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VwSen-280634/2/Kl/Ke

Linz, 23.07.2002

VwSen-280634/2/Kl/Ke Linz, am 23. Juli 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des S, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz, vom 13.6.2002, PrA-II-S-0132171e, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 sowie 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 13.6.2002,
PrA-II-S-0132171e, wurde über den Bw eine Geldstrafe von je 360 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von je 8 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß
§ 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz iVm mit

  1. § 7 Abs.1 und
  2. § 6 Abs.2 BauV verhängt, weil er als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der S GmbH. mit dem Sitz in Linz als Arbeitgeber zu vertreten hat, dass auf der von der o.a. Gesellschaft betriebenen Baustelle "Verbindungsgang im Hof zwischen dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und dem Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz, Seilerstätte 4, Erdgeschoss" ein Arbeitnehmer der o.a. Firma, Herr S, auf einer Standfläche bei einer Absturzhöhe von ca. 4,5 m mit der Verlegung von Trapezblechen beschäftigt war, wobei

  1. an der Arbeitsstelle keine Absturzsicherung, Abgrenzung oder Schutzeinrichtung angebracht war und der Arbeitnehmer auch nicht angeseilt war.
  2. die Standfläche, welche aus Trapezblechtafeln bestand, die zwischen den Auflagern nicht gestützt waren, nicht tragsicher gestaltet war und eine dieser Blechtafeln knickte.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten. Zum Faktum 1 wurde angeführt, dass zum Unfallszeitpunkt zwei Gerüste im dortigen Bereich aufgestellt gewesen seien. Überdies sei nicht die Bestimmung des § 7 Z4 BauV, sondern die Bestimmung des § 7 Abs.5 Z2 BauV anzuwenden gewesen, wonach bis zu einer Absturzhöhe von 5 Metern Absturzsicherungen, Abgrenzungen und Schutzeinrichtungen entfallen könnten und auch die Sicherung der Arbeitnehmer durch Anseilen entfallen könne. Darüber hinaus wurde Verfolgungsverjährung eingewendet. Zudem sei die subjektive Tatseite nicht gegeben. Zum Faktum 2 wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Standfläche ordnungsgemäß tragsicher ausgestaltet gewesen sei und es sei die Tragsicherheit erst durch ein vom Beschuldigten nicht zu vertretendes Ereignis beseitigt worden. Auch sei der Sachverhalt mangelhaft ermittelt worden, weil der Arbeitnehmer nicht zu Boden gestürzt sei sondern sich am Querträger fest hielt. Auch sei ein ausreichendes Kontrollsystem geschaffen worden. Schließlich wurde die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Strafverfahrens vor dem Bezirksgericht Linz zur Zahl 18 U 80/02 s, worin dem Beschuldigten das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB angelastet wird, beantragt.

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil der Berufung Folge zu geben und das Straferkenntnis aufzuheben war, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

4.2. Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen:

Weder im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.11.2001 als erste Verfolgungshandlung noch in der Vernehmung des Beschuldigten vom 29.11.2001 wurde die Tatzeit der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen genannt. Weil aber die konkretisierte Tatzeit ein wesentliches Spruchelement nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bildet, welches innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten dem Beschuldigten vorgeworfen werden muss, ist hinsichtlich der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen Verfolgungsverjährung eingetreten. Es war daher das Strafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

Hingegen kann die erstmalige Nennung des Tatzeitpunktes 22.8.2001 in der Begründung des Straferkenntnisses die Verfolgungsverjährung nicht hindern, zumal die Begründung den Spruch eines Straferkenntnisses nicht ergänzt, sondern allenfalls der Auslegung des Spruches dienen kann, und überdies das Straferkenntnis erst nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist erlassen wurde.

Es was daher schon aus diesen Gründen das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung: Tatzeit, Verfolgungsverjährung

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