Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280651/2/Ga/Ka

Linz, 20.03.2003

VwSen-280651/2/Ga/Ka Linz, am 20. März 2003

DVR.0690392

E R K E N N T N I S


Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des HO, vertreten durch Dr. JK, Rechtsanwalt in , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. September 2002, Ge96-78-2001-GRM, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1 zweite Alternative, § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 3. September 2002 wurde der Berufungswerber einer am 29. August 2001 im Zuge einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten festgestellten Übertretung nach § 8 Abs.4 iVm § 130 Abs.1 Z10 ASchG für schuldig befunden. Näherhin wurde ihm angelastet, er habe in seiner Stellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer der FOGes.m.b.H., diese als persönlich haftende Gesellschafterin der Firma "FOGes.m.b.H & Co.", Sitz in, und somit als Arbeitgeber dafür einzustehen, dass am 29. August 2001 (= Zeitpunkt der Kontrolle durch die Arbeitsinspektoren) auf einer bestimmten Baustelle in Bruck/Leitha (Bauvorhaben "TSCHIBO/ EDUSCHO", wo die genannte Gesellschaft die Baumeister- und Fertigteilarbeiten durchgeführt, aber auch Subunternehmer für diverse andere Tätigkeiten beschäftigt habe, die - im Sicherheit- und Gesundheitsschutzplan des Planungskoordinators enthaltene Anordnung "Nummer 0406 Dachaufstieg" nicht berücksichtigt. Diese Anordnung habe sich an die "Baufirma", somit an die involvierte Gesellschaft des Berufungswerbers gerichtet und für die "Dauer der Dacharbeiten" gegolten. Zum Besichtigungszeitpunkt habe es im Inneren der Halle keine Aufstiegsmöglichkeiten auf das Hallendach gegeben, dennoch seien auf dem Flachdach des Hallenneubaues, bei einem Höhenunterschied von 13 m zu dem der Halle angrenzenden Terrain, Spenglerarbeiten durch Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers, nämlich der PGes.m.b.H., durchgeführt worden.
Deshalb sei der Berufungswerber "gemäß § 130 Abs.1 Z10 ASchG" mit einer Geldstrafe von 1.453, 46 € (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

Den Schuldspruch begründend verweist die belangte Behörde auf die durch Arbeitsinspektoren am 29. August 2001 durchgeführte Überprüfung der sprucherfassten Baustelle und das durch die Anzeige veranlasste Ermittlungsverfahren. Danach habe kein Anlass bestanden, an den Feststellungen des AI für Bauarbeiten zu zweifeln und habe daher, weil der Berufungswerber laut ASchG als Arbeitgeber für die Beschäftigung der Arbeitnehmer (zu ergänzen wäre: auch der PGes.m.b.H.; Anmerkung des UVS) verantwortlich gewesen sei, die objektive und subjektive Tatseite als erwiesen vorgelegen.

Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene, Aufhebung und (erschließbar) Einstellung begehrende Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt der belangten Behörde erwogen:

Vorweg war festzustellen, dass das hier angefochtene Straferkenntnis vom 3. September 2002 die im h. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, VwSen-280612, unter Ausbreitung der einschlägigen Judikatur dargelegten Anforderungen an eine hinreichende Beschuldigten-Individualisierung erfüllt. Wenngleich auffällt, dass auch das vorliegend angefochtene Straferkenntnis neuerlich (und unnötiger Weise) die selbe "Firma" als direkten Bescheidadressaten anführt, so verbleiben nach Auffassung des erkennenden Mitgliedes aus der gebotenen Zusammenschau von Adressierung (die nun wenigstens auch den Beschuldigtennamen enthält), Spruchformulierung und Begründung insgesamt doch keine vernünftigen Zweifel, dass der Tatvorwurf nun rechtens an den Berufungswerber als persönlich belasteter Beschuldigter gerichtet ist (gilt ebenso für die im Berufungsfall gesetzte erste Verfolgungshandlung, das ist die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.10.2001).

Klar zu stellen war ferner, dass im Berufungsfall keine strafsatzerhöhende Wiederholungstat vorlag und daher nur der Grundrahmen des § 130 Abs.1 ASchG (idF BGBl. Nr.I 136/2001: Geldstrafe von 145 € bis 7.260 €) heranzuziehen war (das angefochtene Straferkenntnis hat unspezifiziert nur angegeben, es habe "lediglich § 130 Abs.1 ASchG bei der Bemessung der Strafhöhe Berücksichtigung" gefunden).

Gemäß § 130 Abs.1 ASchG begeht eine mit Geldstrafe von 145 € bis 7.260 € (...) zu bestrafende Verwaltungsübertretung, wer als Arbeitgeber gemäß Z10 dieser Vorschrift die im ASchG geregelten Koordinationspflichten verletzt.

Koordinationspflichten regelt das ASchG in seinem § 8. Gemäß dessen Abs.4, der in seine Aussage Abs.3 mit einbezieht, haben "die Arbeitgeber" dann, wenn für eine Baustelle, bei der gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber beschäftigt werden und für eine solche Baustelle Personen mit Koordinationsaufgaben auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes beauftragt sind, bei der Umsetzung der Grundsätze der Gefahrenverhütung die Anordnungen und Hinweise dieser Personen zu berücksichtigen (...).

Vorliegend sah die belangte Behörde "Koordinationspflichten" iS des § 130 Abs.1 Z10 AschG verletzt dadurch, dass der Berufungswerber (dessen Baugesellschaft) am 29. August 2001 im Inneren der Halle keinen Treppenturm "vorhielt", dh nicht dafür sorgte, dass der Turm (auch) an jenem Tag für die Benützung von Arbeitnehmern aufgestellt gewesen ist. Das - hinsichtlich seiner Bedeutung im Gesetz selbst nicht eingegrenzte, daher unbestimmte - Tatbestandsmerkmal "berücksichtigen" interpretierte die belangte Behörde ohne nähere Einlassung, im Ergebnis aber zutreffend, als ein unter Strafsanktion stehendes Befolgen von Schutzpflichten dahin, dass der Berufungswerber eben diesen Treppenturm auch an jenem Tag zur Benützung hätte aufzustellen gehabt, weil dort bei Dacharbeiten Arbeitnehmer - wenngleich nicht seine eigenen, sondern allein Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers - beschäftigt worden seien.

Unstrittig nach der Aktenlage ist, dass bei den - durch Ort und Tattag sprucherfassten - "nachträglich durchgeführten Restarbeiten" (um solche handelte es sich nach Darstellung der PGes.m.b.H. im Schreiben vom 5.12.2001; die Richtigkeit dieser Angaben wurden vom Baustellenkoordinator mit Schreiben vom 8.2.02, in Kopie der Berufungsschrift beigelegt, bestätigt; die belangte Behörde hat die Angaben im Zuge der Berufungsvorlage nicht bestritten) keine Arbeitnehmer des Berufungswerbers beteiligt waren. Dennoch war, entgegen der Meinung des Berufungswerbers, seine Schutzpflicht in diesem Fall in grundsätzlicher Weise auch für die Arbeitnehmer des Subunternehmers PGes.m.b.H. aufrecht. Die Koordinationspflichtregelung des § 8 Abs.4 ASchG sieht die "Berücksichtigung" von Anordnungen auch zugunsten von Arbeitnehmern eines anderen Arbeitgebers (ob Subunternehmer oder nicht) vor, und zwar nicht eben nur für den Fall, dass diese wenigstens zugleich mit eigenen Arbeitnehmern konkret beschäftigt werden (vgl. hiezu sinngemäß VwGH vom 25.2.1993, 92/18/0382), sondern ausdrücklich auch für Fälle der nicht gleichzeitigen, immerhin aber "aufeinanderfolgenden" (so die Regelung des inhaltlich auch für den Abs.4 relevanten Abs.3 des § 8 ASchG) Beschäftigung von Arbeitnehmern eines weiteren Arbeitgebers.
Wie das "Aufeinanderfolgen" der Beschäftigung von Arbeitnehmern mehrerer Arbeitgeber zu verstehen ist, ob die Beschäftigung der einen Arbeitnehmer unmittelbar an die Beschäftigung der anderen Arbeitnehmer anschließen muss, ob ein kleinerer oder größerer Zeitabstand (von Tagen, von Wochen ...) dazwischen liegen kann, ob auch Arbeiten, die nicht vorherbedacht wurden, die sich etwa als zusätzlich und notwendig zu erbringende Leistungen herausstellten, erfasst sind, all das hängt nach Auffassung des UVS maßgeblich vom Inhalt der "Anordnung" des Koordinators ab (bloße "Hinweise" des Koordinators scheiden nach den Fallumständen von vornherein aus; die Frage nach deren Beachtlichkeit konnte hier ungeprüft bleiben). Die "Anordnung" muss nur "entsprechend" sein (vgl. § 8 Abs.3 ASchG), dh jedenfalls so präzis, dass sie eindeutige Richtschnur für das Sicherungsverhalten des durch die Koordinationspflicht belasteten Arbeitgebers zu sein vermag und, davon abgeleitet, geeignet ist, im Übertretungsfall die Reichweite der verwaltungsstrafrechtlichen Haftungspflicht des Arbeitgebers bestimmt im Sinne des § 44a Z1 VStG zu umschreiben.
Eine solche Anordnung lag im Berufungsfall, was die belangte Behörde verkannte, jedoch nicht vor.

So ist zunächst festzuhalten, dass die im angefochtenen Straferkenntnis als "Anordnung" bezeichnete Untergliederung "Nr. 0406", so wie sie der vom AI der Anzeige vom 8. Oktober 2001 angeschlossenen Kopie eines Auszuges aus dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan - offenbar vom Baustellenkoordinator (§ 2 Abs.7 BauKG) stammend; eine schriftliche Bestellungsurkunde (§ 3 Abs.6 BauKG) liegt dem Strafakt nicht ein; allerdings ist die ordnungsgemäße Bestellung des Koordinators im Berufungsfall unstrittig, insofern war sie als Faktum der Rechtsbeurteilung zugrunde zu legen - entnommen werden kann, tatsächlich eine in sprachlicher Hinsicht eindeutig als solche formulierte Anordnung aufweist ("der Treppenturm ist derart auszuführen, dass er täglich nach Arbeitsende gegenüber Unbefugten versperrt werden kann"). Diese Anordnung jedoch ist im Berufungsfall nicht Sache.
Im auffälligen Gegensatz zu jenem Anordnungscharakter ist hingegen die vom Schuldspruch als "Anordnung" zugrunde gelegte Passage ("Zum Erstellen der Dachgewerke wird seitens der Baufirma ein Treppenturm errichtet und über die Dauer der Dacharbeiten vor- und instand gehalten") nach allgemeinen Sprachverständnis eher nicht - weder nach ihrer Diktion noch nach ihrem Inhalt - als "Anordnung" zu erkennen (eine solche müsste, mittels Verwendung imperativer Ausdrucksformen, einen direkten Befolgungsanspruch unverklausuliert ausdrücken). Vielmehr scheint diese Passage die bloß narrative Wiedergabe eines bestimmten, wenngleich nicht nebensächlichen Details des Vertragswerkes zwischen den mehreren Arbeitgebern und dem Bauträger auszudrücken (für diese Deutung sprechen auch die Aussagen der beiden oben zitierten Schreiben der Profilstahl Ges.m.b.H. vom 5.12.2001 und des Baukoordinators vom 8.2.2002). Überdies kann, was die Werkherstellung des Treppenturmes angeht, aus der bezüglichen Passage in der Untergliederung "Nr. 0406" eine verpflichtende Festlegung, den Treppenturm "im Inneren der Halle" (vgl. die Ausdrucksweise im angefochtenen Schuldspruch) zu errichten, nicht herausgelesen werden.

Selbst aber dann, wenn der in Rede stehenden Passage Anordnungscharakter unterstellt würde, hätte sie nach den Umständen des Berufungsfalles zur Tatzeit nicht schlagend werden können. Die zeitliche Geltung der "Anordnung" war nämlich, wie der Berufungswerber in seiner im strafbehördlichen Ermittlungsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 29. Jänner 2002 zutreffend eingewendet hatte (worauf das angefochtene Straferkenntnis jedoch nicht eingegangen ist), auf die Dauer von exakt 70 Tagen, beginnend mit 21. Mai 2001 und endend mit 29. Juli 2001 eingegrenzt. Die in der zit. Passage ein Zeitelement nur allgemein umschreibende Wortfolge "über die Dauer der Dacharbeiten" eröffnete keineswegs eine Fortdauer der Koordinationspflicht des Berufungswerbers ad calendas graecas. Vielmehr wurde am rechten Rand der vorliegenden Kopie der Seite 10 des SiGe-Planes (andere Belege hiezu enthält der vorgelegte Strafakt nicht) der zeitliche Geltungsbereich der "Anordnungen" in eindeutiger Weise konkretisiert. Das ist schon aus der Betrachtung der Nr.0406 für sich genommen klar ersichtlich und wird aus der Zusammenschau mit den weiteren "Anordnungen" auf diesem Plan-Auszug (0407 bis 0411) bestätigt. Eine gegenteilige Lesart könnte nicht erklären, welchen Zweck sonst die durch die explizite Nennung von Anfangstag und Endtag konkret fixierten und je zugeordneten Zeitraumfestlegungen auf dem rechten Rand dieses Auszuges dienen sollten.

Lag aber eine "Anordnung" im Sinne einer die Koordinationspflicht auslösenden Vorgabe des Baustellenkoordinators im Zweifel schon nicht vor und war, was sich im Berufungsfall als jedenfalls entscheidend herausstellte, die Dauer der "Anordnung" Nr.0406 des Baustellenkoordinators mit Ablauf des 29. Juli 2001 beschränkt, so war ausgeschlossen, das Nichtvorhalten des Treppenturms am spruchgemäßen Tattag (29.8.2001) als Verwaltungsübertretung gemäß § 8 Abs.4 iVm § 103 Abs.1 Z10 ASchG zu beurteilen.

Bei diesem Ergebnis brauchte die Frage nicht mehr untersucht zu werden, ob der vom Berufungswerber - im Wege der Vorlage des oben zitierten Schreibens des Baustellenkoordinators vom 8. Februar 2002 - eingewendete, im Übrigen jedoch unbescheinigt gebliebene Irrtum in der Koordinationspflicht den Treppenturm betreffend (nicht die Fa. O, sondern die Fa. P sei in Wahrheit vertraglich verpflichtet gewesen) in der rechtlichen Beurteilung des hier in Rede stehenden Anordnungsregimes andere Sichtweisen hätte anlegen lassen.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu erkennen.

Dieses Verfahrensergebnis befreit den Berufungswerber auch aus seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner


Beschlagwortung:
Koordinationspflicht; Reichweite/Ausprägung

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 23.09.2003, Zl.: 2003/02/0109-7

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum