Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280587/7/Li/Bek VwSen280588/9/Li/Bek

Linz, 12.12.2002

VwSen-280587/7/Li/Bek

VwSen-280588/9/Li/Bek

Linz, am 12. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Linkesch über die Berufung des Herrn P., O., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. November 2001, Zl. Ge96-73-2001-GRM, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, dass hinsichtlich Faktum 1 als verletzte Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z. 2 VStG § 57 Abs. 2 BauV zu gelten hat und sich der als verletzte Verwaltungsvorschrift zitierte § 58 Abs. 7 BauV auf das Faktum 2, der zitierte § 58 Abs. 3 iVm § 8 BauV auf das Faktum 3 bezieht. Die anzuwendende Verwaltungsstrafnorm iSd § 44a Z.3 VStG hat § 130 Abs. 5 Einleitungssatz, erster Strafrahmen, ASchG zu lauten.
  2. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 406,96 Euro zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Z.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. November 2001 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen Übertretungen des § 57 Abs. 3 i.V.m. § 58 Abs. 3 und Abs. 7 i.V.m. § 8 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über Vorschriften zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit der Arbeitnehmer bei Ausführung von Bauarbeiten (Bauarbeiterschutzverordnung - BauV), BGBl. Nr. 340/1994 i.d.g.F. i.V.m. § 130 Abs. 5 Z. 1 und § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, BGBl. Nr. 450/94 i.d.g.F. Geldstrafen in Höhe von 5.000 Schilling zu Punkt 1., 5.000 Schilling zu Punkt 2. und 18.000 Schilling zu Punkt 3. (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 1 Tag zu Punkt 1., 1 Tag zu Punkt 2. und 3 Tage zu Punkt 3.) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 203,48 Euro, das sind 10 % der verhängten Strafe, verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm Folgendes vorgeworfen:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma P. Gesellschaft m.b.H. (protokolliert im Firmenbuch des Landesgerichtes Wels unter FN), mit Sitz in O., und somit als zur Vertretung nach außen Berufener gem. § 9 VStG 1991 i.d.g.F. zu verantworten, dass - festgestellt durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten am 26.7.2001 anlässlich einer Überprüfung der Baustelle 2020 Hollabrunn, - folgende Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen begangen wurden:

Bei der am 26.7.2001 durchgeführten Besichtigung der Baustelle in 2020 Hollabrunn, auf der die Arbeitnehmer des Unternehmens P. Fassadenarbeiten von einem Metallrohrsteckgerüst durchgeführt haben, wurden folgende Mängel festgestellt:

  1. Bei dem aufgestellten Metallrohrsteckgerüst, von welchem Fassadenarbeiten durchgeführt wurden, betrug der Auflagerabstand der Pfosten (=Steherabstand der Rahmen) bis zu 3,5 m. Dies stellt eine Übertretung der Bestimmung des § 57 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung, BauV, BGBl. Nr. 340/94 dar, wonach Gerüstlagen aus Pfosten einen Auflagerabstand von max. 3,0 m aufweisen dürfen.
  2. Das aufgestellte Metallrohrsteckgerüst, welches bis zu 5 Etagen hoch war (Absturzhöhe bis zu 8 m) und von dem Fassadenarbeiten ausgeführt wurden, war nicht mit Aufstiegen oder Zugängen versehen. Die Arbeitnehmer mussten daher, um die einzelnen Gerüstlagen zu erreichen, in akrobatischer Weise, außen an den Gerüststehern, hinauf- bzw. hinunterklettern. Dies stellt eine Übertretung der Bestimmung des § 58 Abs. 7 BauV dar, wonach Gerüstlagen über sicher begehbare Aufstiege oder Zugänge erreichbar sein müssen.
  3. Bei dem aufgestellten, 10 Gerüstfelder langen Metallrohrsteckgerüst, von welchem Fassadenarbeiten ausgeführt wurden, waren

  1. die 2. Gerüstlage (Absturzhöhe ca. 3 m),
  2. die 3. Gerüstlage (Absturzhöhe ca. 5 m),
  3. die 4. Gerüstlage (Absturzhöhe ca. 7 m) und
  4. die 5. Gerüstlage (Absturzhöhe ca. 9 m)

nicht mit den erforderlichen Mittel- und Fußwehren versehen.

Dies stellt eine Übertretung der Bestimmung des § 58 Abs. 3 i.V.m. § 8 BauV dar, wonach Gerüstlagen mit Brust-, Mittel- und Fußwehren versehen sein müssen."

Begründend wurde von der belangten Behörde ausgeführt, dass die spruchbezeichnete Verwaltungsübertretung anlässlich einer am 26.7.2001 durchgeführten Überprüfung der genannten Baustelle durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten festgestellt wurde und kein Anlass bestünde an diesen Feststellungen zu zweifeln. In der Rechtfertigung des Bw vom 10. Oktober 2002 sei die Verwaltungsübertretung zur Gänze eingestanden worden. Sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite seien erwiesen, der Bw sei als Arbeitgeber für den Schutz der Arbeitnehmer verantwortlich. In Bezug auf die Strafbemessung wurde bemerkt, dass durch die Missachtung der angeführten Arbeitnehmerschutzvorschriften eine erhebliche Gefährdung für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer vorhanden gewesen wäre. Die Erschwerungs- und Milderungsgründe wären gegeneinander abgewogen worden und es hätten keine Erschwerungsgründe aber auch keine Milderungsgründe festgestellt werden können. Lediglich § 130 Abs. 5 AschG hätte bei der Bemessung der Strafhöhe Berücksichtigung gefunden.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte, jedoch nicht vom Bw unterzeichnete Berufung vom 15.11.2001. Der Berufungsschriftsatz wurde aufgrund dieses Formgebrechens gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Mängelbehebung zurückgestellt. Da der Mangel innerhalb der festgesetzten Frist behoben wurde, gilt das Anbringen als ursprünglich eingebracht.

In der Berufung wird vorgebracht, dass es sich beim beanstandeten Gerüst, das sich zur Zeit der Besichtigung durch das Arbeitsinspektorat gerade in der Phase des Abbaues befunden habe, um ein 5-stöckiges Metallrohrsteckgerüst handle, das durch die Baufirma "Stadtbaumeister Ing. S. GmbH, H." zur Verfügung gestellt worden sei. Die Firma P. hätte die zuständigen Vertreter dieser Firma mehrmals auf die mangelhafte Beschaffenheit des Gerüstes hingewiesen, worauf jedoch durch die Firma S. diesbezüglich nichts unternommen worden sei. Die Firma P. hätte sich daraufhin mit Schreiben vom 9. August 2001 bezüglich des mangelhaften Gerüstes und der ihr angelasteten mangelhaften Verantwortlichkeit gegenüber der Baufirma S. schadlos gehalten. Es werde weiters ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Firma P. keinesfalls in einer Rechtfertigung die Verwaltungsübertretung, die ihr angelastet werde, eingestanden habe. Sie sei der Meinung, dass sie keine Schuld treffe und dass zur Gänze von der Bestrafung abzusehen sei und sie verweise die Berufungsbehörde an die Firma S. weiter.

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

Weil in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat, konnte von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

Das zuständige Arbeitsinspektorat wurde am Berufungsverfahren beteiligt. Es wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der Bw auch in der Berufung ausgeführt habe, dass seine Arbeitnehmer das in der Anzeige vom 11.9.2001 beschriebene und mangelhafte Gerüst verwendet hätten. Die Rechtfertigung des Bw beschränke sich darauf, dass er nicht Eigentümer und auch nicht Errichter gewesen sei. Dazu werde ausgeführt, dass weder die Besitzverhältnisse noch die Errichtung des Gerüstes für die vorgeworfenen Übertretungen entsprechend dem Arbeitnehmerschutzrecht maßgeblich seien. Entscheidend sei viel mehr der Umstand, dass die Arbeitnehmer des Unternehmens das Gerüst in Verwendung genommen haben und die daraus resultierende Gefährdung für die Mitarbeiter des Unternehmens P..

Dem Bw wurde im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit gegeben hiezu Stellung zu nehmen. Er führte mit Schreiben vom 19.11.2002 aus, dass das Gerüst nicht von der Firma P. aufgestellt worden sei. Zum Zeitpunkt der Besichtigung des Arbeitsinspektorates sei die Fertigstellung der Fassade im Endstadium gewesen und durch die schlechte Wetterprognose sei das Gerüst zur gleichen Zeit in Folge abgebaut worden, um größere Schäden an der Fassade zu verhindern. Es könne daher sein, dass zu diesem Zeitpunkt verschiedene Teile des Gerüstes, welche übereinander greifen, nicht mehr vorhanden gewesen wären.

Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 BauV sind geeignete Absturzsicherungen

  1. tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder
  2. Umwehrungen (Geländer) an den Absturzkanten, die aus Brust-, Mittel- und Fußwehren bestehen. Bei Wandöffnungen, Stiegenpodesten und Standflächen zur Bedienung oder Wartung von Maschinen bis zu einer Absturzhöhe von 2,00m und bei Stiegenläufen können die Fußwehren entfallen.

Gemäß § 8 Abs. 2 BauV müssen Brust-, Mittel- und Fußwehren aus widerstandsfähigem Material hergestellt und so befestigt sein, dass sie nicht unbeabsichtigt gelöst werden können. Werden Wehren aufgesteckt oder mit Klammern oder Nägeln befestigt, müssen sie derart angebracht sein, dass sie bei Belastung gegen die Stützen gedrückt werden. Brustwehren müssen in mindestens 1,00 m Höhe über den Arbeitsplätzen oder Verkehrswegen angebracht und für eine waagrecht angreifende Kraft von 0,30 kN in ungünstigster Stellung bemessen sein. Fußwehren müssen mindestens 12 cm hoch sein. Mittelwehren müssen zwischen Brustwehren und Fußwehren derart angebracht werden, dass die lichten Abstände zwischen den Wehren nicht mehr als 47 cm betragen.

Gemäß § 57 Abs. 2 BauV müssen, wenn als Gerüstbelag Pfosten verwendet werden, diese mindestens 20 cm breit, mindestens 5 cm dick und parallel besäumt sein. Die Verringerung der Dicke infolge Herstellungstoleranz, Abnützung und Schwinden darf höchstens 5 Prozent betragen. Die Pfosten müssen an den Auflagern einen Überstand von mindestens 20 cm aufweisen, an den Endauflagern darf der Überstand höchstens 30 cm betragen. Die Auflager der Pfosten dürfen bei Fanggerüsten nicht mehr als 1,50 m, bei Schutzdächern und bei Arbeitsgerüsten nicht mehr als 3,00 m voneinander entfernt sein.

Gemäß § 58 Abs. 3 BauV müssen die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein. Bretter mit einem Mindestquerschnitt von 12/2,4 cm dürfen als Brustwehren verwendet werden 1. bei einem Steherabstand von nicht mehr als 2,00 m, 2. bei einem Steherabstand von nicht mehr als 3,00 m, wenn die Bretter mit den Stehern verschraubt sind.

Gemäß § 58 Abs. 7 BauV sind für das gefahrlose Besteigen und Verlassen der Gerüstlagen sicher begehbare Aufstiege oder Zugänge, wie Leitergänge, Treppentürme, Außentreppen oder lotrechte, festverlegte Leitern, anzubringen. Die Aufstiege und Zugänge müssen mit dem Gerüst fest verbunden sein. Aufstiege und Zugänge müssen so angebracht sein, dass alle möglichen Arbeitsplätze auf einer Gerüstlage nicht mehr als 20 m von den Aufstiegen oder Zugängen entfernt sind.

Gemäß § 118 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994, (BauV), nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Am 26. Juli 2001 wurde von Ing. F. vom Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten anlässlich einer durchgeführten Überprüfung der Baustelle H., auf der die Arbeitnehmer des Unternehmens P. Fassadenarbeiten von einem Metallrohrsteckgerüst durchgeführt haben, folgende Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften festgestellt:

  1. Bei dem aufgestellten Metallrohrsteckgerüst, von welchem Fassadenarbeiten durchgeführt wurden, betrug der Auflagerabstand der Pfosten (=Steherabstand der Rahmen) bis zu 3,5 m.
  2. Das aufgestellte Metallrohrsteckgerüst, welches bis zu 5 Etagen hoch war (Absturzhöhe bis zu 8 m) und von dem Fassadenarbeiten ausgeführt wurden, war nicht mit Aufstiegen oder Zugängen versehen. Die Arbeitnehmer mussten daher, um die einzelnen Gerüstlagen zu erreichen, in akrobatischer Weise, außen an den Gerüststehern, hinauf- bzw. hinunterklettern.
  3. Bei dem aufgestellten, 10 Gerüstfelder langen Metallrohrsteckgerüst, von welchem Fassadenarbeiten durchgeführt wurden, waren

  1. die 2. Gerüstlage (Absturzhöhe ca. 3 m),
  2. die 3. Gerüstlage (Absturzhöhe ca. 5 m),
  3. die 4. Gerüstlage (Absturzhöhe ca. 7 m) und
  4. die 5. Gerüstlage (Absturzhöhe ca. 9 m)

nicht mit den erforderlichen Mittel- und Fußwehren versehen.

Durch die Ausführung einer solcher Art aufgestellten Sicherung wurde den obzit. Bestimmungen der BauV insofern nicht entsprochen, als Gerüstlagen aus Pfosten einen Auflagerabstand von max. 3,0 m aufweisen dürfen, Gerüstlagen über sicher begehbare Aufstiege oder Zugänge erreichbar und mit Brust-, Mittel- und Fußwehren versehen sein müssen.

Festgestellt wird, dass der Bw als Arbeitgeber nicht bestreitet, dass auf dem Gerüst seine Arbeitnehmer mit Fassadenarbeiten beschäftigt waren.

Der Bw bringt vor, dass sich das gegenständliche Metallrohrsteckgerüst zum Zeitpunkt der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat infolge einer schlechten Wetterprognose in der Phase des Abbaues befunden habe.

Gemäß § 60 Abs. 7 BauV dürfen Gerüste weder unvollständig errichtet noch teilweise abgetragen und so belassen werden, dass eine Verwendung derselben möglich ist, wenn der bereits aufgestellte oder noch stehen bleibende Teil den Anforderungen an Gerüste nicht voll entspricht. Gemäß § 62 Abs. 4 darf ein unvollständig errichtetes oder nur teilweise abgetragenes Gerüst, das den Anforderungen an Gerüste nicht voll entspricht, nicht benützt werden.

Aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates ist ersichtlich, dass das Gerüst zum Zeitpunkt der Kontrolle in Verwendung war, und von diesem aus die Arbeitnehmer des Unternehmens P. Fassadenarbeiten durchführten.

Selbst wenn sich das Gerüst teilweise in der Phase des Abbaues befunden haben sollte, ist aus den oben angeführten gesetzlichen Anordnungen ersichtlich, dass den Arbeitgeber Sorgfaltspflichten treffen, nämlich dahingehend, dass unvollständige Gerüste nicht in Betrieb genommen werden dürfen. Dieser Einwand führt somit ins Leere.

Der Bw hat am 10. Oktober 2001 anlässlich seiner Vernehmung als Beschuldigter angegeben, dass die Firma S. für das Aufstellen des gegenständlichen Gerüstes verantwortlich sei. Als zuständige Fachfirma würde der Bw die Verantwortung für die Fassadenarbeiten, die die Arbeitnehmer seiner Firma durchgeführt haben, tragen. Das Gerüst wäre einen Tag vor Fertigstellung der Arbeiten begutachtet worden und sei bereits auf der anderen Seite im Abbauverfahren gewesen. Er gestehe die Verwaltungsübertretung zur Gänze ein.

Diese Niederschrift wurde dem Bw vorgelesen und der Bw hat sie durch seine Unterschrift bestätigt. Wenn er nunmehr in seiner Berufung angibt, gegenüber der erstinstanzlichen Behörde keinesfalls die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen eingestanden zu haben, so ist dieses Vorbringen nicht glaubwürdig.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Nach Abs.2 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber in § 19 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Es obliegt der Behörde, in Befolgung des
§ 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessenausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

Hinsichtlich der verhängten Strafe ist die belangte Behörde nach den Strafbemessungsregeln des § 19 VStG vorgegangen. Beim Unrechtsgehalt der Tat hat sie zu Recht auf die erhebliche Gefährdung für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer insbesondere aufgrund der möglichen Absturzhöhen Bedacht genommen.

Das Arbeitnehmerschutzgesetz und die im Rahmen dieses Gesetzes anzuwendenden Verordnungen sollen den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer vor den Gefahren der Arbeitswelt gewährleisten. Da es sich hiebei um den Schutz von höchstpersönlichen Rechtsgütern handelt, ist - wie auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - bei Übertretungen der Arbeitnehmerschutzvorschriften ein strenger Maßstab anzulegen.

Insbesondere der unter dem Punkt 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführten Übertretung ist ein erheblicher Unrechtsgehalt beizumessen, weil es Ziel der BauV ist, die Absturzgefahr während der Arbeitstätigkeit auf Gerüsten auf ein vertretbares Ausmaß zu reduzieren. Gleiches gilt für die unter Punkt 1. angeführte Übertretung der BauV, der die Standfestigkeit von Gerüsten gewährleisten soll.

Dem Fehlen der Aufstiegshilfen ist nur insofern ein etwas geringerer Unrechtsgehalt beizumessen, weil beim Auf- und Abstieg auf andere Gerüstlagen der Arbeitnehmer nicht durch die Arbeitstätigkeit abgelenkt ist und sich daher selbst bei einem Fehlen von Aufstiegshilfen eben nur auf den Auf- und Abstieg konzentrieren kann.

Einem Arbeitgeber ist es zweifelsohne zumutbar, die einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften - im vorliegenden Fall die Bauarbeiterschutzverordnung und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - zu kennen und entsprechend zu beachten.

Da zum Tatbestand der dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört und die auf diese Fälle anzuwendenden Verwaltungsvorschriften nicht über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden bestimmen, handelte es sich bei diesen Übertretungen um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Es besteht daher gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die Rechtsvermutung für ein fahrlässiges Verhalten des Täters. Bestreitet der Täter dies, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht und glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich war.

Wenn der Bw seiner Berufung ein Schreiben vom 9. August 2001 an die Stadtbaumeister Ing. S. GmbH beilegt, worin der Bw angibt, sich an ihr schadlos halten zu wollen, so ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass dieses Schreiben erst nach dem Tatzeitpunkt verfasst wurde und der Bw ohne Einschränkungen für seine Arbeitnehmer, die auf dem mangelhaften Gerüst Fassadenarbeiten ausgeführt haben, verantwortlich ist. Diese Verantwortlichkeit kann sich der zur Vertretung nach außen Berufene nicht durch Hinweise auf Mängelrügen und allfällige Schadloshaltungen beim Lieferanten bzw Aufsteller des den Vorschriften nicht entsprechenden Gerüsts entziehen.

Bei der Strafbemessung konnten die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht entsprechend berücksichtigt werden, da sich der Bw trotz diesbezüglicher Aufforderung weigerte, jene bekannt zu geben. Es wurde daher von einem monatlichen Nettoeinkommen von 30.000 Schilling, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Diesen Angaben wurde auch in der Berufung nicht widersprochen.

Im gegenständlichen Verfahren sind keine Erschwerungsgründe hervorgekommen. Aus dem Akt sind keine einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vorstrafen ersichtlich. Es ist daher vom Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit auszugehen.

Eine Herabsetzung der Geldstrafen konnte nicht in Betracht gezogen werden, weil sich die verhängten Geldstrafen nur im unteren Bereich des vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafrahmens von 145 Euro bis zu 7.260 Euro bewegen. Die Strafen erscheinen der Berufungsbehörde auch als angemessen, um dem Bw die mit den von ihm begangenen Übertretungen verbundene beachtliche Gefährdung der auf den Gerüsten beschäftigten Arbeitnehmer deutlich vor Augen zu führen. Diese Strafen sollen den Bw schließlich zu einer entsprechenden Sorgfalt hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften anhalten und ihn und andere Arbeitgeber davon abhalten, in Hinkunft gleichartige Übertretungen zu begehen, die geeignet sind, zu Lasten der Gesundheit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen allfälligen zeitlichen oder finanziellen Vorteil zu verschaffen.

Umso weniger konnte § 20 erster Fall VStG, wonach die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen, zur Anwendung gelangen, weil diese Voraussetzungen für die Anwendung des außerordentlichen Strafmilderungsrechtes hier nicht vorliegen.

Ebenso war ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG nicht möglich, weil die hiefür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen wie Geringfügigkeit des Verschuldens und unbedeutende Folgen der Übertretung nicht als gegeben erachtet werden können. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Bw hinter dem typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat erheblich zurückgeblieben wäre.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Linkesch

Beschlagwortung: Schuldbestreitung wegen Liefermangel

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