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VwSen-280813/16/Kl/Pe

Linz, 26.04.2005

 

 

 VwSen-280813/16/Kl/Pe Linz, am 26. April 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des J P, vertreten durch Anwaltssocietät S D S & Partner, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 26.1.2005, Ge96-178-8-2004-Brod, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21.4.2005 zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Schuld keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in sämtlichen Fakten mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Rechtsvorschrift im Sinn des § 44a Z2 VStG zu Faktum 1 um den Ausdruck "§ 8 Abs.1 Z2 BauV" zu ergänzen ist und bei sämtlichen Fakten § 118 ASchG mit "Abs.3" zu zitieren ist.

Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung zu Faktum 1 dahingehend Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 600 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden herabgesetzt wird. Zu den Fakten 2 und 3 wird die festgesetzte Strafe bestätigt. Die zitierte Strafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG hat zu allen drei Fakten "§ 130 Abs.5 Einleitungssatz ASchG" zu lauten.

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich zum Faktum 1 auf 60 Euro und ist daher ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 120 Euro zu leisten, zum Berufungsverfahren entfällt hinsichtlich Faktum 1 ein Verfahrenskostenbeitrag; zu den Fakten 2 und 3 ist ein Kostenbeitrag von 120 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafen, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 26.1.2005, Ge96-178-8-2004-Brod, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 1.000 Euro bzw. 300 Euro (in drei Fällen), Ersatzfreiheitsstrafen von 50 bzw. 15 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ASchG bzw. der BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma H P Gesellschaft mbH., und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ und sohin strafrechtlich Verantwortlicher zu vertreten hat, dass im Zuge einer Unfallerhebung am 26.7.2004 auf der Baustelle in, von einem Organ des Arbeitsinspektorates Folgendes festgestellt wurde:

Ein Arbeitnehmer der obgenannten Firma, Herr R A, geb. am, war um ca. 12.00 Uhr im Stiegenhaus vom Erdgeschoss in das 1. Obergeschoss auf einem Gerüst mit Verputzarbeiten beschäftigt, wobei das Gerüst folgende Mängel aufwies:

  1. Die Gerüstlage des Gerüstes war trotz einer möglichen Absturzhöhe von ca. 1,80 m - 2,90 m mit keinen Wehren (Brust-, Mittel-, Fußwehr) gemäß § 8 BauV versehen. Die unterschiedliche Absturzhöhe ergibt sich aus der Neigung des Stiegenhauses.
  2. Als Gerüstbelag wurde eine 50 cm breite und etwa 2,0 m lange Schaltafel verwendet, obwohl eine Schaltafel keine verleimte Belagsplatte darstellt.
  3. Das Gerüst wurde benützt, obwohl die Prüfungen gemäß § 61 und 2 BauV nicht durchgeführt worden sind.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unrichtiger Beweiswürdigung und Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bekämpft. Begründend wurde ausgeführt, dass der Arbeitnehmer R A trotz gegenteiliger ausdrücklicher Anweisung das Gerüst vom Lagerplatz des Unternehmens nicht mitgenommen hat. Dies wurde vom Lagerplatzarbeiter D wahrgenommen und hat dieser Mitteilung erstattet. Der Sohn des Berufungswerbers, welcher für die Baustelle verantwortlich war, hat mehrmals versucht, den Arbeitnehmer telefonisch zu erreichen, was nicht gelungen ist. Er war dann der Ansicht, dass das Gerüst an diesem Tag noch nicht benötigt werde. Der Arbeitnehmer hat ohne Wissen und völlig eigenverantwortlich ein provisorisches Gerüst errichtet, welches lediglich 1,5 m hoch war und zugegebenermaßen nicht den Vorschriften entsprochen habe. Der Arbeitnehmer hätte weder ein provisorisches Gerüst aufstellen dürfen noch vor Überprüfung durch eine fachkundige Person benützen dürfen. Es liege daher kein Verschulden des Berufungswerbers vor, insbesondere auch nicht Fahrlässigkeit, zumal ein zielführendes Maßnahmen- und Kontrollsystem im Unternehmen bestehe. Es hätte klare Aufträge des Sohnes des Berufungswerbers gegeben und wurden auch vom Lagerplatzarbeiter wie auch vom Sohn der Lagerplatz kontrolliert. Die zumutbare Prüf- und Kontrollpflicht könne nicht soweit gehen, dass jedem Arbeiter auf jeder Baustelle hinterhergefahren werde. Auch wurde die verhängte Strafe bekämpft. Insbesondere wurde die Unbescholtenheit nicht berücksichtigt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.4.2005, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter erschienen ist. Seitens der belangten Behörde ist kein Vertreter erschienen. Weiters hat das Arbeitsinspektorat Linz an der Verhandlung teilgenommen. Schließlich wurden die Zeugen AI DI A H, M P, L D und R A geladen und einvernommen.

 

4.1. Die glaubwürdigen und übereinstimmenden Aussagen der Zeugen haben erwiesen, dass der Berufungswerber die Betreuung der Baustelle in, nämlich ein Einfamilienhaus, seinem Sohn M P übertragen hat, welcher auch täglich die Baustelle kontrollierte und auch die erforderlichen Gerüste anordnete und überprüfte. Herr M P ist seit ca. fünf Jahren in der Firma als Baumeister tätig. Er ist selbstständig; Kontrollen seinerseits finden nicht statt; nur bei Vorkommnissen und Problemen wird Kontakt mit dem Berufungswerber gehalten.

Am Unfallstag besichtigte der Sohn die Baustelle nicht. Er gab aber am Vortag dem Arbeitnehmer R A, welcher schon einige Tage auf der Baustelle mit dem Aufbringen von Innenputz beschäftigt war, die Anordnung, für Innenputzarbeiten im Stiegenhaus ein Gerüst vom Lagerplatz des Unternehmens zu holen. Der Lagerplatzleiter hatte auch Anweisung, ein Gerüst, nämlich Rahmengerüst und Füße, auf dem Anhänger vorzubereiten, sodass der Arbeitnehmer A am Unfallstag in der Früh vom Lagerplatz den Anhänger mit dem Firmenfahrzeug zur Baustelle mitnehmen konnte. Der Arbeitnehmer hat jedoch zunächst noch andere Innenputzarbeiten durchgeführt und beendet, sodass er am Morgen das Gerüst nicht auf die Baustelle mitnahm. Als er dann zu den Arbeiten im Stiegenhaus kam, überlegte er, ob er das Gerüst vom Lagerplatz holen sollte, was einen Zeitverlust von ein bis zwei Stunden bedeuten würde, und beschloss daraufhin dies nicht zu tun, sondern aus auf der Baustelle befindlichen Stützen und einer Schaltafel ein provisorisches Gerüst zu errichten und mit den Innenputzarbeiten im Stiegenhaus zu beginnen. Von diesem Gerüst stürzte er sodann gegen 12.00 Uhr mittags ab.

Aufgrund des Stiegenverlaufes betrug die Absturzhöhe zwischen 1,80 m und 2,90 m. Der Achsabstand der Auflager betrug ca. 1,80 m. Als provisorischer Gerüstbelag diente eine Schaltafel mit den Normaßen 50 cm Breite und 2 m Länge. Die Schaltafel ist nicht als Belagsplatte geeignet mangels der erforderlichen Festigkeit. Eine Schaltafel ist eine mehrschichtverleimte Holzplatte, die im Zuge des Gebrauches durch Feuchtigkeitseinwirkung Materialfestigkeitsprobleme bei der Verleimung aufweisen kann. Von der Herstellerfirma Doka wird daher auch keine Bestätigung zur Benutzung einer Schaltafel als Gerüstbelag gegeben. Ein kürzerer Abstand der Unterstützungen z.B. von 60 bis 80 cm Entfernung war nicht gegeben. Absturzsicherungen wie Wehren waren nicht vorhanden.

Der Arbeitnehmer kennt sich aus, welches Gerüst zu verwenden ist und wie ein Gerüst zusammengesetzt ist. Er ist ca. ein Jahr im genannten Betrieb beschäftigt und war schon auf mehreren Baustellen, auf welchen er im Laufe der Praxis die Kenntnisse erlangte. Das Gerüst bzw. die erforderlichen Gerüstteile waren auf dem Lagerplatz vorhanden und auf einem Anhänger zur Abholung bereitgestellt. Die Nichtabholung wurde auch vom Lagerleiter in der Früh festgestellt und dem die Baustelle betreuenden Sohn unverzüglich gemeldet. Dieser versuchte den Arbeitnehmer auf der Baustelle telefonisch zu erreichen, was ihm nicht gelang. Weitere Schritte wurden bis zum Unfall nicht gesetzt.

 

Ein verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Beauftragter des Unternehmens wurde nicht bestellt und dem Arbeitsinspektorat nicht mitgeteilt.

 

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der H P GmbH.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 7 Abs.2 Z4 BauV liegt Absturzgefahr vor an sonstigen Arbeitsstätten, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

 

Gemäß § 8 Abs.1 Z2 BauV sind geeignete Absturzsicherungen Wehren (Geländer) an den Absturzkanten, die aus Brust-, Mittel- und Fußwehren bestehen.

 

Gemäß § 8 Abs.2 BauV müssen Brust-, Mittel- und Fußwehren aus widerstandsfähigem Material hergestellt und so befestigt sein, dass sie nicht unbeabsichtigt gelöst werden können.

 

Gemäß § 58 Abs.3 erster Satz BauV müssen die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein.

 

Gemäß § 57 Abs.3 BauV dürfen andere Gerüstbeläge, wie verleimte Belagsplatten aus Holz, Belagsplatten aus Metall, Metallrahmen mit Holzbelag, verwendet werden, wenn sie insbesondere hinsichtlich der Tragfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Durchbiegung den Pfostenbelägen mindestens gleichwertig sind.

 

Gemäß § 61 Abs.1 und 2 BauV sind Gerüste nach ihrer Fertigstellung einer Überprüfung durch eine fachkundige Person des Gerüstaufstellers zu unterziehen. Gerüste sind vor ihrer erstmaligen Benützung von einer fachkundigen Person des Gerüstbenützers auf offensichtliche Mängel zu prüfen.

 

Gemäß § 62 Abs.1 und 2 BauV dürfen Gerüste erst benützt werden nach ihrer Fertigstellung, den Prüfungen gemäß § 61 Abs.1 bis 3 und Beseitigung der bei diesen Prüfungen festgestellten Mängel. Jedes Gerüst ist in gutem, gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten.

 

Aufgrund des festgestellten und erwiesenen Sachverhaltes ist erwiesen, dass der Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H P GmbH und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher die ihm im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht begangen hat. Es war zum Unfallszeitpunkt ein der BauV entsprechendes Gerüst nicht vorhanden, obwohl eine Absturzgefahr bestand. Auch waren die nach der BauV erforderlichen Prüfungen des Gerüstes durch eine fachkundige Person vor der erstmaligen Benützung nicht gegeben. Vielmehr wurde ein provisorisches der BauV nicht entsprechendes Gerüst vom Arbeitnehmer selbständig und ohne Wissen des Berufungswerbers aufgestellt und benützt, wobei er dann von diesem Gerüst abstürzte.

 

Die Verwaltungsübertretungen hat der Berufungswerber auch subjektiv zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt als Verschulden fahrlässiges Verhalten, wobei bei Ungehorsamsdelikten, zu welchen auch die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen zählen, Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Bei der Annahme einer grundsätzlichen Verantwortung des Arbeitgebers für die im Zusammenhang mit dem Betrieb stehenden Verwaltungsübertretungen darf nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht übersehen werden, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt; es muss ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Ob der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten lassen. Der dem Beschuldigten nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist.

Es genügt daher nicht, dass der Berufungswerber seinen Sohn als geeignete Person für die Betreuung der Baustelle einsetzt, sondern es wäre daher eine Kontrolle dieser Person und ein entsprechendes Kontrollsystem darzulegen und unter Beweis zu stellen. Der Berufungswerber hat aber weder in seiner Berufung noch im Berufungsverfahren Maßnahmen, die er gesetzt hat, um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewährleisten, und Kontrollen geltend gemacht und auch keine diesbezüglichen Beweise angeboten. Allein die Übertragung der ihm auferlegten gesetzlichen Verpflichtung an den Sohn genügt aber hingegen nicht. Auch der von ihm beauftragte Sohn hat zwar dargelegt, dass er das erforderliche Gerüst angeordnet und auch die Bereithaltung sichergestellt hat, dass er aber am Unfallstag eine Kontrolle der Baustelle nicht durchgeführt hat. Auch wurden weitere Maßnahmen gegenüber den Arbeitnehmern für den Fall, dass Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht eingehalten werden, nicht konkret benannt und unter Nachweis gestellt. Dies wäre aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich gewesen. Der VwGH führt dazu aus, dass es erforderlich ist, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen die an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende anordnungsbefugte Person vorgesehenen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Die bloße Erteilung von Weisungen ist keine ausreichende Kontrolle. Es genügt daher der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen des Kontrollsystems (VwGH vom26.7.2002, 2002/02/0037). Selbst wenn solche Verstöße von einem Dienstnehmer ohne Willen des Betriebsinhabers begangen werden, ist letzterer strafbar, wenn er nicht den Nachweis zu erbringen vermag, dass von ihm solche Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen (VwGH vom 31.3.2000, 96/02/0052). Es ist daher im Sinne dieser Judikatur das Arbeitsinspektorat mit dem Hinweis im Recht, dass weder eine Kontrolle des Berufungswerbers gegenüber seinem beauftragten Sohn noch eine ausreichende Kontrolle des Sohnes gegenüber dem Arbeitnehmer nachgewiesen und stattgefunden hat. Insbesondere war auch als Verschulden anzulasten, dass trotz Kenntnis von der Nichtabholung des Gerüstes weitere Schritte an der Baustelle konkret nicht durchgeführt wurden. Es war daher auch trotz des eigenwilligen und selbständigen Agierens des Arbeitnehmers ein Verschulden des Arbeitgebers gegeben.

 

5.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde legte der Strafbemessung ein geschätztes monatliches Nettoeinkommen von 2.000 Euro, kein Vermögen und keine Sorgepflichten zugrunde. In der Berufung führt der Berufungswerber aus, dass er 1.500 Euro netto monatlich verdient und unbescholten ist.

 

Die belangte Behörde geht beim Unrechtsgehalt der Tat zu Recht von der Verletzung des Schutzzweckes der Norm bei den Verwaltungsübertretungen aus, zumal das Leben und die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Verwaltungsübertretungen gefährdet wurde und auch konkret beeinträchtigt wurde, zumal auch nachteilige Folgen, nämlich Körperverletzungen infolge eines Arbeitsunfalles aufgetreten sind. Mangels eines lückenlosen Kontrollsystems war auch vom Verschulden des Berufungswerbers auszugehen und dieses Verschulden als nicht geringfügig anzusehen. Es war daher die erforderliche Voraussetzung gemäß § 21 VStG nicht gegeben. Hingegen musste aber zugunsten des Berufungswerbers gewertet werden, dass der Sohn des Berufungswerbers ein verlässlicher und geschulter Mitarbeiter ist und der Sohn auch konkret Anweisungen und Vorsorge für ein entsprechendes Gerüst getroffen hat. Daraus ist ersichtlich, dass der Berufungswerber zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen gewillt war. In diesem Zusammenhang war als mildernd zu werten, dass gegen den Berufungswerber auch noch keinerlei einschlägige Vorstrafen wegen Übertretung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen vorliegen. Wenngleich auch die von ihm geltend gemachte Unbescholtenheit nicht vorliegt, weil eine rechtskräftige Bestrafung nach dem AuslBG vorliegt, so war doch auch kein Erschwerungsgrund im Sinn einer rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafe gegeben. Es war daher von einer erstmaligen Tatbegehung auszugehen, wobei insbesondere zu berücksichtigen war, dass der Arbeitnehmer erwiesenermaßen angehalten war, sich ein dem Gesetz entsprechendes Gerüst vom Unternehmen zu holen und dieses Gerüst auch schon bereitgestanden ist. Sowohl der Sohn als auch der verunfallte Arbeitnehmer sind verlässliche geschulte Kräfte.

Weiters ist von einem monatlichen Einkommen von 1.500 Euro auszugehen. In Wertung dieser Gründe ist es daher gerechtfertigt, dass die Strafe zum Faktum 1 auf das nunmehr festgesetzte Ausmaß herabgesetzt wird. Dieses festgesetzte Ausmaß entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und ist auch den persönlichen Verhältnissen angepasst. Die nunmehr verhängte Geldstrafe ist auch im Hinblick auf das gesetzlich festgelegte Mindestmaß und auf die gesetzlich festgelegte Höchststrafe angemessen. Eine weitere Herabsetzung der Strafe zum Faktum 1 und der weiteren verhängten Geldstrafen ist nicht gerechtfertigt, weil es zu nachteiligen Folgen der Verwaltungsübertretung gekommen ist. Dies ist maßgeblich dafür, dass die Verhängung einer Mindeststrafe nicht gerechtfertigt ist. Entsprechend war daher die Ersatzfreiheitsstrafe zum Faktum 1 herabzusetzen, die übrigen Strafen waren zu bestätigen.

 

6. Weil die Berufung zum Faktum 2 und 3 keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Strafen festzusetzen. Hinsichtlich des Faktum 1 hatte die Berufung teilweise Erfolg, sodass ein Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG entfällt. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz war entsprechend gemäß § 64 VStG herabzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. Klempt
 
 
Beschlagwortung:
Kontrollsystem, Verschulden, Reue

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