Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280667/9/Ga/Schä

Linz, 30.03.2004

 

 

 VwSen-280667/9/Ga/Schä Linz, am 30. März 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Herrn Dipl.Ing. A B, vertreten durch Mag. K, R in L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. Febr. 2003, Zl. 330149731, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften in zwei Fällen, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung durch öffentliche Verkündung am 30. Jänner 2004 zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis in beiden Fakten aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z2; § 51 Abs.1, § 51c, § 51i, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 19. Februar 2003 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe in seiner Eigenschaft als iSd § 9 Abs.1 VStG verantwortliches Außenvertretungsorgan der Firma F, Sitz in L, dafür einzustehen, dass durch diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 8. Februar 2001 auf einer bestimmten, von dieser Gesellschaft betriebenen Baustelle im V in L drei namentlich angegebene Arbeitnehmer in ca. 8 m Höhe mit dem Verlegen von Trapezblechen beschäftigt und dabei in zweifacher Weise trotz Absturzgefahr nicht gesichert gewesen seien, nämlich
1. indem der Arbeitnehmer D P sich dazu auf den ca. 30 cm breiten Stahlträger habe stellen und das ca. 1 m breite und 8 m lange Blech in den I-Träger einfädeln müssen und die beiden anderen Arbeitnehmer beim Auflegen der Bleche unmittelbar an der Absturzkante gestanden seien; dabei seien keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden und die Arbeitnehmer seien auch nicht angeseilt gewesen (alle drei Arbeitnehmer seien zwar mit Sicherheitsgeschirren ausgerüstet gewesen, es haben aber vor Ort geeignete Anschlagpunkte, um die Anseilung durchführen zu können, gefehlt), obwohl gemäß § 7 Abs.2 Z4 BauV auf Grund der Absturzhöhe von mehr als 2,00 m Absturzgefahr anzunehmen sei (bedingt durch den leichten Niederschlag aus dem vorherrschenden Nebel seien die Stahlträger überdies rutschig gewesen) und § 7 Abs.1 BauV normiere, dass bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen seien; und
 
2. dabei der Zugang zur Arbeitsstelle auf dem Dach für die drei o.a. Arbeitnehmer über einen Leiteraufstieg an der nordöstlichen Gebäudekante und in weiterer Folge über das ca. 5 Grad geneigte Dach geführt habe und in diesem Zugangsbereich Dachöffnungen für die später einzubauenden Lichtkuppen ausgespart gewesen seien, wobei im Bereich der Dachöffnungen keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden und die Arbeitnehmer auch nicht angeseilt gewesen seien (alle drei Arbeitnehmer seien zwar mit Sicherheitsgeschirren ausgerüstet gewesen, es haben aber vor Ort geeignete Anschlagpunkte, um eine Anseilung durchführen zu können, gefehlt), obwohl bei den ungesicherten Dachöffnungen gemäß § 7 Abs.2 Z1 BauV Absturzgefahr vorgelegen sei (bedingt durch den leichten Niederschlag aus dem vorherrschenden Nebel sei die Dachfläche überdies rutschig gewesen) und § 7 Abs.1 BauV normiere, dass bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen seien.
 
Dadurch seien 1. § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 7 Abs.1, Abs.2 Z4 und Abs.4 BauV und 2. § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 7 Abs.1, Abs.2 Z1 und Abs.4 BauV verletzt worden.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Berufungswerber folgende Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) kostenpflichtig verhängt:
Zu 1. 730 Euro (17 Stunden), zu 2. 220 Euro (5 Stunden).
Inhaltlich übereinstimmende Straferkenntnisse mit gleichlautenden Schuldsprüchen und Strafaussprüchen wegen derselben Taten wurden gegen die beiden weiteren Vertretungsorgane der dreiköpfigen Geschäftsführung der involvierten Arbeitergeber-Gesellschaft verhängt (vgl. die mit heutigem Datum zu den Zahlen VwSen-280668 und VwSen-280669 ergangenen h. Erkenntnisse).

Die gegen das eingangs bezeichnete Straferkenntnis eingebrachte Berufung beantragte zu beiden Fakten Aufhebung und Einstellung, dies, abgesehen vom Hinweis auf eine interne Ressortverteilung mit bestimmten Bereichen der drei Geschäftsführer, mit dem Einwand, es sei schon Mitte November 2000 Herr O B (als einer der drei Geschäftsführer) zum verantwortlichen Beauftragten iS des § 9 Abs.2 erster Satz VStG für die gegenständliche Baustelle bestellt worden. Diese Bestellung sei entgegen der Auffassung der belangten Behörde auch ohne die - nicht erfolgte - Mitteilung der Bestellung gemäß § 23 Abs.1 ArbIG wirksam geworden, weil es sich beim Bestellten um ein verantwortliches Vertretungsorgan iS des § 9 Abs.1 VStG gehandelt habe und insofern, unter Hinweis auf ein Judikat des Verwaltungsgerichtshofes, die Wirksamkeit der Bestellung nicht von ihrer Mitteilung an das Arbeitsinspektorat abhängig sei. Im Grunde des daher bewirkten Haftungsüberganges hätte er in diesem Fall als Täter nicht belangt werden dürfen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat - nach gemeinsamer Durchführung der mündlichen Verhandlung mit den zu den h. Zlen. VwSen-280668 und VwSen-280669 protokollierten Berufungsverfahren betr. die beiden anderen Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft am 30. Jänner 2004 - erwogen:
Dass eine - wenngleich dem Arbeitsinspektorat unstrittig nicht gemäß § 23 Abs.1 ArbIG mitgeteilte - Bestellung des O B zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs.2 erster Satz VStG erfolgt wäre, ist nicht hervorgekommen. Dieser hat eine solche Bestellung in der Verhandlung - wie auch schon im Verfahren vor der belangten Behörde (seine Stellungnahme dort vom 25.7.2001) - glaubwürdig und unwiderlegt verneint. War aber damit schon die (für die Wirksamkeit einer Bestellung unerlässliche) Zustimmung des angeblich Bestellten nicht nachgewiesen, so konnte dessen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten schon aus diesem Grund nicht bewirkt worden sein. Die vom Berufungswerber beantragte Zeugenvernehmung zum Nachweis der - behaupteter Maßen - anlässlich einer Bauleitersitzung im November 2000 erfolgten Bestellung des vorhin Genannten zum verantwortlichen Beauftragten war, weil damit kein Nachweis der Zustimmung zur (behaupteten) Bestellung aus der Zeit vor der Begehung der Tat hätte erbracht werden können, nicht zu führen.
Durch die, wie auch eingewendet, verbliebene Bestellung, iSd § 9 Abs. 2 erster Satz VStG mit Haftungsübergang im strafrechtlichen Verantwortungsbereich nachzuweisen. Der Hinweis des Berufungswerbers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Februar 1999, Zl. 97/11/0044, geht daher ins Leere, lag doch dem zit. Beschwerdefall eine tatsächlich erfolgte (und nachgewiesene) Bestellung zu Grunde. Durch die, wie auch eingewendet, verbliebene interne Aufteilung im unternehmerischen Verantwortungsbereich konnte eine Änderung hinsichtlich der strafrechtlichen Haftung des Berufungswerbers - und auch der beiden anderen Vertretungsorgane - jedoch nicht bewirkt werden.
Im Ergebnis war die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers als organschaftliches Vertretungsorgan zur Tatzeit als erwiesen festzustellen. Von seiner Täterschaft in diesem Fall ist die belangte Behörde zu Recht ausgegangen.
Was die Gegebenheiten auf der Baustelle betrifft, war als erwiesen festzustellen, - dass die Absturzgefahr, so wie im angefochtenen Straferkenntnis (beide Fakten) beschrieben, tatsächlich gegeben war,
- dass die in den Schuldsprüchen genannten Absturzsicherungen, Abgrenzungen und Schutzeinrichtungen tatsächlich fehlten,
- dass weiters, selbst wenn Anschlagpunkte bzw. Spannseile zum Einhängen der Sicherungsseile zur Tatzeit vorhanden gewesen wären, die drei genannten Arbeitnehmer zwar mit Sicherheitsgurten ausgestattet, zum Vorfallszeitpunkt aber eben nicht angeseilt gewesen sind. Gerade aber die Sicherung durch Anseilen hatte der Berufungswerber nach eigenen Angaben in der Verhandlung für ausreichend und statthaft gehalten, dies auch deshalb, weil eine Vernetzung schon von Anfang an nicht in Aussicht genommen worden sei (sie wäre sonst ja als Hauptleistung auszuschreiben gewesen, was jedoch nicht geschehen sei).
Die Anführung (auch) des § 7 Abs.4 BauV im angefochtenen Straferkenntnis als hier verletzte Rechtsvorschrift erfolgte daher zu Recht.
Dennoch standen im Berufungsfall der Bestätigung des Straferkenntnisses rechtliche Gründe entgegen:
Auszugehen ist von der ständigen Judikatur (vgl VwGH 26.7.2002, 2002/02/0037, mwN), wonach mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe - wie im Berufungsfall - gegen die Gesundheit mehrerer Arbeitnehmer richten.
Vorliegend wurde der Berufungswerber durch das angefochtene Straferkenntnis in beiden Fakten, trotz der namentlichen Nennung der drei beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer, jeweils nur einer Verwaltungsübertretung für schuldig befunden und über ihn jeweils nur eine Gesamtstrafe verhängt. Dadurch verstößt das angefochtene Straferkenntnis in beiden Fakten gegen das in § 22 VStG normierte Kumulationsgebot.
Die Trennung der Schuldsprüche zu 1. und 2. in jeweils drei, die Arbeitnehmer je erfassenden Einzeltaten mit gleichzeitiger Aufteilung der verhängten Strafen im Wege einer Neufestsetzung der Geld(Ersatzfreiheits)strafen, die wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 51 Abs.6 VStG) aber die zu 1. und 2. angefochtenen Gesamtstrafen jeweils nicht überschreiten dürfen, war vom Unabhängigen Verwaltungssenat dennoch nicht vorzunehmen. Zwar stellt der Wortlaut des § 51 Abs.6 VStG auf die "höhere Strafe", die nicht verhängt werden darf, ab. Im Berufungsfall allerdings bedeutet aus der Sicht des Bestraften ein Ergebnis, das ihn, ausgehend von seiner bisherigen absoluten Unbescholtenheit, statt mit nur zwei nun gleich mit sechs Vortaten belasten würde, schon allein durch diese Konsequenz eine Verschlechterung, weil der solcher Art Bestrafte beim nächsten schlicht einschlägigen (noch keine strafsatzerhöhende Wiederholungstat im engen Sinn darstellenden) Vorfall das dann deutlich höhere Gewicht des schlagend werdenden besonderen Erschwerungsgrundes im Sinne des § 33 Z2 StGB gegen sich gelten lassen müsste. Schon dadurch wäre dann nach den Maßgaben für die Strafbemessung eine i.d.R. höhere Strafe (als bei nur zwei ungetilgten, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vortaten) zu verhängen. Diese realistische Option auf eine Verschlechterung bedroht den Bestraften immerhin durch fünf Jahre hindurch mit der Konsequenz einer eben dann höheren Strafe schon für die erste Folgetat (dass Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften mit vergleichbarem Schutzzweck innerhalb der Tilgungsfrist geschehen können, muss nach der spezifischen Lebenserfahrung auch für kleinere und mittlere, einschlägig tätige Unternehmen als nicht unwahrscheinlich eingeschätzt werden). All das mit einbeziehend scheint vertretbar, von einer schwebend höheren Strafe zu sprechen, gegen die sich der Berufungswerber, verbliebe man bei einer restriktiven Wortauslegung des § 51 Abs.6 VStG, jedoch nicht wehren könnte und die überdies im Falle des Schlagendwerdens ja nicht konsumiert wäre, sondern aus spezialpräventiven Rücksichten mit ihrer mittelbaren Verschlechterungswirkung fortdauern würde.
Aus diesen Gründen aber war es nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Vermeidung eines unsachlichen Ergebnisses geboten, die Sperrwirkung des Verschlechterungsverbotes nach § 51 Abs.6 VStG durch verfassungskonforme Auslegung auch auf die Konstellation des Berufungsfalles zu erstrecken, weshalb wie im Spruch - unter Wegfall der Kostenfolge - zu erkennen war.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.
 

Mag. Gallnbrunner

 

 

 

 

 
 

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