die Mitarbeiter eingeschult und eingewiesen sowie auch kontrolliert hat, damit die Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingehalten werden. Er selbst bezeichnete als seinen unmittelbaren Vorgesetzten Herrn B M, der jedoch bei der mündlichen Verhandlung dem anwesenden Rechtsvertreter des Berufungswerbers unbekannt war.

In fachlicher Hinsicht gab R W an, selbst etwa alle zwei Monate von einem externen Sicherheitsberater, Herrn DI G R, über Neuerungen betreffend Arbeitnehmerschutzbestimmungen informiert zu werden.

Dazu ist festzustellen, dass diese Informationen keine Anweisungen iSd Weisungs- und Kontrollsystems darstellen, sondern eben lediglich bloße Informationen.

Inwieweit Herr W in Ausübung seiner Tätigkeit kontrolliert wurde, von wem, und inwieweit der Berufungswerber in dieses Kontrollsystem eingebunden war, konnte nicht eruiert werden. Fest steht, dass der Berufungswerber damals etwa ein- bis zweimal pro Woche (laut eigener Aussage des Rechtsvertreters des Berufungswerbers) bzw alle ein bis zwei Wochen (laut Aussage des Zeugen W) das Werk besucht hat. Inwieweit der Berufungswerber dabei Kontrolltätigkeiten ausübte, konnte nicht festgestellt werden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe VwGH vom 29.5.1998, 96/02/0130) ist es nicht ausreichend, wenn eine Filiale vom Geschäftsführer lediglich einmal wöchentlich kontrolliert wird.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Berufungswerber von sich aus kein funktionierendes Weisungs- und Kontrollsystem dargelegt hat und ein solches auch trotz amtswegiger Ermittlungen nicht festgestellt werden konnte. Insbesondere konnte keine Weisungs- und Kontrollhierarchie im Unternehmen festgestellt werden.

Dies hat aber zur Folge, dass der Berufungswerber die angelastete Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten hat.

4.5. Die Strafbemessung ergab, dass diese entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde. Als straferschwerend wurde zu Recht die gravierend nachteilige Folge der Verwaltungsübertretung, nämlich die schwere Körperverletzung des M P, gewertet.

Die verhängte Strafe, die im unteren Bereich des Strafrahmens von 2.000 S bis 100.000 S liegt, ist somit erforderlich, aber auch ausreichend, um den Berufungswerber von weiteren Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes abzuhalten.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist. Da eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S verhängt worden war, beträgt der Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren 2.000 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Leitgeb

Beschlagwortung: Kontrollsystem

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