Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280691/5/Ga/Pe

Linz, 30.10.2003

 

 

 VwSen-280691/5/Ga/Pe Linz, am 30. Oktober 2003

DVR.0690392
 

 
 

E R K E N N T N I S
 
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die VIII. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Langeder, den Berichter Mag. Gallnbrunner und den Beisitzer Dr. Reichenberger über die Berufung des H F, vertreten durch Dr. W B und Mag. P M B, Rechtsanwälte in W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 21. August 2003, Ge96-8-2002-GRM/KM, wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), zu Recht erkannt:
Hinsichtlich der Schuld wird die Berufung abgewiesen; diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass a) der Ausdruck "Achse F7F" im Schuldspruch durch den Ausdruck "Achse F/F" zu ersetzen ist, b) im Spruchabschnitt gemäß § 44a Z2 VStG (verletzte Rechtsvorschriften) statt "§ 130 Abs.1 Z15" richtig "§ 130 Abs.5 Z1" ASchG anzuführen ist.
Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung hingegen stattgegeben; die verhängte Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) wird auf 1.450 € (108 Stunden), der auferlegte Kostenbeitrag auf 145 € herabgesetzt; dies mit der Maßgabe, dass es im Spruchabschnitt gemäß § 44a Z3 VStG (Strafverhängungsnorm) statt "§ 130 Abs.1 Z15" richtig "130 Abs.5 Einleitung" ASchG zu lauten hat.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 64 f VStG.

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 21. August 2003 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der F B Gesellschaft m.b.H., Sitz in der Gemeinde S, für eine am 4. Februar 2002 begangene und an diesem Tag anlässlich einer Unfallerhebung durch das Arbeitsinspektorat Salzburg auf der Baustelle, angegebene Adresse in der Stadt S, festgestellte Übertretung des § 87 Abs.2 BauV iVm § 118 Abs.3 und "§ 130 Abs.1 Z15" ASchG einzustehen.
Als erwiesen wurde angenommen (§ 44a Z1 VStG):
"Der Arbeitnehmer der o.a. Firma, Herr M D war auf dem Dach mit dem Verlegen von Trapezblechen beschäftigt, ohne dass geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden waren, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Die Dachneigung betrug 2°, die mögliche Absturzhöhe ca. 8 m. Als Absturzsicherungen waren Fangnetze gespannt worden. Diese Fangnetze deckten jedoch nicht die gesamte Dachfläche ab. Entlang der Achse F7F der Halle verblieb ein freier Raum von 1,5 bis 2,5 m. In diesem Bereich war Absturzgefahr gegeben. Dies stellt eine Übertretung des § 87 Abs.2 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) dar, da auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen."

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber gemäß "§ 130 Abs.1 Z15" ASchG eine Geldstrafe von 2.180 € kostenpflichtig verhängt und eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen festgesetzt.
 
Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene, in der Hauptsache Aufhebung und Einstellung, hilfsweise die Herabsetzung der Geldstrafe begehrende Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt der belangten Behörde erwogen:
 
Der dem angefochtenen Schuldspruch zugrunde gelegte Tatsachverhalt, im besonderen die beschriebene Lücke in der Fangnetzabsicherung auf der nämlichen Baustelle sowie die dort unter näher beschriebener Absturzgefahr (Absturzhöhe ca.
8 m) vorgenommene Beschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers der Gesellschaft auf dem Dach (Dachneigung 2°) ist gänzlich unbestritten und war als erwiesen festzustellen.
 
Den Sicherheitsmangel im Auffangnetz, auf den im Berufungsfall ein die Überprüfung der Baustelle auslösender Arbeitsunfall ursächlich zurückgeführt worden war, hat die belangte Behörde in der Rechtsbeurteilung zutreffend als Verstoß gegen § 87 Abs.2 BauV gewertet. Gemäß dieser Gebotsvorschrift müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 BauV vorhanden sein. Durch die Verweisungstechnik ist klar gestellt, dass für den Schutz vor Absturz bei Arbeiten auf gering geneigten Dächern grundsätzlich alle der in den bezeichneten Paragraphen aufgelisteten technischen Vorkehrungen einsetzbar sind. Der in dieser Vorschrift hinsichtlich von Schutzeinrichtungen verwiesene § 10 BauV nennt in seinem Abs.1 die hier in Rede stehenden Auffangnetze, die "zum Auffangen abstürzender Personen und Materialien vorhanden sein (müssen)" und trifft in seinem Abs.2 nähere Vorschriften über die fachgerechte Anbringung der Auffangnetze.
Letztere Vorschriften (die zufolge der Verweisung im § 87 Abs.2 BauV im Spruchabschnitt gemäß § 44a Z2 VStG nicht eigens angeführt werden mussten) wurden hier mitverletzt. Die besondere Schutzvorschrift gemäß § 87 Abs.2 BauV ist im Verhältnis zur allgemeinen Vorschrift des § 7 BauV die speziellere Norm. Die Anwendung des § 7 Abs.4 BauV (Ausnahmetatbestand hinsichtlich Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen) war im Berufungsfall daher ausgeschlossen. § 87 Abs.2 BauV ist zwingend und kennt für Arbeiten auf gering geneigten Dächern (wegen der größeren Palette von technischen Absturzvorkehrungen), anders als § 87 Abs.3 BauV, keinen eigenen Ausnahmetatbestand.
Letzteres verkannte der Berufungswerber mit seinem auf die Ausnahme des § 7 Abs.4 BauV replizierenden Einwand. Auf das bezügliche Vorbringen war näher nicht einzugehen. In objektiver Hinsicht erwies sich die Tatbestandsmäßigkeit als zu Recht angenommen.
 
In subjektiver Hinsicht machte der Berufungswerber geltend, es sei die belangte Behörde zu Unrecht vom Fehlen eines ausreichenden Kontrollsystems in seinem Unternehmen ausgegangen. Für das Bestehen eines solchen Kontrollsystems führte er ins Treffen: Anweisungen der Arbeitnehmer (auch der vorliegend verunfallte Arbeitnehmer sei einschlägig angewiesen gewesen) sowie eine im Rahmen des Sicherheitsplans "vor Ort" bestellt gewesene "Aufsichtsperson".
Dieses Behauptungsvorbringen ist zur Glaubhaftmachung eines tauglichen, dh den Berufungswerber aus seiner persönlichen Haftung im Grunde der gemäß § 5 Abs.1 VStG anzunehmen gewesenen Fahrlässigkeitsschuld befreienden Kontrollsystems nicht geeignet.
Dazu wäre es erforderlich gewesen, ein konkretes Tatsachenvorbringen zu erstatten, aus dem sich detailliert ergibt, welches Kontroll- und Maßnahmensystem zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften in dem vom Berufungswerber geleiteten Unternehmen geschaffen wurde und wie dieses konkret funktioniert (vgl VwGH 20.9.2001, 99/11/0227). Die bloße Dartuung der Erteilung von Weisungen und der Einrichtung eines Kontrollsystems mit hierarchischer Gliederung der Verantwortungsträger und der Kontrolle der in diese Hierarchie Eingebundenen reicht zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens des Arbeitgebers nicht aus. Vielmehr wäre es - über das Glaubhaftmachen der Existenz eines Kontrollsystems in generell-abstrakter Form hinaus - erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen (vgl VwGH 30.9.1998, 98/02/0148; VwGH 24.8.2001, 2001/02/0148, 0149) der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen dieses Systems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das System eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften, hier jene der BauV zum Schutz von mit Arbeiten auf Dächern beschäftigten Arbeitnehmern auch tatsächlich befolgt einerseits und andererseits, welche Maßnahmen schließlich der Berufungswerber als an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.
Auf den Berufungsfall angewendet hätte also das Behauptungsvorbringen detailliert darzustellen gehabt, dass und welche konkreten Maßnahmen - durch Gestaltung von Arbeitsbedingungen, durch entsprechende Entlohnungsmethoden und durch disziplinäre Eingriffe u.dgl. (mit Bezug jedenfalls auf die "vor Ort" eingesetzt gewesene Aufsichtsperson sowie allfällige weitere, in das Kontrollsystem für diese Baustelle einbezogne Mitarbeiter) - so vorgekehrt und, von der Unternehmensspitze aus abwärts, auch gehandhabt wurden, auf dass die Unterbindung von Anreizen zur Verletzung der vorliegend angesprochenen Schutzvorschriften sowie Nachlässigkeiten in diese Richtung unter vorhersehbaren Verhältnissen und mit gutem (damit auch gemeint: auf betriebliche Besonderheiten Bedacht nehmenden) Grund erwartet werden durfte.
Im Übrigen vermag den Berufungswerber auch nicht zu entlasten, dass, wie er behauptet, ein ausreichender Schutz "alleine durch Fangnetze" nicht habe erzielt werden können. Der Berufungswerber übersieht, dass er in einem solchen Fall zufolge der zwingenden Vorschrift des § 87 Abs.2 iVm § 10 Abs.1 BauV (und der dort enthaltenen Verweisung) zur Absicherung der auf dem Dach der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer durch fachgerechte Dachschutzblenden oder Dachfanggerüste (§ 88 Abs.1 und 3 BauV) verpflichtet gewesen wäre.
 
Auch unter subjektiven Gesichtspunkten war daher der Schuldspruch zu bestätigen. Die dabei zu verfügen gewesene Berichtigung eines Schreibfehlers (das anzeigende AI hatte die Achse richtig mit "F/F" angegeben) und die Richtigstellung der verletzten Rechtsvorschriften sowie der Strafverhängungsnorm erweitern nicht den sachverhaltsbezogenen Abspruch in diesem Fall.
 
Was die Strafbemessung anbelangt, ist die belangte Behörde zwar nachvollziehbar und fallbezogen bei ihrer diesbezüglichen Ermessensentscheidung anhand der Kriterien des § 19 VStG vorgegangen. Entgegen ihrer Ausführung in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses hatte jedoch der Berufungswerber als absolut unbescholten zu gelten und hätte dies iSd § 34 Z2 StGB als mildernd angerechnet werden müssen. Die von der belangten Behörde erwähnten (und als besonderer Erschwerungsgrund gewerteten) "mehrere Übertretungen des ASchG" sind nach der Aktenlage nicht überprüfbar; sie sind im Strafakt nicht nachgewiesen. Auch aus den beim unabhängigen Verwaltungssenat geführten Evidenzen sind (ungetilgte) Vortaten nicht ableitbar. Der daher bewirkte Wegfall des angegebenen Erschwerungsgrundes und die gleichzeitige Berücksichtigung des besonderen Milderungsgrundes erzwingen die Herabsetzung der verhängten Strafe. Aus dem Blickwinkel des hier zu wertenden Unrechtsgehaltes war zusätzlich strafmindernd zu berücksichtigen, dass Auffangnetze immerhin, wenngleich mangelhaft, angebracht gewesen sind; darin liegt, trotz des Unfallgeschehens, eine doch geringere Verletzung des hier angesprochenen Schutzzweckes als er vorläge, wenn an der Baustelle überhaupt keine Auffangnetze angebracht gewesen wären.
Das nun festgesetzte Strafausmaß wird als in gleicher Weise tat- und täterangemessen erachtet, dies auch unter Bedachtnahme auf die mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2003 dem Tribunal mitgeteilten persönlichen Umstände (Ausscheiden als Geschäftsführer und Übertritt in den Ruhestand; Unterhaltspflichten gegenüber der geschiedenen Ehefrau). Einer noch stärkeren Herabsetzung stand der schon von der belangten Behörde mit Blick auf die Unfallsfolge zutreffend als erheblich gewertete Unrechtsgehalt entgegen.
 
Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu erkennen. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Tribunalverfahrens aufzuerlegen.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.
 

 

Dr. L a n g e d e r
 

 

 
 

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