Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280883/9/Kl/Pe

Linz, 25.07.2006

 

 

 

VwSen-280883/9/Kl/Pe Linz, am 25. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn K P S, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 6.12.2005, BZ-Pol-09033-2005, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 22.6.2006 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 400 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Strafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG zu lauten hat: "§ 130 Abs.1 Einleitung ASchG".

 

 

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 40 Euro, ds 10 % der verhängten Strafe. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 6.12.2005, BZ-Pol-09033-2005, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 700 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 32 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG iVm § 45 Abs.6 Satz 1 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als im Sinne des § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma E u B GesmbH (Arbeitgeberin), zu verantworten hat, dass von Arbeitnehmern dieser Firma am 12.9.2005 auf der Baustelle Zubau S-M, der in Betrieb befindliche Estrichboy "Brinkmann", Kennzeichen, zur Herstellung des Estrichs befüllt wurde und dabei - trotz Entfernung des beweglichen Schutzgitters bei der Einfüllöffnung - das im Arbeitsmittel vorhandene Rührwerk weiterlief bzw. nicht selbsttätig stillgesetzt wurde.

Dies widerspricht den gesetzlichen Vorschriften, da sich bewegliche Verdeckungen, Verkleidungen und Umwehrungen, sofern die Gefahrenstelle bei der Bearbeitung des Werkstückes durch dieses nicht gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert ist, aus der Schutzstellung nur bewegen lassen dürfen, wenn das Arbeitsmittel stillsteht, oder wenn sie beim Bewegen dieser Schutzeinrichtung selbsttätig stillgesetzt werden, wobei auch die durch ein Nachlaufen bedingten Gefahren berücksichtigt sein müssen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darauf hingewiesen, dass das Sicherheitsgitter von der Reparaturfirma nach jeder Reparatur oder jedem Service wieder montiert werde, ansonsten würden die notwendigen Prüfplaketten nicht angebracht werden. Auch sei diese Problematik vom TÜV bei der Evaluierung im Jahr 2000 bereits behandelt worden. Eine Unterweisung sei von Herrn Ing. W verfasst worden und von der Firma umgesetzt worden. Es wurde eine Rechnung zur Reparatur des gegenständlichen Estrichboys vom 20.1.2005 samt wiederkehrenden Prüfung, die entsprechende Prüfplakette und das entsprechende Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument in Ablichtung vorgelegt.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.6.2006, zu welcher die Parteien geladen wurden und der Berufungswerber sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz erschienen sind. Ein Vertreter der belangten Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurde der Zeuge AI DI A H, geladen und einvernommen.

 

4.1. Aufgrund des Firmenbuchauszuges steht fest, dass der Berufungswerber handelsrechtlicher Geschäftsführer der E u B GesmbH in Wels ist. Am 12.9.2005 wurden auf der Baustelle Zubau S-M, Arbeitnehmer der Firma E u B GesmbH, bei einem in Betrieb befindlichem Estrichboy "Brinkmann", Kennzeichen, welcher zur Herstellung des Estrichs befüllt wurde, angetroffen und es lief trotz Entfernung des beweglichen Schutzgitters bei der Einfüllöffnung das im Arbeitsmittel vorhandene Rührwerk weiter und wurde nicht selbsttätig stillgesetzt. Das Gitter lag neben der laufenden Maschine und es war das Rührwerk in Bewegung und wurde Material zugeführt. Die Arbeitnehmer wussten auch gleich wo das Gitter war und dass dieses zu verwenden wäre. Dies steht aufgrund der Aussage des Zeugen als erwiesen fest. Auch wird der Sachverhalt vom Berufungswerber nicht bestritten.

 

4.2. Es gibt zwar eine Unterweisung 001 vom 31.10.2003 für die Estrichpumpe, wonach die Sicherheitsgitter den Zugriff zur Gefahrenquelle und vor Reflexhandlungen schützen und daher die Schutzeinrichtungen nicht entfernt werden dürfen. Bei Zuwiderhandlungen werde keine Verantwortung und Haftung übernommen. Diese Unterweisung wurde den Arbeitnehmern bei Eintritt in die Firma zur Kenntnis gebracht. Dies wurde auch mit dem TÜV im Rahmen der Evaluierung abgesprochen. Der Berufungswerber hat keinen Bevollmächtigten bestellt und führt stichprobenartige Kontrollen auf den Baustellen durch. Auch wurden Kündigungen angedroht, aber noch keine Kündigungen konkret ausgesprochen. Die wiederkehrende Überprüfung wird stets durchgeführt und muss das Gitter vorhanden sein, um eine Prüfplakette ausgestellt zu bekommen. Von den Arbeitnehmern werden zur Reinigung die Gitter trotzdem immer wieder entfernt, da dann die Reinigung einfacher ist. Die Gitter werden dann nicht immer hineingegeben. Auch ist das gegenständliche Gerät DC 260/45 mit einem Sensor ausgestattet, welcher aber umgangen werden kann.

 

Der Berufungswerber bestätigte auch die Angaben in erster Instanz hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 45 Abs.6 Satz 1 AM-VO dürfen sich bewegliche Verdeckungen, Verkleidungen und Umwehrungen, sofern die Gefahrenstelle bei der Bearbeitung des Werkstückes durch dieses nicht gegen gefahrbringendes Berühren gesichert ist, aus der Schutzstellung nur bewegen lassen, wenn das Arbeitsmittel stillsteht, oder wenn sie beim Bewegen dieser Schutzeinrichtung selbsttätig stillgesetzt werden; hierbei müssen auch die durch ein Nachlaufen bedingten Gefahren berücksichtigt sein.

 

Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens ist die Tatbegehung erwiesen und der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

 

Der Berufungswerber hat die Tat auch subjektiv zu verantworten. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Eine solche Entlastung ist dem Berufungswerber nicht gelungen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat nämlich der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen des ASchG sowie der dazu erlassenen Verordnungen auch eingehalten werden. Dazu reicht es nicht aus, dass bloß Weisungen erteilt werden und der Arbeitgeber die "Oberaufsicht" wahrnimmt, sondern es ist entscheidend, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der erteilten Weisungen erfolgte. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere wird vom Verwaltungsgerichtshof bemängelt, dass die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während der Ausführung der Arbeiten nicht überprüft wurde. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der Judikatur vorhanden war."

 

Die Einwendungen des Berufungswerbers, dass die wiederkehrende Überprüfung durchgeführt wurde, das Gitter immer wieder repariert werde, eine Schulung der Arbeitnehmer bei Arbeitseintritt erfolge und auch stichprobenartige Kontrollen durch den Berufungswerber stattfinden, reichen im Sinne der zitierten Judikatur nicht aus, ein lückenloses ausreichendes Kontrollnetz nachzuweisen bzw. solche Maßnahmen nachzuweisen, die mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Arbeitnehmerschutzvorschriften auch eingehalten werden. Insbesondere wurden vom Berufungswerber keine Maßnahmen gesetzt oder angedroht, die die Arbeitnehmer dazu anhalten können, dass die Schutzvorkehrungen auch tatsächlich durchgeführt und verwendet werden. Wenn auch dem Berufungswerber zuzugestehen ist, dass er nicht ständig alle Baustellen und die dort befindlichen Arbeitnehmer kontrollieren könne, so ist ihm aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zumutbar, dass er hiefür eine taugliche Person einsetzt und die eigene Tätigkeit auf eine angemessene Kontrolle beschränkt. Dass aber eine verantwortliche Person eingesetzt wurde, wurde vom Berufungswerber nicht einmal behauptet. Es war daher von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat zu Recht auf den Unrechtsgehalt der Tat hingewiesen und auf die besondere Gefährlichkeit der Umgehung der Schutzfunktion bei Estrichpumpen Bedacht genommen. Als strafmildernd hat sie die Unbescholtenheit des Berufungswerbers gewertet, straferschwerende Gründe lagen nicht vor. Sie hat die angegebenen persönlichen Verhältnisse, nämlich ein Einkommen von 3.000 Euro, Hälfte Eigentümer eines Hauses, Sorgepflicht für ein Kind, ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Diese Erwägungen sind auch der nunmehrigen Entscheidung zugrunde zu legen. Allerdings zeigte sich der Berufungswerber sehr einsichtig und war zu berücksichtigen, dass seine Firma schon seit 15 Jahren bestand und er in dieser Zeit unbescholten blieb. Es ist daher dem Berufungswerber zugute zu halten, dass er bemüht ist, sich gesetzeskonform zu verhalten und den gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Im Grunde der erstmaligen Tatbegehung war daher die ausgesprochene Geldstrafe etwas überhöht. Es ist daher die nunmehr festgelegte Geldstrafe ausreichend um den Berufungswerber von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Auch war zu berücksichtigen, dass keine nachteiligen Folgen bekannt sind. Im Grunde der Einsichtigkeit des Berufungswerbers konnte daher mit der nunmehr verhängten Geldstrafe das Auslangen gefunden werden.

 

Entsprechend war auch für den Fall der Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG herabzusetzen.

Geringfügiges Verschulden war nicht vorliegend, sodass § 21 VStG nicht anzuwenden war; auch überwiegen die Milderungsgründe nicht erheblich (§ 20 VStG).

 

6. Weil die Berufung hinsichtlich der Strafbemessung Erfolg hatte, entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 65 VStG. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 10 % der verhängten Strafe, ds 40 Euro (§ 64 VStG).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, Strafbemessung

 

 

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