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VwSen-280865/5/Kl/Rd/Pe

Linz, 09.11.2005

 

 

 

VwSen-280865/5/Kl/Rd/Pe Linz, am 9. November 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung des O O, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. H & P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 18.8.2005, Ge96-43-2004-Ew, wegen einer Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 160 Euro, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 18.8.2005, Ge96-43-2004-Ew, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 800 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.2 der BauV verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin E Gesellschaft mbH mit Sitz in, Geschäftsanschrift, zu vertreten hat, dass - wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz anlässlich einer Besichtigung der Reihenhausanlage "N H" in, am 23.2.2004 festgestellt wurde - drei Arbeitnehmer der oa Gesellschaft beim Objekt in, Reihenhausanlage N H auf dem mittleren Haus der westlich gelegenen Reihenhäuser, am 23.2.2004 mit der Neueindeckung der westlichen Dachfläche bei einer Absturzhöhe von ca 6,0 m und einer Dachneigung von ca. 10° beschäftigt wurden - wobei nur auf etwa 8,0 m der ca. 20 bis 25 m langen Traufenkante eine Dachschutzblende als Absturzsicherung vorhanden war - ohne dass geeignete Schutzmaßnahmen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, vorhanden waren, obwohl gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen, wie Dachschutzblenden und Dachfanggerüste (gemäß § 88 BauV) vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung eingebracht.

Begründend wird hiezu ausgeführt, dass die dem Bw zur Last gelegte Übertretung als geringfügig anzusehen sei, zumal den Aufnahmen zu entnehmen sei, dass sich die Arbeitnehmer die meiste Zeit ihrer Tätigkeit im geschützten Bereich, wo zu jenem Zeitpunkt eben die Dachabdeckung gerade verlegt wurde, befunden haben. Darüber hinaus liege nur eine Dachneigung von 10° vor und sei das Dach zum Großteil noch nicht mit der Abdeckung versehen gewesen, sondern sei noch das Holzgitter freigelegen, welches ein unkontrolliertes Abrutschen unwahrscheinlich gemacht habe.

Lese man die Absätze des § 7 BauV im Zusammenhang, so sei erkennbar, dass der Gesetzgeber bei der Absturzsicherung ein durchlässiges Regime schaffen wollte. Zwar sei im konkreten Fall nicht wortwörtlich einer der Ausnahmetatbestände erfüllt, doch sei es insbesondere als milderungswürdiger Umstand heranzuziehen, dass beispielsweise gemäß § 7 Abs.5 Z1 Arbeiten in einer Absturzhöhe von 7m ohne jegliche Absturzsicherung zugelassen werden. Gegenständlich seien zwar keine Arbeiten an einer Stockwerksdecke vorgelegen, doch seien die konkreten Dachdeckerarbeiten vergleichsweise ungefährlicher und liege sogar nur eine Absturzhöhe von 6 m vor.

Es möge zwar kein effizientes Kontrollsystem iSd Judikatur des VwGH gegeben sein, doch sei das Bemühen zu erkennen, die Arbeitnehmer dazu anzuhalten, das zur Verfügung gestellte Schutzgeschirr auch tatsächlich zu verwenden, und zwar durch eine jährliche Überprüfung auf deren Funktionstüchtigkeit sowie zusätzliche jährliche Sicherheitsschulungen.

Darüber hinaus müsse iSd § 34 Abs.1 Z5 StGB weiters als Milderungsgrund angesehen werden, dass es der Bw lediglich unterlassen habe, einen Erfolg abzuwenden, wo das Gesetz bereits die Herbeiführung eines Erfolges mit Strafe bedroht habe. Und zwar sei es kein Tatbestandselement des § 87 Abs.2 BauV, dass tatsächlich ein Schaden eintritt, doch sei auch dies als Milderungsgrund iSd § 34 Abs.1 Z14 StGB heranzuziehen.

Es würden daher die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen, sodass unter Anwendung von § 20 VStG eine Geldstrafe von 73 Euro jedenfalls angemessen sei.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Das Arbeitsinspektorat Linz wurde am Verfahren beteiligt und verwies dieses in seiner Stellungnahme vom 24.10.2005 darauf, dass die in der Berufung angeführten 73 Euro nicht relevant seien, da gemäß ASchG die Mindeststrafe 145 Euro betrage. Zudem verkenne der Bw, dass die im § 7 Abs.5 Z1 BauV angeführte Absturzhöhe von 7,0 m nur für besondere Arbeiten, nämlich des Mauerns über die Hand zur Herstellung von Giebelmauern usw ohne jegliche Sicherung zulasse. Dies sei nicht mit dem Gefährdungspotenzial bei Arbeiten auf Dächern vergleichbar. Eine vollflächige Holzschalung und ein bereits zum Teil verlegtes Blech stelle auch bei "nur" ca 10° Dachneigung besonders bei den zum Tatzeitpunkt vorgefundenen nassen Witterungsverhältnissen ein erhöhtes Gefährdungspotenzial dar. Es treffe daher auf keinen Fall zu, dass diese Art der Dachdeckerarbeiten als vergleichsweise ungefährlicher einzustufen sei. Im Übrigen verweist das Arbeitsinspektorat Linz auf die Stellungnahme vom 7.6.2004 und ersucht, das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

4. Da die Berufung ausschließlich auf die Herabsetzung der Geldstrafe abzielt, konnte von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden (§ 51e Abs.3 Z2 VStG). Durch die bloße Strafberufung ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde, von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, die Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

 

5.2. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Straferkenntnis in Ermangelung konkreter Angaben des Bw von einer Schätzung der persönlichen Verhältnisse, und zwar von einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen.

Sie hat auf die Gefährdung der Gesundheit und des Lebens der Arbeitnehmer bei der Strafbemessung Bedacht genommen, so wurden die Witterungsverhältnisse, wie auch die Dachneigung von 10° und die Absturzhöhe von 6 m in ihre Erwägungen miteinbezogen. Auch wurde berücksichtigt, dass zwar Dachschutzblenden mit einer Gesamtlänge von ca. 8 m vorhanden waren, sich diese jedoch bei einem Traufenbereich von ca. 20 bis 25 m als unzureichend erweisen würden, da die Befestigung der vier Gitter durch nur zwei Stützen einer möglichen Belastung durch einen Arbeitnehmer nicht standhalten würden und daher von einer ausreichenden Schutzeinrichtung nicht die Rede sein könne. Wie aus den vorgelegten Fotos auch ersichtlich ist, befanden sich zum Kontrollzeitpunkt drei Arbeitnehmer auf dem Dach und trugen diese zwar Sicherheitsgeschirre, da jedoch keine Verbindung zu einem Sicherheitsseil gegeben war, war diese Schutzausrüstung als wirkungslos zu werten.

 

Im Sinn der zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat daher die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen in gesetzmäßiger Weise Gebrauch gemacht und konnte eine Ermessensüberschreitung nicht festgestellt werden. Es sind die Ausführungen der belangten Behörde grundsätzlich der Entscheidung zugrunde zu legen. Ergänzend wird zum Unrechtsgehalt ausgeführt, dass gerade durch die Vorschriften der BauV eine Gesundheitsbeeinträchtigung bzw -gefährdung der Arbeitnehmer hintan gehalten werden soll. Durch die Nichteinhaltung der diesbezüglichen Bestimmungen wird genau dieser Schutzzweck verfehlt, weshalb der Nichteinhaltung, insbesondere im Hinblick auf die doch gegeben gewesene Absturzgefährdung - besonders durch Nässe und einer dadurch bedingten Bildung einer dünnen Eisschicht, wie dies im Februar durchaus der Fall sein kann und im Hinblick darauf, dass sogar drei Arbeitnehmer ungeschützt tätig waren - ein besonderer Unrechtsgehalt zukommt.

Auch kann der vom Bw dargebrachte Milderungsgrund, wonach die gegenständlichen Dachdeckerarbeiten bei einer Absturzhöhe von 6 m sich vergleichsweise ungefährlich darstellen würden, da gemäß § 7 Abs.5 Z1 BauV sogar Arbeiten bei einer Absturzhöhe von 7 m ohne jegliche Absturzsicherung zugelassen wären - wie im Übrigen auch vom Arbeitsinspektorat Linz bereits ausgeführt wurde - nicht beigepflichtet werden, handelt es sich doch dabei um zwei völlig unterschiedliche Tätigkeiten.

 

Wenngleich der Bw selbst eingesteht, kein effizientes Kontrollsystems im Betrieb installiert zu haben, so doch sein Bestreben um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu erkennen sei, kann dies vom Oö. Verwaltungssenat nicht als strafmildernd berücksichtigt werden. Sinn und Zweck eines Kontrollsystems ist, dass schon im Vorfeld Gefährdungen von Leib und Leben von Arbeitnehmern verhindert werden. Dazu gehören auch Anweisungen, Belehrungen und vor allem Kontrollen, ob diese auch eingehalten werden. Das Vorbringen, wonach eine jährliche Überprüfung der Schutzgeschirre bzw jährliche Sicherheitsschulungen durchgeführt werden, reicht hiebei bei weitem nicht aus und stellt wohl nur einen Minimalstandard, nämlich die Einhaltung einer gesetzlichen Verpflichtung dar. Auch wenn der Bw vorbringt, dass bei seinen Kontrollen die Arbeitnehmer ihre Schutzausrüstungen tragen, wie auch im gegenständlichen Fall, so trifft ihn auch die Verpflichtung darauf hinzuwirken, dass sie sich dementsprechend auch an den hiefür vorgesehenen Vorrichtungen anseilen bzw anhängen.

 

Zu den Ausführungen des Bw im Hinblick auf die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe und darüber hinausgehend sogar die Anwendung des § 20 VStG wird auf die obigen Ausführungen zum hohen Unrechtsgehalt des gegenständlichen Sachverhaltes verwiesen. Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen zur Unterschreitung der Mindeststrafe nicht vor, da dem Bw keinerlei Milderungsgründe, insbesondere jener der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute kommt und daher die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwiegen.

 

Auch konnte der Anwendung des § 21 Abs.1 VStG nicht näher getreten werden, zumal beide Voraussetzungen für das Absehen von der Strafe nicht gegeben sind. Zum einen kann, und hier wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, beim Bw nicht mehr von geringfügigem Verschulden die Rede sein und zum anderen sind die möglichen Folgen der Tat bei weitem nicht unbedeutend.

 

Aus den oben angeführten Gründen war die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe zu bestätigen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte und das Straferkenntnis hinsichtlich des Strafausspruches bestätigt wurde, hat der Bw einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe zu leisten (§ 64 VStG).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

keine Milderungsgründe, hohe Gefährdung

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