Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280605/9/Ga/Pe

Linz, 07.11.2002

 

VwSen-280605/9/Ga/Pe Linz, am 7.November 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner aus Anlass über die Berufung des LA, vertreten durch Dr. JS Rechtsanwalt in, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 19. November 2001, Ge96-36-2001, wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), zu Recht erkannt:

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1 zweite Alternative, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 19. November 2001 wurde der Berufungswerber einer Übertretung des § 7 Abs.1 und 2 Z1 und § 8 Abs.1 Z1 BauV iVm § 118 Abs.3 sowie § 130 Abs.5 Z1 ASchG für schuldig befunden. Näherhin wurde ihm angelastet: "Sie haben es als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der ALGm.b.H., die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der ALGm.b.H. & Co. KG. ist, und somit als gem. § 9 VStG. 1991 als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der ALGm.b.H. & Co.KG. (Dachdeckergewerbe im Standort) zu vertreten, wie anlässlich einer Unfallerhebung durch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk am 12.7.2001 festgestellt wurde, dass am 12.7.2001 bei der Baustelle in, bei der im Dachgeschoß vorhandenen Öffnung in der Geschoßdecke (Stiegenöffnung mit einem Ausmaß von 2,30 x 2,60 m) trotz bestehender Absturzgefahr keine Absturzsicherungen, wie z.B. unverschiebbare Abdeckungen oder Umwehrungen, angebracht waren, sodass der im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer PP, durch Wegrutschen einer Gerüstbelagstafel ca. 7 m auf die darunter liegende betonierte Kellerstiege stürzte."

Wegen dieser Übertretung wurde über den Berufungswerber gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG eine Geldstrafe von 10.000 S (726,73 Euro) kostenpflichtig verhängt und eine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt.

Aus Anlass der die Aufhebung dieses Straferkenntnisses begehrenden Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach Einsicht in den Strafverfahrensakt der belangten Behörde sowie nach ergänzenden Erhebungen (§ 66 Abs.1 AVG) erwogen:

Der Berufungswerber bestreitet nicht den dem Schuldspruch zugrunde gelegten Vorfall als solchen, bekämpft den Tatvorwurf jedoch schuldseitig. Dass die ordnungsgemäße Absicherung in diesem Fall unterblieben ist, sei nur darauf zurückzuführen, dass eine Absicherung durch die Firma Zimmerei W durchgeführt worden sei und diese jedoch dem Anschein nach ordnungsgemäß ausgeführt worden sei. Die Deckenöffnungen hätten von innen nicht benutzt werden müssen und sei daher von vornherein eine Absturzgefahr in diesem Bereich nicht gegeben gewesen. Auch der verletzte Arbeitnehmer PP habe davon gewusst, dass die außen angebrachte Leiter zu benutzen gewesen wäre.

Im Berufungsfall unstrittig ist der im Schuldspruch erwähnte Unfall an der in Rede stehenden Baustelle, nämlich dass infolge der mangelhaften, weil verschiebbar gewesenen, Absturzsicherung bei der Stiegenöffnung in der Dachgeschossdecke der Arbeitnehmer PP durch Wegrutschen der Abdeckung abstürzte und sich dabei leicht verletzte.

Vorliegend wurde die erste Verfolgungshandlung gegen den Berufungswerber mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. August 2001 (hinausgegeben am 4.9.2001) gesetzt.

Im Zuge ergänzender Erhebungen des Unabhängigen Verwaltungssenates teilte der Rechtsfreund des Berufungswerbers mit Schriftsatz vom 10. Jänner 2002 mit, dass aufgrund des Vorfalles vom 12. Juli 2001 bei der nämlichen Baustelle neben diesem Verwaltungsstrafverfahren auch ein gerichtliches Strafverfahren wegen des Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung zur Zahl 58 BAZ 258/01 x beim Bezirksgericht Pregarten anhängig sei. Mit dieser Mitteilung begehrte der Berufungswerber unter Hinweis auf das Verbot der Doppelbestrafung die Einstellung des in der Berufungsinstanz behängenden Verwaltungsstrafverfahrens.

Das daraufhin vom h. Tribunal mit Schriftsatz vom 16. Jänner 2002 um Bestätigung ersuchte BG Pregarten führte mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2002 zum "Strafverfahren gegen LA u.a. wegen § 88 Abs.1 StGB" wörtlich aus: "Unter Bezugnahme auf Ihre Anfrage vom 16. Jänner 2002 wird mitgeteilt, dass im Rahmen dieses Strafverfahrens die Anzeige gegen LA, CS, EL von der Staatsanwaltschaft Linz am 14. Oktober 2002 gemäß § 90 StPO die Anzeige zurückgelegt wurde. Dieses Verfahren betrifft den Vorfall vom 12. Juli 2001, bei dem Herr PP auf einer Hausbaustelle in als Arbeitnehmer des LA, am Körper verletzt wurde."

Im Berufungsfall ist das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art.4 7. ZP EMRK beachtlich. Diese Bestimmung verbietet bei Idealkonkurrenzen nicht nur die mehrfache Bestrafung, sondern auch die mehrfache Strafverfolgung. Sie gilt auch für das österreichische Verwaltungsstrafrecht. Und zwar so, wie dies durch die Judikatur des VfGH klar gestellt wurde, dass dann, wenn jemand, der wegen einer strafbaren Handlung bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde, in einem Strafverfahren des selben Staates nicht erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf.

In der Folge hat der VfGH (vgl. Erk. VfSlg. 15.293/1998) die Wirkung des Art.4 7. ZP EMRK für die (scheinkonkurrierende) Konstellation des § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm § 88 Abs.1 StGB klar gestellt. Danach erschöpft das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 StGB in aller Regel den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 130 Abs.5 Z1 ASchG vollständig. Dass vorliegend kein Regelfall vorläge, dahin nämlich, dass - mit Blick auf die beiderseitigen Strafdrohungen - nicht schon das gerichtliche Strafverfahren den wesentlichen Gesichtspunkt des Verwaltungsstraftatbestandes vollständig abdeckt, ist nicht hervorgekommen.

Das in Rede stehende strafgerichtliche Verfahren - den selben Beschuldigten mit den selben Tatumständen (und den selben dadurch verletzten Arbeitnehmer) betreffend - endete durch Einstellung (siehe vorhin). Als Einstellungsgrund gab die gemäß § 66 Abs.1 AVG (§ 24 VStG) befragte StA Linz 'Eigenverschulden des Verletzten' vor dem Hintergrund einer Verkettung unglücklicher Umstände an (der AN PP benützte ohne besonderen Auftrag und in Kenntnis des Provisoriums, das noch nicht fertige Gerüst, wusste jedoch von der Leiter und auch, dass er, wenn er schon hinaufklettert, eben diese Leiter hätte benützen müssen).

Der Weiterführung des verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens in dieser Sache steht somit das Verbot der neuerlichen Strafverfolgung entgegen, weshalb im Berufungsfall die Einstellung zu verfügen war (ohne dass andere Einstellungsgründe zu prüfen waren; vgl. VwGH 20.5.1994, 93/02/0110).

Dieses Verfahrensergebnis befreit den Berufungswerber auch aus seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner

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