Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280806/2/Ga/Wü

Linz, 26.01.2005

 

 

 VwSen-280806/2/Ga/Wü Linz, am 26. Jänner 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Herrn J G H, vertreten durch Dr. H H, Rechtsanwalt in E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 7. Dezember 2004, Ge96-83-5-2003, wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1 zweite Alternative, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 7. Dezember 2004 wurde der Berufungswerber einer Übertretung der §§ 87 Abs.3 und 88 Abs.4 BauV i.Zhlt. mit § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG schuldig erkannt. Er habe in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H Gesellschaft m.b.H & CO. KG, Sitz in H, verwaltungsstrafrechtlich zu haften dafür, dass am 27. August 2003 auf einer bestimmten Baustelle in Linz zwei namentlich genannte Personen (darunter ein Lehrling) "Arbeiten auf dem Dach" (bei einer Dachneigung von ca. 30 Grad und einer Absturzhöhe von ca. 5 m) durchgeführt hätten, wobei auf einer Länge von ca. 0,6 m keine geeigneten Schutzeinrichtungen (Dachschutzblenden) im Sinne der BauV vorhanden gewesen seien.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.000 Euro kostenpflichtig verhängt und eine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt.
 
Aus Anlass der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen, in der Hauptsache Aufhebung und Einstellung begehrenden Berufung hat der UVS nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt der belangten Behörde erwogen:
 
Wenngleich im angefochtenen Straferkenntnis unerwähnt geblieben, so geht aus der Aktenlage unzweifelhaft hervor, dass die spruchgemäß angelastete Lücke in der (im Übrigen vorschriftsmäßig angebracht gewesenen) Dachschutzblende ursächlich für einen Arbeitsunfall des im Schuldspruch namentlich genannten Lehrlings (Absturz mit leichten Verletzungsfolgen) gewesen ist. Dies führte gegen den Berufungswerber zu einem Strafverfahren wegen § 88 Abs.1 StGB beim Bezirksgericht Linz. Mit entsprechendem Hinweis darauf (und auf die in dieser Strafsache schon anberaumte Hauptverhandlung) beantragte der Berufungswerber in seiner Rechtfertigung vom 15. April 2004 die Aussetzung des wegen desselben Vorfalls wider ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens.
Dem entsprach die belangte Behörde zwar nicht förmlich im Sinne des § 30 Abs.2 VStG, so doch immerhin faktisch.
Aus dem in der Folge vom BG Linz der belangten Behörde übersandten Protokoll über die am 1. Oktober 2004 durchgeführte Hauptverhandlung in der zu Az. 18 U 495/03 x verzeichneten Strafsache ist ersichtlich, dass das Verfahren "gegen beide Beschuldigten" (der Zweitbeschuldigte war der nunmehrige Berufungswerber) durch richterlichen Beschluss "gemäß § 90f Abs.1 StPO i.V.m. § 90b StPO und unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren" eingestellt worden war. Als Begründung dieses Einstellungsbeschlusses ist dem Gerichtsprotokoll mit Bezug auf den Zweitbeschuldigten zu entnehmen:
"Dieser ist ein unbescholtener Unternehmer, dem, wenn überhaupt, nur der Vorwurf gemacht werden kann, dass er in der Person des Gesellen S einen nicht für die Lehrlingsausbildung eingewiesenen Ausbilder eingesetzt hat. Ein Unterlassen irgend welcher Absturzschutzmaßnahmen wie im Strafantrag ON 6 ausformuliert, kann dem Zweitbeschuldigten H nicht zur Last gelegt werden.
Im Gegenteil hat er die notwendigen Einrichtungen als Unternehmer zur Verfügung gestellt und hat in concreto auch der Erstbeschuldigte diese Schutzeinrichtungen auf der Baustelle verwendet.
Das kurzfristige Entfernen der angebundenen Leiter durch den Erstbeschuldigten kann dem Zweitbeschuldigten keinesfalls angelastet werden.
Im Übrigen ist der verbleibende Vorwurf, wenn allenfalls nur der, dass der eingesetzte Arbeiter S für die Lehrlingsausbildung nicht ausdrücklich unterwiesen wurde. Dieses Fehlverhalten ist aber derartig gering, dass allenfalls über das Institut des rechtmäßigen Alternativverhaltens auch ein Freispruch nach § 259 Z 3 StPO vertretbar wäre."

 
Bezogen auf den diesem Tribunalverfahren zugrunde liegenden Vorfall ist festzustellen, dass das gegen den Berufungswerber wegen des nämlichen Geschehens geführte Justizstrafverfahren unter Verfügung einer diversionellen Maßnahme iS. des Hauptstückes IXa der StPO vom erkennenden Gericht (§ 90l Abs.2 erster Satz StPO) eingestellt worden war. Obwohl in Kenntnis dieses Vorganges, sah sich die belangte Behörde nicht veranlasst, das bei ihr in dieser Sache anhängige Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick auf die stattgehabte strafgerichtliche Verfolgung des Beschuldigten einzustellen, sondern fällte das nun angefochtene Straferkenntnis vom 7. Dezember 2004.
 
Im Berufungsfall ist jedoch das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art.4 7. ZP EMRK schlagend. Diese Bestimmung verbietet bei Idealkonkurrenzen nicht nur die mehrfache Bestrafung, sondern auch die mehrfache Strafverfolgung. Sie gilt auch für das österreichische Verwaltungsstrafrecht. Und zwar so, wie dies durch die Judikatur des VfGH klargestellt wurde: Jemand, der wegen einer strafbaren Handlung bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde, darf in einem Strafverfahren des selben Staates nicht erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.
 
Vor diesem Hintergrund hat der VfGH (vgl. Erk. VfSlg. 15.293/1998) die Wirkung des Art.4 7. ZP EMRK für die (scheinkonkurrierende) Konstellation des § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm § 88 Abs.1 StGB klargestellt. Danach erschöpft das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 StGB in aller Regel den Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung nach § 130 Abs.5 Z1 ASchG vollständig.
Dass im Berufungsfall kein Regelfall vorläge, dahin nämlich, dass - mit Blick auf die beiderseitigen Strafdrohungen - nicht schon das gerichtliche Strafverfahren den wesentlichen Gesichtspunkt des Verwaltungsstrafbestandes vollständig abgedeckt, ist nicht hervorgekommen.
 
Das bezogene Justizstrafverfahren - den selben Beschuldigten / die selben Tatumstände (und den selben dadurch verletzten Arbeitnehmer) betreffend - endete vorläufig mit diversioneller Verfügung gemäß § 90f Abs.1 StPO mit Anordnung einer zweijährigen Probezeit (=Höchstmaß).
Die strafrichterliche Verfügung war zu treffen, weil in diesem Fall gemäß § 90b StPO (iV. mit §§ 90a und 90l StPO) festgestanden war, dass auf Grund des Ermittlungsstandes ein - tatseitig und schuldseitig - ausreichender Tatverdacht vorlag, der zur Erhebung der Anklage und Hauptverhandlung geführt hatte (wobei ein Zurücklegen der Anzeige nach § 90 StPO gerade nicht in Betracht gekommen und auch § 42 StGB ["Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat"] nicht anzunehmen gewesen ist).
 
Der Weiterführung des verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens in dieser Sache steht somit, weil die Tat schon durch eine vom zuständigen Organ der Strafjustiz nach Durchführung des hiefür vorgesehenen strafprozessrechtlichen Verfahrens verfügte rk. diversionelle Maßnahme im Sinne der Strafprozessnovelle 1999, BGBl I Nr. 55, geahndet wurde (und nach friktionsfreiem Verlauf der Probezeit als dann vollständig gesühnt zu erachten ist), das Verbot der neuerlichen Strafverfolgung bzw. "Verurteilung" entgegen, weshalb im Berufungsfall die Einstellung zu verfügen war (ohne dass andere Einstellungsgründe geprüft werden mussten; vgl. VwGH 20.5. 1994, 93/02/0110).
 
Bei diesem, den Berufungswerber auch aus der Kostenpflicht befreienden Verfahrensergebnis konnte auf sich beruhen bleiben, dass im angefochtenen Straferkenntnis (ebenso in der ersten Verfolgungshandlung) das inkriminierte Verhalten weder der Gesellschaft noch dem Berufungswerber in eindeutiger Weise als Arbeitgeber vorgeworfen wurde (welche Stellung jedoch ein wesentliches Merkmal des hier herangezogenen Straftatbestandes nach § 130 Abs.5 Z1 ASchG verkörpert).
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

 

Mag. Gallnbrunner

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