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VwSen-280608/27/Li/Ke

Linz, 29.08.2002

VwSen-280608/27/Li/Ke Linz, am 29. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Linkesch über die Berufung des Dipl.-Ing. M., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. R., Dr. E., Dr. A., Dr. B., Dr. B., Mag. L. und Mag. G., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 27.11.2001, GZ. 0-2-5/1-9932251e, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 27.08.2002 , zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens-kostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51, 51c, 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber Dipl.-Ing. M. (im Folgenden: Bw) der Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und
§ 118 Abs.3 AschG, BGBl.Nr. 450/1994 idgF iVm § 58 Abs.1 und 3 iVm § 8 Abs.1 Z2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl.Nr. 340/1994 idgF für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 130 Abs.5 Einleitungssatz AschG eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000 (1.090,09 Euro), falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Tagen und 2 Stunden verhängt.

Ferner wurde der Bestrafte gemäß § 64 Abs.2 VStG verpflichtet, S 1.500
(109,01 Euro) als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

2. Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Der Beschuldigte, Herr Dipl.-Ing. M., geboren am 24.7.1944, wohnhaft: M., hat es als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GmbH, L., zu vertreten, dass am 7.9.1999 um ca. 15.55 Uhr auf der von der Zweigniederlassung Graz der M. GmbH, G., betriebenen Baustelle "Um- und Zubau HAK, G." der Arbeitnehmer der M. GmbH, nämlich Herr Z., im
2. Stock (Festsaal-Ebene) auf einem verfahrbaren Arbeitsgerüst (Abmessungen ca. 3,40 m x 2,60 m) auf der obersten Gerüstlage in ca. 4 m Höhe mit Schalungsarbeiten (Montieren von Schalungsbrettern) an der Zimmerdecke (Bereich Fenstersturz) beschäftigt war, ohne dass eine Umwehrung montiert gewesen wäre. Der Arbeitnehmer verlor dabei das Gleichgewicht und stürzte vom Gerüst, wobei er sich schwer verletzte."

3. Hierzu führte die belangte Behörde mit vorangehender Sachverhaltsdarstellung begründend im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Aktenlage sowie der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens der im Spruch dargestellte Sachverhalt als erwiesen erscheint.

Die Durchführung von Schalungsarbeiten seitens eines Arbeitnehmers der M. GmbH, Herrn Z., am 7.9.1999 bei der Baustelle HAK G. von der obersten Gerüstlage eines verfahrbaren Arbeitsgerüstes aus, welches nicht mit einer Umwehrung (Geländer mit Brust-, Mittel- und Fußwehren) ausgerüstet war, sei in der Anzeige des Verunfallten selbst gegenüber der Bundespolizeidirektion Graz bestätigt worden, wobei der ggstl. Sachverhalt auch seitens der Beschuldigten unbestritten blieb. Hinsichtlich der am 7.9.1999 durch Herrn Z. eigeninitiativ erfolgten Verschiebung des ggstl. Gerüstes sowie der damit verbundenen Entfernung des Geländers auf der obersten Gerüstlage, welche ohne Wissen und Willen des zuständigen Poliers der M. GmbH erfolgte, sowie der ursprünglich ordnungsgemäßen Aufstellung des ggstl. Gerüstes, weiters einer am 27.1.1999 erfolgten firmeninternen Belehrung der Arbeitnehmer über Sicherheit und persönliche Schutzausrüstung sowie einer am 3.8.1999 seitens eines Arbeitsmediziners sowie zweier Sicherheitsfachkräfte vorgenommenen Inspektion der ggstl. Baustelle, welche keine Mängel ergeben hat, würden die diesbezüglich schlüssigen und glaubwürdigen Angaben des Beschuldigten der Sachverhaltsfeststellung in vollem Umfang zugrundgelegt, weshalb von der Einvernahme weiterer Zeugen bzw. der Einholung ergänzender Beweise abgesehen werden konnte.

In Anwendung der §§ 130 und 118 AschG iVm §§ 58 und 8 BauV wird bezüglich der Tatbestandsmäßigkeit der dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale von der belangten Behörde festgestellt, aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, dass es der Beschuldigte als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der (zwischenzeitig mit 3.10.2000 gelöschten) M. GmbH, Linz, zu vertreten habe, dass auf der von der genannten Firma betriebenen Baustelle "Um- und Zubau HAK G." Herr Z. in einem Klassenzimmer im zweiten Stock des Objektes von der obersten, in ca. 4 m Höhe befindlichen Gerüstlage eines verfahrbaren Arbeitsgerüstes aus mit Schalungsarbeiten an der Zimmerdecke im Bereich des Fenstersturzes beschäftigt war, ohne dass das gegenständliche Gerüst (§ 58 Abs.1 BauV) auf der obersten Gerüstlage mit geeigneten Absturzsicherungen in Form einer aus Brust-, Mittel- und Fußwehren bestehenden Umwehrung (Geländer) an den Absturzkanten ausgestattet gewesen wäre.

Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung sei somit als erfüllt anzusehen.

Es folgen sodann Ausführungen zur Schuldfrage und Strafhöhe.

4. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen vorgebracht:

Ein Verschulden seinerseits liege nicht vor, da ein funktionierendes Überwachungs- und Kontrollsystem zur Gewährleistung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften vorliegt.

Dieses Überwachungs- und Kontrollsystem wird in der Berufung sodann näher ausgeführt.

Zum Unfallhergang wird ausgeführt, das betreffende Gerüst sei mit Umwehrung und Geländer aufgestellt worden und deren ordnungsgemäße Montage auch überprüft worden. Herr Z. habe am 7.9.1999 Arbeiten an einem Fenstersturz auszuführen gehabt. Er habe das gegenständliche Gerüst verschoben und dabei ohne Wissen und gegen den Willen des auf der Baustelle tätigen Poliers Franz Edler die Umwehrung entfernt. Herr Z. habe das Gleichgewicht verloren und sei bedingt durch das Fehlen des Geländers zu Sturz gekommen.

5. Nach Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangte Behörde hat der Oö. Verwaltungssenat am 27. August 2002 eine öffentlich mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, an der die Vertreterin der belangten Behörde, der Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 11. Aufsichtbezirk und der Berufungswerber im Beisein seines Rechtsvertreters teilnahmen. Als Zeugen wurden der Arbeitsinspektor R., die Sicherheitsfachkraft Ing. D., der Polier E. und der Maurer Z. (Unfallopfer) einvernommen.

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass jedenfalls die Parteien des Verfahrens bis zur Berufungsverhandlung davon ausgegangen sind, dass sich der Unfallhergang so abgespielt hat, wie er in der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 5. November 1999 dargestellt wird. Die Einvernahme des Zeugen R., der diese Anzeige verfasst hat, ergab, dass in dieser Anzeige an die belangte Behörde im Wesentlichen jedoch lediglich die Meldung vom 7.9.1999 der Bundespolizei Graz, Wachzimmer Finanz, wiedergegeben wurde. Eine Einvernahme des Meldungslegers (Rev. Insp. K. und Rev. Insp. B.) durch das zuständige Arbeitsinspektorat oder durch die belangte Behörde scheint im Verwaltungsstrafakt nicht auf. Der Besuch der Unfallstelle durch Herrn R. erfolgte erst am 11.10.1999, somit mehr als ein Monat nach dem Unfallzeitpunkt. Ein Gerüst war damals nicht mehr vorhanden. Da auch der Polier, Herr E., den Inhalt der Meldung der Polizei bestätigt habe und ihm dieser Unfallbericht plausibel erschienen sei, habe er ihn auch so übernommen.

Der Zeuge E. behauptet, auch er hätte zum damaligen Zeitpunkt geglaubt, dass sich der Unfall so abgespielt habe, dass Herr Z. von dem fahrbaren Gerüst, bei dem auf einer Seite die Umwehrung gefehlt habe, aus ca. 4 m Höhe herabgestürzt sei. Er war bei dem Unfall nicht anwesend, er wurde erst danach zu dem auf dem Boden liegenden verunfallten Herrn Z. geholt und habe sodann ohne weitere Nachfrage Polizei und Rettung verständigt. Nunmehr habe er erfahren, dass Herr Z. das fahrbare Gerüst, dessen höchste Standfläche auf ca. 3,20 m Höhe war, lediglich als Aufstiegshilfe benützt habe, dann sei er durch das Fenster auf ein Außengerüst geklettert und habe von dort aus ein Hilfsgerüst dergestalt errichten wollen, dass er über auf das Außengerüst und den Kämpfer gestützte, in das Rauminnere ragende Pfosten eine Standfläche erlangen wollte, von der aus er die verlangten Ausmauerungsarbeiten hätte durchführen können. Zur Veranschaulichung fertigte Herr E. eine Schnittskizze dieser beabsichtigten Konstruktion an, die er offenbar nicht außergewöhnlich findet, er habe aber von diesem Vorhaben nichts gewusst. Da Herr Z. zwischen fahrbarem Gerüst und Außenmauer (Innen) gelegen sei und das rudimentäre Hilfsgerüst (die Pfosten) mit abgestürzt sei, habe er vermutet, Herr Z. sei vom fahrbaren Gerüst gefallen. Es habe ihn später niemand mehr nach dem Unfallhergang gefragt.

Schließlich schildert der vom Arbeitsunfall unmittelbar betroffene Zeuge Z. glaubwürdig den Unfallverlauf. Das fahrbare Gerüst im ca. 6 m hohen Raum sei für die ihm aufgetragene Arbeit zu niedrig gewesen, man müsse diesbezüglich auch eine Mauerdicke von ca. 60 cm für die Ausmauerungsarbeiten mitberücksichtigen. Er wollte daher ein Hilfsgerüst errichten, indem er Pfosten, die ins Rauminnere ragten, vom Außengerüst über den Kämpfer auflegen wollte. Bevor das Hilfsgerüst fertig gestellt war, sei er auf den schon aufgelegten Pfosten, die allerdings am Außengerüst noch nicht befestigt waren, zu weit ins Rauminnere gegangen, worauf diese gekippt seien und er auf den Boden abgestürzt sei. Der Arbeitskollege, der die Pfosten geholt habe, namens M., habe ihn gefunden, dieser sei jedoch nicht mehr am Leben. Er könne sich an eine Befragung zum Unfallhergang durch die Polizei nicht mehr erinnern, er habe starke Schmerzen gehabt. Vielleicht habe er gesagt, dass er von da oben heruntergestürzt sei, was die Meldungsleger unzutreffend auf das fahrbare Gerüst bezogen hätten. Später habe ihn niemand mehr nach dem Unfallhergang befragt.

6. Der Bw beantragt unter Hinweis auf die Zeugenaussage des Z. die Einstellung des Verfahrens, der Tatvorwurf sei nicht mehr aufrecht zu erhalten. Ein Tatvorwurf bezogen auf den Unfallhergang, wie er sich nun ergebe, sei während des gesamten Verfahrens nie erhoben worden und wäre auch schon verjährt. Die Vertreterin der belangten Behörde hat diesen Äußerungen nichts hinzuzufügen, der Vertreter des Arbeitsinspektorates räumt ein, dass der Tatvorwurf nicht mehr aufrecht erhalten werden und die neue Situation wegen Verfolgungsverjährung nicht mehr verfolgt werden kann, sodass einer Einstellung des Verfahrens zugestimmt würde.

7. Als im Beweisverfahren ermittelter Sachverhalt wird festgestellt, dass Herr Z. am 7.9.1999 um ca. 15.55 Uhr von einem im Aufbau befindlichen Hilfsgerüst, bestehend aus Pfosten, die von einem Außengerüst über den Kämpfer des Fensters in das Rauminnere des im 2. Stock gelegenen Raumes der Baustelle "Um- und Zubau HAK, G." aus ca. 4 m Höhe in das Rauminnere gestürzt ist. Es kann daher nicht erwiesen werden, dass Herr Z., wie dem Beschuldigten als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichem handelsrechtlichen Geschäftsführer der M. GmbH vorgeworfen wurde, von einem verfahrbaren Arbeitsgerüst (Abmessungen ca. 3,40 m x 2,60 m) auf oberster Gerüstlage in ca. 4 m Höhe mit Schalungsarbeiten beschäftigt war, ohne dass eine Umwehrung montiert gewesen wäre, gestürzt ist.

8. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Der von der belangten Behörde auf Grund der Anzeige des Arbeitsinspektorates angenommene Sachverhalt, an dessen Richtigkeit - offenbar auch mangels Einwänden durch den Beschuldigten - sie nicht zweifelte und den sie ohne weitere Ermittlungen als gegeben annahm, hat sich auf Grund des beim
Oö. Verwaltungssenat durchgeführten Beweisverfahren als nicht zutreffend erwiesen. Die objektive Tatbestandsmäßigkeit der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung ist daher nicht gegeben und der Tatvorwurf nicht mehr aufrecht zu erhalten, weil der Arbeiter Z. nicht von dem bemängelten Gerüst abgestürzt ist.

Da im Ergebnis der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war iSd § 45 Abs.1 Z2 VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen, zumal eine weitere rechtswirksame Verfolgungsverhandlung hinsichtlich der Verletzung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen innerhalb der in § 31 Abs.2 VStG normierten Frist von sechs Monaten nicht erfolgte.

II. Der Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Linkesch

Beschlagwortung: Tatvorwurf nicht erwiesen, Hilfsgerüst, Zeugenaussage des Unfallopfers, Beweisverfahren;

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