Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280577/2/Kon/Pr

Linz, 18.03.2002

VwSen-280577/2/Kon/Pr Linz, am 18. März 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn W. H., p.A. L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17.7.2001, Ge96-8-2000-GRM, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, dass

  1. die Übertretungen im Rahmen des internationalen Straßenverkehrs (§ 28 Abs.4 AZG) begangen wurden;
  2. der Berufungswerber W. H. die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter iSd § 28 Abs.1a AZG zu vertreten hat;
  3. die den verletzten Verwaltungsvorschriften (Z2 § 44a VStG) zu Grunde liegende gemeinschaftsrechtliche Verordnung zu zitieren ist wie folgt: "Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20.12.1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr."

II. Der Berufungswerber W. H. hat 20 % der jeweils gegen ihn verhängten Geldstrafen, ds insgesamt 116,28 Euro, als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen (Faktum 1: 43,60 Euro; Faktum 2: 72,67 Euro).

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber W. H. (im Folgenden: Bw)

unter Faktum 1 der Verwaltungsübertretung gemäß Artikel 6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 vom 20.12.1985 im Zusammenhang mit dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsunternehmen Österreich sowie iVm § 28 Abs.1a Z4 AZG und

unter Faktum 2 der Verwaltungsübertretung gemäß Artikel 8 Abs.1 der VO (EWG) Nr. 3820/85 im Zusammenhang mit dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsunternehmen Österreichs sowie iVm § 28 Abs.1a Z2 AZG

für schuldig erkannt und über ihn

zu Faktum 1 gemäß § 28 Abs.1a Z4 AZG eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden),

zu Faktum 2 gemäß § 28 Abs.1a Z2 AZG eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt.

Das Gesamtstrafausmaß beträgt 8.000 S (entspricht 581,38 Euro), die Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden.

Ferner wurde der Bestrafte gemäß § 64 VStG verpflichtet, 800 S (entspricht 58,14 Euro) als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG 1991 und Bevollmächtigter nach § 28 AZG der Firma G. KG mit dem Sitz in E. b. L., folgende Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu verantworten:

Der Arbeitnehmer M. P., geb. am, beschäftigt im Güterbeförderungsunternehmen G., L., wurde als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen, welches der Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, laut den vorliegenden Tachographenschaublättern zu folgenden ungesetzlichen Arbeitsleistungen herangezogen:

  1. Überschreitung der täglichen Lenkzeit:
  2. von bis Std. Min.

    5.9.1999, 21.00 Uhr 6.9.1999, 22.35 Uhr 10 25

    7.9.1999, 08.00 Uhr 8.9.1999, 18.20 Uhr 10 25

    Dies stellt eine Übertretung des Artikels 6 Abs.1 der EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV dar, wonach die tägliche Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten max. zehn Stunden nicht überschreiten darf.

  3. Unterschreiten der Ruhezeit:

Beginn Ende Dauer

des 24-Stunden Zeitraumes des 24-Stunden Zeitraumes der Ruhezeit

5.9.1999, 21.00 Uhr 6.9.1999, 21.00 Uhr 0 Std 30 Min

7.9.1999, 08.00 Uhr 8.9.1999, 08.00 Uhr 8 Std 00 Min

Dies stellt eine Übertretung des Artikels 8 Abs.1 der EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV dar, wonach innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens neun Stunden zu gewähren ist."

Hiezu führt die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 19. Aufsichtsbezirk vom 28.12.1999, Zl. 2260/17-19/99-Bri, dem Bw mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15.2.2000 (zugestellt am 16.2.2000) der Sachverhalt der Verwaltungsübertretung mitgeteilt und ein Vernehmungs- bzw. Rechtfertigungstermin für 1.3.2000 bei ihr anberaumt worden sei. Dieser Termin sei vom Bw nicht wahrgenommen worden, eine schriftliche Stellungnahme des Bw sei nicht erfolgt.

Mit Eingabe vom 4.5. (richtig wohl: 5.4.) 2000 habe der Bw ersucht, das Verfahren gegen ihn einzustellen. Für die belangte Behörde habe jedoch kein Anlass bestanden, an den Feststellungen des Arbeitsinspektorates Wels zu zweifeln.

Zur Strafbemessung führt die belangte Behörde unter Heranziehung der Bestimmungen des § 19 VStG begründend im Wesentlichen aus, dass die objektive Tatseite durch die teilweise sehr lange Überziehung der Lenkzeit und Unterschreitung der Ruhezeit verwirklicht worden sei, wodurch eine wesentliche Erhöhung des Gefährdungspotenzials des Straßenverkehrs durch eine mögliche Übermüdung der Lenker gegeben gewesen wäre.

Auch die subjektive Tatseite, das Maß der Fahrlässigkeit durch ein zumindest noch zum Tatzeitpunkt mangelhaftes bzw. nicht funktionierendes Kontrollsystem, erscheine bedeutsam.

Als Erschwerungsgrund seien gleichartige Vorstrafen nach dem AZG zu werten gewesen; Milderungsgründe hätten nicht festgestellt werden können.

Die Angaben des Bw in der Niederschrift vom 8.11.1999, Ge96-77-1999-Km, zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen seien ebenfalls in die der Strafbemessung zu Grunde liegenden Überlegungen einbezogen worden.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde eine rechtzeitige und zulässige Berufung erhoben und zu deren Begründung wie folgt ausgeführt:

Nicht richtig sei der Vorwurf, dass im 24-Stunden Zeitraum vom 5.9.1999 bis 6.9.1999 nur 30 Minuten Ruhezeit eingehalten worden wären. Vielmehr sei richtig, dass eine zusammenhängende Ruhezeit von 8 Stunden und 45 Minuten konsumiert worden sei und sich durch die gesetzlich gedeckte Vorgangsweise die weiteren Ruhezeiten geteilt zu konsumieren eine Gesamtruhezeit von 12 Stunden im 24-Stunden Zeitraum ergeben habe. Im Sinne der Verordnung (EWG) 3820/85 sei diese Vorgangsweise gesetzeskonform und stelle keinerlei Übertretung dar.

Vom 7.9.1999, 8.00 Uhr, bis 8.9.1999, 8.00 Uhr, sei mindestens eine ununterbrochene Ruhezeit von 9 Stunden eingehalten worden. Dies sei nach der leg.cit. dreimal wöchentlich erlaubt, somit ebenso gesetzeskonform und stelle keine Übertretung dar.

Dass die innerhalb des Zeitraumes vom 7.9.1999, 8.00 Uhr, bis 8.9.1999, 18.20 Uhr im Bescheid angeführte Überschreitung der Lenkzeit nicht richtig sein könne, ergäbe sich schon daraus, dass die Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten zu beurteilen sei und deshalb lediglich der Beurteilungszeitraum vom 7.9.1999, 8.00 Uhr, bis 8.9.1999, 23.00 Uhr, zu Grunde gelegt hätte werden dürfen, da am 8.9.1999, 23 Uhr, bereits die nächste Ruhezeit begonnen hätte. Innerhalb des genannten Zeitraumes sei die Lenkzeit jedenfalls nicht überschritten worden.

Gleich vorzugehen wäre bei der Beurteilung der Lenkzeit vom 5.9.1999, 21.00 Uhr, bis 6.9.1999, 22.35 Uhr, gewesen, sodass sich auch hier zwischen den zwei Ruhezeiten keine Übertretung der Lenkzeit ergäbe.

Letztlich sei klar ersichtlich, dass der LKW-Lenker P. die gesetzlichen Möglichkeiten zwar bis zum Limit ausgeschöpft habe, jedoch unter Zugrundelegung des "12-Stunden Ruhezeitmodells" alle Vorschriften eingehalten habe.

Der Bw beantragt die Auswertung der Schaublätter durch einen unabhängigen Sachverständigen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den Verfahrensakt erwogen:

Gemäß § 51e Abs.3 Z1 VStG kann der Unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird.

Aufgrund des wiedergegebenen Berufungsvorbringens steht fest, dass seitens des Bw kein Tatsachenbestreiten erfolgt, sondern von ihm lediglich die Richtigkeit der Interpretation der Tachographenscheibenaufzeichnungen, aus denen die angelasteten Verwaltungsübertretungen hervorgehen, bekämpft wird.

So gesehen wird in der vorliegenden Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, weshalb gemäß § 51e Abs.3 VStG von der Durchführung einer Berufungsverhandlung abgesehen werden konnte.

Zu den Tatvorwürfen der Überschreitung der täglichen Lenkzeit (Faktum 1) und des Unterschreitens der Ruhezeit (Faktum 2):

Gemäß Artikel 6 Abs.1 der VO (EWG) 3820/85 darf die nachstehend angeführte "Tageslenkzeit" genannte Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.

Gemäß Artikel 8 Abs.1 leg.cit. legt der Fahrer innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden ein, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.

Die Ruhezeit kann an den Tagen, an denen sie nicht nach unter Abs.1 verkürzt wird, innerhalb von 24 Stunden in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen werden, von denen einer mindestens 8 zusammenhängende Stunden betragen muss. In diesem Fall erhöht sich die Mindestruhezeit auf 12 Stunden.

Aus der Zusammenschau zwischen dem zitierten Artikel 6 und Artikel 8 ergibt sich zum einen, dass die Bemessung der Tageslenkzeit gemäß Artikel 6 Abs.1 innerhalb des jeweiligen kalendermäßig umschriebenen Tages zu erfolgen hat. Dies bedeutet, dass die Tageslenkzeit zwischen der jeweils am Kalendertag beendeten Ruhezeit und der an diesem Tag neu beginnenden Ruhezeit zu liegen hat (arg.: zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit).

Hingegen bezieht sich die Ruhezeit gemäß Artikel 8 leg.cit. nicht wie die Tageslenkzeit auf den Kalendertag, sondern auf den 24-Stunden-Zeitraum: (arg.: innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit ....).

Aufgrund der vorzunehmenden Unterscheidung zwischen den Zeitraumbezügen (Kalendertag-Tageslenkzeit und 24-Stunden Zeitraum - Ruhezeit) erweisen sich die festgestellten Lenkzeit-Überschreitungen bzw. Ruhezeit-Unterschreitungen auf Grundlage der Aufzeichnungen in den Tachographenschaublättern für zutreffend und verkennt der Bw mit seiner Argumentation, die sich aus den zitierten Verordnungsbestimmungen ergebende Rechtslage.

Die von der belangten Behörde als gegeben erachtete objektive Tatbestandsmäßigkeit der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen ist daher zutreffend.

Beide Verwaltungsübertretungen stellen sogenannte Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs.1 VStG dar, zu deren Strafbarkeit im vorliegenden Fall fahrlässiges Verhalten genügt. Die Schuldform der Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes iSd zitierten Gesetzesstelle dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Dies bedeutet, dass die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens dem Beschuldigten obliegt. Demnach hat dieser initiativ von sich aus alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht.

Schuldentlastende Umstände, wie beispielsweise das Bestehen eines tauglichen Kontrollsystems in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften des AZG wurden jedoch in der vorliegenden Berufung wie auch im Verfahren vor der belangten Behörde nicht einmal ansatzweise vorgebracht. Der Bw vermochte sohin keine Umstände vorzubringen, denen zufolge sein Unverschulden an den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen glaubhaft erschiene.

Da sohin auch vom Vorliegen der subjektiven Tatseite iSd Verschuldens auszugehen ist, erfolgte der Schuldspruch der belangten Behörde zu Recht.

Zur Strafhöhe:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

In Bezug auf die Strafhöhe, die vom Bw im Besonderen nicht bekämpft wird, ist festzuhalten, dass jede innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens erfolgte Strafzumessung eine Ermessensentscheidung der Behörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die Strafzumessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat.

Da die belangte Behörde, ihren begründenden Ausführungen zur Strafhöhe nach, sich mit diesen Strafzumessungskriterien in zutreffender Weise auseinander setzte, war keine dem Gesetz widersprechende Ermessensausübung bei der Festsetzung des Strafausmaßes festzustellen. Es erweisen sich sohin auch die verhängten Geldstrafen ihrer Höhe nach als begründet.

Aus den dargelegten Gründen war daher der Berufung der Erfolg zu versagen und wie im Spruch zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. K o n r a t h