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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280823/27/Kl/Pe

Linz, 21.03.2006

 

 

 

VwSen-280823/27/Kl/Pe Linz, am 21. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des DI Dr. W L, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. H & P, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 22.3.2005, Gz.: 0062967/2004, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 10.8.2005 und 23.9.2005 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird hinsichtlich der Schuld bestätigt, hinsichtlich des Strafausspruches wird der Berufung Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und von der Verhängung einer Strafe abgesehen.

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz wird aufgehoben, zum Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19, 21 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 22.3.2005, Gz.: 0062967/2004, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 250 Euro (in zwei Fällen) und Ersatzfreiheitsstrafen von je fünf Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen je nach §§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ASchG iVm § 7 Abs.1 und 7 Abs.2 Z4 BauV verhängt, weil er als für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften bestellter verantwortlicher Beauftragter der V-A Stahl L GmbH (Dienstort; räumlicher und sachlicher Zuständigkeitsbereich: Kraftwerk; Feuerfesttechnik; Elektrotechnisches Zentrum; Mechanischtechnisches Zentrum; Tiegelgasreinigungs- und Wasseraufbereitungsanlage für das Stahlwerk LD3; Gasometer, Dampf-Versorgungsnetze außerhalb von Gebäuden; Medienversorgungsanlagen im Bereich Heizzentrale; Rohrleitungswerkstätten im Bereich Hochofen und Heizzentrale) zu vertreten hat:

Am 18.10.2004 waren auf der von der V-A S L GmbH mit dem Sitz in betriebenen Baustelle "V, Hochofen A, Winderhitzer 1" in Linz folgende Arbeitnehmer der o.a. Firma auf einer ca. 3,5 m hohen Holzbühne (Fläche ca. 2 m x 2 m) mit Schweißarbeiten an der Winderhitzeranlage 1 beschäftigt, ohne dass trotz einer Absturzhöhe von über 2 m von diesem Standplatz geeignete Absturzsicherungen wie Brust-, Mittel- und Fußwehren auf der Innen- als auch der Außenseite der erhöhten Standfläche, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht waren:

  1. R N
  2. M L.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und diese mit Verfahrensmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung begründet. Schon im Zuge des Verfahrens erster Instanz wurde ein ausgereiftes Kontrollsystem zur Rechtfertigung dargelegt und diesbezüglich die Einvernahme von Herrn Ing. A H angeboten, welcher Beweis von der Erstbehörde nicht aufgenommen wurde. Dieser Zeuge hätte darlegen können, in welcher Weise generell und im konkreten das Kontrollsystem funktioniert und in welcher Weise der Einschreiter in dieses eingebunden ist. Weiters wird die zeugenschaftliche Einvernahme von Frau Dr. E M, Betriebsjuristin, beantragt. Diese ist in enger Zusammenarbeit mit dem Berufungswerber betraut, das dargestellte Kontrollsystem zu evaluieren und der Rechtsentwicklung entsprechend laufend anzupassen. Die Überwachung der Einhaltung der unterwiesenen Vorschriften geschah auch durch zwei bestellte Baukoordinatoren und die Sicherheitsfachkraft. Den Baustellenkoordinatoren obliegt auch die Pflicht, den Bauherrn zu informieren, wenn auf der Baustelle Gefahren für Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmer festgestellt werden. Ein diesbezügliches Strafverfahren wurde nicht eingeleitet. Auch hat das Arbeitsinspektorat in mehreren Baustellenbegehungen die vorbildhafte Führung der Baustelle Hochofen 4 bezogen auf den präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz lobend erwähnt. Es ist das BauKG als Sondergesetz zur Einhaltung und Gewährleistung der Sicherheitsstandards gemäß dem ASchG gedacht. Das BauKG ist insofern auch eine leg. specialis zu § 9 VStG. Auch wurde dem Berufungswerber nicht ausreichend Gelegenheit gegeben, seine Funktion im Zuge des Kontrollsystems aufzuklären. Das Kontrollsystem könnte in allen Details in der mündlichen Verhandlung dargelegt werden, sodass ein allfälliges Verschulden des Einschreiters denkbar gering sei, sodass die Anwendung des § 21 VStG geradezu geboten ist. Evidentermaßen ist die Übertretung ohne Folgen geblieben. Mit Nachdruck wird darauf verwiesen, dass beide Mitarbeiter nachweislich in einem eigenen Kurs jeweils am 5.7.2004 in Belangen des Arbeitnehmerschutzes unterwiesen wurden, insbesondere wurden im Modul 6 (Arbeiten auf Gerüsten und Arbeitsbühnen - Absturzgefahr) die verfahrensgegenständlichen Pflichten nachweislich zur Kenntnis gebracht. Die Verpflichtung zur Beaufsichtigung und Überprüfung des eingerichteten Kontrollsystems übt der Berufungswerber, in wöchentlich stattfindenden Hauptprozessleiterbesprechungen über die aktuelle Situation betreffend Arbeitssicherheit, in monatlichen Sicherheits-Meisterrunden und in vierteljährlichen Arbeitsschutzausschusssitzungen aus. Der Berufungswerber ist in das Kontrollsystem aktiv eingebunden und übt seine Überwachungsfunktion ausreichend aus. Der Berufungswerber ist für einen Bereich mit ca. 600 Mitarbeitern verantwortlich.

 

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.8. und 23.9.2005. Zur mündlichen Verhandlung wurde der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter, die belangte Behörde und das zuständige Arbeitsinspektorat Linz geladen und haben diese mit Ausnahme des Berufungswerbers teilgenommen. Weiters wurden die Zeugen AI Ing. P D, Ing. A H, Dr. E M, und Roland N, geladen und einvernommen. Der weitere Arbeitnehmer M L, konnte mangels einer Zustelladresse nicht geladen und einvernommen werden.

 

Es wird daher folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

 

Am 18.10.2004 waren die Arbeitnehmer R N und M L auf der Baustelle in, Hochofen A, Winderhitzer 1, der V-A S L GmbH auf einer ca. 3,5 m hohen Holzbühne mit einer Fläche ca. 2 m x 2 m mit Schweißarbeiten an der Winderhitzeranlage 1 beschäftigt, ohne dass geeignete Absturzsicherungen des Standplatzes wie Brust-, Mittel- und Fußwehren auf der Innen- und auf der Außenseite angebracht waren. Der Beschuldigte ist mit Urkunde vom 30.5. bzw. 5.6.2001 zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG für den Bereich technischer Service bestellt, der folgende Betriebsanlagen samt zugehörigen Bauten und Einrichtungen erfasst: Kraftwerk; Feuerfesttechnik; Elektrotechnisches Zentrum; Mechanischtechnisches Zentrum; Tiegelgasreinigungs- und Wasseraufbereitungsanlage für das Stahlwerk LD3; Gasometer, Dampf-Versorgungsnetze außerhalb von Gebäuden; Medienversorgungsanlagen im Bereich Heizzentrale; Rohrleitungswerkstätten im Bereich Hochofen und Heizzentrale. Die Bestellurkunde ist beim Arbeitsinspektorat am 20.6.2001 eingelangt.

 

Dies ergibt sich einerseits aus der Aussage des Zeugen AI Ing. P D vom als auch aus der Aussage des Zeugen R N, der auf der Baustelle als Arbeitnehmer angetroffen wurde. Der Arbeitnehmer ist bei B4M, also technischer Service, zentraler Teil der mechanischen Instandhaltung, als Instandhalter für Schlosserarbeiten beschäftigt und hat zum Zeitpunkt der Kontrolle Schweißarbeiten auf der Holzbühne durchgeführt. Das Gerüst wurde von Zimmerleuten und zwar von firmeneigenen Leuten aufgestellt. Zur Arbeit konkret ist er erst kurz vor der Kontrolle gegangen und dauerte die Arbeit auch nur einen Tag. Das Gerüst wurde so vorgefunden und benützt. Erst im Nachhinein hat der Arbeitnehmer gesehen, dass eine Latte heruntergehängt ist. Das Gerüst wurde von mehreren Firmen benutzt und es nimmt der Arbeitnehmer an, dass es anderen Firmen im Weg war und diese daher an dem Gerüst manipuliert haben. Der Arbeitnehmer bestätigt auch Unterweisungen bekommen zu haben, wie ein Gerüst auszusehen hat, nämlich dass es drei Wehren haben muss. Die Unterweisung fand mit Videos statt und mussten dann auch Fragen beantwortet werden und erst daraufhin wurde ein Ausweis, also ein Lichtbild auf dem Helm ausgefolgt. Das konkrete Gerüst sah nicht wirklich gefährlich aus, zumal es eine Querverstrebung aufwies und daher die Stabilität gegeben war. Auch war die Standfläche sehr groß. Im Übrigen war diese Bühne zwischen Stahlrohrgerüsten eingeschoben und kein Zwischenraum vorhanden bis zum Winderhitzer. Ein Freiraum war nur nach außen, wo die Querverstrebung vorhanden war. Bei der Kontrolle wurden die Arbeitnehmer heruntergerufen und musste das Gerüst von Zimmerleuten vervollständigt werden und durfte dann erst wieder weitergearbeitet werden. Für die Baustelle gibt es einen eigenen Gerüsttrupp und konnte für die Vervollständigung bzw. bei Vorkommnissen dieser Trupp geholt werden. Dieser ist dauernd an der Baustelle anwesend und tätig und hat nach den Gerüsten gesehen. Auch haben Kontrollen, nämlich durch zwei oder drei Leute ständig an der Baustelle stattgefunden und haben diese auch die Leute angesprochen auf die Sicherheitsausrüstung. Diese wurden täglich oder alle zweiten Tag gesehen. Auch wurden hinsichtlich Sicherheitsbestimmungen und Belehrungen eine Sicherheitsviertelstunde monatlich vom Meister durchgeführt und sind alle Arbeitnehmer anwesend. Dort werden auch die Pflichten zur Verwendung von Sicherheitsgurt, Schutzbrille usw. immer wieder eingemahnt und daran erinnert. Auch Vorkommnisse und Beinaheunfälle werden dort besprochen und was zu vermeiden wäre. Es werden konkrete Maßnahmen besprochen.

Auch vom Arbeitsinspektor wurde anlässlich der Kontrolle festgestellt, dass im übrigen Bereich Stahlrohrgerüste vorhanden waren und der konkrete Arbeitsplatz in der Mitte war, wobei für diese Tätigkeiten eine Art Provisorium errichtet wurde, welches frei von der Gerüstung war. Die Standfläche war ca. 2 m x 2 m groß, also relativ groß und befand sich in einer Höhe von ca. 3,5 m. Bei der Kontrolle waren auch Personen von sicherheitstechnischer Seite und von Seite der Bauleitung dabei. Nachweise über eine Abnahme des Gerüstes konnten nicht vorgewiesen werden, sodass es zur Anzeige kam. Auch wurde bestätigt, dass bei der Kontrolle mehrere Personen aus dem sicherheitstechnischen Bereich und Bauleiterbereich mitgegangen sind und dies grundsätzlich als kompetent angesehen werden kann. Einen Abnahmebefund oder eine entsprechende Tafel gab es bei den Gerüstteilen neben der Kontrollstelle, an der kontrollierten Stelle war solch ein Befund nicht vorhanden.

 

Im Hinblick auf das Kontrollsystem wurden die beantragten Zeugen Ing. Xx und Dr. M einvernommen. Der Zeuge Ing. Xx ist im integrierten Management tätig als Leiter mit acht Mitarbeitern zuständig für die Arbeitssicherheit. Seit 1995 wurde ein Sicherheitsmanagement aufgebaut und finden Sicherheitsaudits statt. Jede Führungskraft vom Vorstand bis in die unteren Ebenen hat mindestens einmal im Monat mit den Mitarbeitern ein Sicherheitsaudit durchzuführen und schriftlich zu dokumentieren. Es werden Arbeitsabläufe beobachtet und besprochen und Mängel und daraus resultierende Maßnahmen besprochen und getroffen. Es finden pro Jahr ca. 3.500 Sicherheitsaudits statt. Die konkrete Baustelle Hochofen A war eine Großbaustelle mit besonderen Anforderungen und sicherheitstechnisch waren spezielle Leistungen zu erbringen. Die Abteilung Arbeitssicherheit war konkret in der Planungsphase der Baustelle wie auch bei der Erstellung des Sigeplans und sodann bei der Kontrolltätigkeit eingebunden. Der Zeuge war zunächst Planungskoordinator und dann Baustellenkoordinator für den Hochofen A. Zusätzlich wurde eine Sicherheitsfachkraft aufgenommen. Bei den täglichen Baustellenbesprechungen am Morgen fließen entsprechende Erfahrungen und Vorschläge ein.

Das Sicherheitssystem in der Hierarchie findet durch Besprechungen des Vorstandes mit den Bereichsleitern statt, wo generelle Zielvorgaben gemacht werden. In den vierteljährlichen Arbeitsausschusssitzungen werden die Zielvorgaben mit den Hauptprozessleitern besprochen, welche monatlich mit den Meistern in der Meisterrunde Besprechungen durchführen, die Vorgaben besprechen und umsetzen. Die Umsetzung wird von den Meistern in der monatlich stattfindenden Sicherheitsviertelstunde mit den Mitarbeitern besprochen. In umgekehrter Richtung können Wünsche und Vorschläge auch von Seiten der Mitarbeiter oder Meister auf dem geschilderten Wege nach oben transportiert werden. Auch die Ergebnisse der Sicherheitsaudits werden auf dieser Kommunikationsschiene nach oben transportiert. Dies betrifft den präventiven Arbeitnehmerschutz. Ist ein Ereignis eingetreten, so wird eine Ereignisanalyse durchgeführt und dokumentiert und daraus Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet und diese wieder kontrolliert. Auch bei Beinaheunfällen werden Ereignisanalysen durchgeführt. Auch auf Vorstandsebene findet ein Sicherheitsaudit statt und wird dort die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen in den Bescheidauflagen besprochen und kontrolliert und auch besprochen wie das Sicherheitssystem funktioniert. Auch finden punktuell stichprobenartige Begehungen zur Kontrolle und Umsetzung statt. An der Baustelle Hochofen A werden tägliche Kontrollen der zwei Baustellenkoordinatoren und einer Sicherheitsfachkraft durchgeführt und können diese bei Gefahr in Verzug direkt einschreiten bzw. die Baueinstellung verfügen oder aber sich zur Verbesserung an den Zuständigen der Firma wenden. Auch wurde bestätigt, dass alle Mitarbeiter auf dieser Baustelle zuerst eine auf Video und EDV systematisierte Unterweisung, jeder Mitarbeiter in seiner Sprache, bekommen haben, Verständnisfragen dazu zu beantworten hatten und erst dann einen Ausweis bekamen und zur Baustelle zugelassen wurden. Jeder Mitarbeiter hatte sohin Grundkenntnisse über Sicherheitsvorschriften, auch über den Gerüstebau. Auch gab es einen Gerüstetrupp, der auf Anforderung oder selbständig die Gerüste kontrollierte und vervollständigte. Bei der benannten Baustelle handelt es sich um eine Großbaustelle, auf der ca. 5.000 Mitarbeiter beschäftigt waren. Die Baukoordinatoren kontrollierten täglich und flossen die Ergebnisse bei den Morgenbesprechungen zur Baustelle ein und wurden konkrete Umsetzungsmaßnahmen mit den Firmenverantwortlichen, also den Bauleitern, besprochen und von ihnen eingefordert. Halten sich Arbeitnehmer nicht an die Bestimmungen werden sie nicht mehr zur Baustelle zugelassen. Auch werden die Firmen protokollarisch festgehalten und wird dies bei weiteren Auftragsvergaben berücksichtigt.

Diese Aussagen werden auch von der Zeugin Dr. M bestätigt, welche im Rechtsbüro für sämtliche Behördenverfahren zuständig ist. Diese verweist auf die ISO-Zertifizierung der V-A S L GmbH. Zur Einbindung des Berufungswerbers in das Sicherheitsmanagement führt sie aus, dass dem Vorstand vier Bereichsleiter unterstehen, wobei der Berufungswerber Bereichsleiter für den Bereich technischer Service ist. Ihm unterstehen verschiedene Betriebe, darunter auch der Betrieb B4M, mechanische Instandhaltung, dem die gegenständlich genannten Arbeitnehmer angehören. Dieser Bereich bekam den Auftrag an der Baustelle mitzuarbeiten. Für jeden Bereichsleiter wurde ein Aufgabenkatalog erstellt, der die Aufgaben und den Verantwortungsbereich festlegt, worunter auch die Verantwortung für das Sicherheitssystem und den Arbeitnehmerschutz fällt. Ihm zur Seite ist für die Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbeauftragte gestellt und wird mit diesem das Sicherheitsmanagementsystem erarbeitet. Die konkreten Verfahrensanweisungen sind Bedingung für die jährlichen Zertifizierungen und Audits. Auch das Management ist diesen Verfahrensanordnungen unterworfen. Ergebnisse und Vorkommnisse werden weitergegeben und entsprechende Vorsorgemaßnahmen und Umsetzungsmaßnahmen getroffen. Auch finden Evaluierungen der Unfälle und Beinaheunfälle statt und werden Unfallursachen erhoben. Die Auswertung wird mit den Mitarbeitern in den Meisterrunden besprochen. Die Sicherheitsaudits werden von externen Unternehmen durchgeführt und gibt es dort Haltepunkte, Verbesserungspunkte und Ausschlusspunkte. Bei Ausschlusspunkten muss damit gerechnet werden, dass das Audit nicht positiv abgeschlossen werden kann. Auch auf unterer Ebene haben die Arbeitnehmer die konkreten Anweisungen der Vorgesetzten einzuhalten und umzusetzen und haben diese damit zu rechnen, dass bei Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften und Anordnungen sie von der Baustelle abgezogen werden bzw. nicht mehr eingesetzt werden. Dies hätte unter Umständen in weiterer Folge auch arbeitsrechtliche Konsequenzen. Schließlich wurde noch ausgeführt, dass es für das Sicherheitssystem eine eigens geschaffene Abteilung BIM Management Sicherheitssysteme gibt, und in den einzelnen Betrieben Qualitätssicherheits- und Umweltschutzmanagementbeauftragte eingesetzt werden. Weiters wurde eine eigene Datenbank errichtet, in welcher alle Bescheide und Bestimmungen eingetragen sind und welche in den einzelnen Betrieben abrufbar sind. Es werden konkrete Aufgaben gestellt und Fristsetzungen vorgenommen.

 

Die Zeugen machten alle einen glaubhaften Eindruck und ihre Aussagen waren widerspruchsfrei. Es konnten daher diese Angaben sowohl hinsichtlich des Tatherganges als auch hinsichtlich des Kontrollsystems der Entscheidung zugrundegelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG, BGBl. Nr.450/1994 idF BGBl. I Nr. 159/2001, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 7 Abs.1 BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

 

Gemäß § 7 Abs.2 Z4 BauV liegt Absturzgefahr vor an sonstigen Arbeitsstätten, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

 

Gemäß § 8 Abs.1 Z2 BauV sind geeignete Absturzsicherungen Umwehrungen (Geländer) an den Absturzkanten, die aus Brust-, Mittel- und Fußwehren bestehen.

 

5.1. Aufgrund des festgestellten, nicht bestrittenen und auch in der mündlichen Verhandlung erwiesenen Sachverhaltes wurden die entsprechenden Bestimmungen nicht eingehalten, zumal trotz einer Absturzhöhe von 3,5 m keine entsprechenden Absturzsicherungen wie Umwehrungen vorhanden waren. Es wurde der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung einwandfrei erfüllt.

Auch hatte der Berufungswerber als erwiesener verantwortlicher Beauftragter die Tat verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

Hinsichtlich der Schuld wird vom Berufungswerber mangelndes Verschulden geltend gemacht und verweist dieser insbesondere auf das von ihm dargelegte Kontrollsystem.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt grundsätzlich, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten und ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der dazu ergangenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen des ASchG sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es ist zwar darauf Bedacht zu nehmen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Der Unternehmer ist dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177 sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (vgl. VwGH vom 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der vom verunfallten Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem, Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war." Ebenso entschied der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23.7.2004, 2004/02/0002, in welchem er auch aussprach, dass das Kontrollsystem auch in Fällen "kurzfristiger" Arbeiten funktionieren muss. Gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmer gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften hat das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen.

 

Es ist daher die belangte Behörde mit ihren Begründungsausführungen im angefochtenen Straferkenntnis im Hinblick auf das Verschulden im Recht und werden die entsprechenden Ausführungen und Zitate der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt. Es ist zwar dem Berufungswerber zuzugestehen, dass ein umfangreiches und gut durchdachtes Sicherheitssystem aufgebaut wurde und dieses auch erkennen lässt, dass im Regelfall die Sicherheitsmaßnahmen und die entsprechende Kontrolle funktionieren. Dies wird anhand der dargelegten Statistiken untermauert. Allerdings hat der gegenständliche Vorfall gezeigt, dass trotz der grundsätzlich stattgefundenen Unterweisungen der konkreten Arbeitnehmer und trotz der vorgesehenen Besprechungen in den Arbeitsausschusssitzungen, Meisterrunden, Hauptprozessleiterbesprechungen und Sicherheitsviertelstunden sowie Sicherheitsaudits und auch trotz der grundsätzlich stattfindenden Kontrollen durch die Baustellenkoordinatoren und die Sicherheitsfachkraft eigenmächtige Handlungen von Arbeitnehmern möglich sind und stattfinden können. Obwohl nämlich grundsätzlich ein Gerüstetrupp vorhanden ist und dies auch den eingesetzten Arbeitskräften bekannt war und die eingesetzten Arbeitnehmer selbst im Gerüstebau Unterweisungen erhalten haben, wurde eine Holzbühne ohne die den Bestimmungen entsprechenden Absturzsicherungen errichtet, ohne nähere Kontrolle die Arbeitnehmer auf jenem Teil der Baustelle zu Arbeiten herangezogen und haben auch die Arbeitnehmer selbst den Standplatz auf seine vorschriftsmäßige Absicherung nicht überprüft und tatsächlich verwendet. Auch hat - wie das Beweisverfahren ergeben hat - eine Abnahme dieses Teils der Holzbühne auch sonst nicht stattgefunden. Es wurden daher keine Maßnahmen getroffen, die eine Überprüfung der Holzbühne und daher des Gerüstes sicherstellten und auch keine Maßnahmen getroffen, die gewährleisten, dass ohne Überprüfung und Abnahme die Holzbühne nicht betreten wird und für Arbeiten nicht benützt wird. Es ist daher in diesem Sinne eine Lücke im Kontrollsystem bzw. in den aufgezeigten Maßnahmen zu erblicken. Genau hier soll nämlich das Kontrollsystem bzw. die Arbeitgebermaßnahme greifen, dass Arbeitnehmer nicht ohne Wissen und Willen des Arbeitgebers Handlungen setzen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Es war daher grundsätzlich vom Verschulden auszugehen.

Allerdings war im Hinblick auf den gesamten Verlauf dem Beschuldigten zuzugestehen, dass einerseits keine nachteiligen Folgen eingetreten sind und andererseits der einvernommene Arbeitnehmer sowie auch der einvernommene Arbeitsinspektor, welcher die Anzeige vorgenommen hat, glaubwürdig darlegten, dass es sich um eine sehr große Standfläche handelte und die Gefährlichkeit auch aus Sicht des Arbeitnehmers nicht so einzuschätzen war bzw. auch nur geringfügig gegeben war, zumal die Arbeitsfläche sehr groß war und nur im Bereich zum Winderhitzer gearbeitet wurde, nicht hingegen auf der ungeschützten Außenseite. Wenngleich auch die entsprechenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen objektiv gesehen verletzt wurden und Maßnahmen des Arbeitgebers für diesen Fall nicht vorgefunden wurden, so war doch das Gefährdungspotenzial nicht in jenem Ausmaß gegeben, wie es in der Regel durch die gegenständliche Bestimmung hintangehalten werden soll und dem Schutzzweck der Bestimmung entspricht. Weiters war zu berücksichtigen, dass alle benachbarten Gerüstteile einer Abnahme zugeführt wurden und den Bestimmungen entsprachen. Auch wurde der Aufforderung des Kontrollorgans sofort nachgekommen und das Gerüst vervollständigt und dann erst mit den Arbeiten fortgesetzt. Schließlich musste auch das detaillierte Sicherheitssystem berücksichtigt werden. In Anbetracht dieser Umstände war festzustellen, dass das konkrete tatbildmäßige Verhalten weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt. Es war daher von nur geringfügigem Verschulden auszugehen. Da keine nachteiligen Folgen entstanden sind, waren die Voraussetzungen gemäß § 21 Abs.1 VStG erfüllt und war daher von der Verhängung einer Strafe abzusehen (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S.1368ff mit Nachweisen).

 

Unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der Berufungswerber unbescholten ist und auch sonst die Darlegungen des Berufungswerbers glaubwürdig sind und auf das Bemühen gerichtet sind, sämtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten, war es nicht erforderlich, den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid zu ermahnen, weil aus dem gesamten Verhalten keine weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art zu erwarten sind. Es ist daher die Voraussetzung gemäß § 21 Abs.1 Satz 2 VStG nicht erfüllt, dass eine Ermahnung erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Es war daher im Grunde dieser rechtlichen Ausführungen die objektive und subjektive Tatseite erfüllt und war daher das Straferkenntnis zur Schuld zu bestätigen, allerdings konnte aufgrund der angeführten Umstände von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden.

 

6. Weil die Berufung teilweise Erfolg hatte, war gemäß § 65 VStG ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat nicht zu leisten. Im Grunde der Strafaufhebung entfällt auch der Beitrag zu den Verfahrenskosten erster Instanz (§ 64 VStG).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, geringfügiges Verschulden

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