Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280885/21/Kl/Pe

Linz, 04.07.2006

 

 

 

VwSen-280885/21/Kl/Pe Linz, am 4. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des P P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.11.2005, Ge96-171-2004-Ew, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 9.6.2006 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der Arbeitnehmer T F nicht auf dem Hallendach (Flachdach) beschäftigt war und daher die diesbezüglich verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird.

Im Übrigen wird hinsichtlich der Arbeitnehmer T F und J K das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich sohin auf 60 Euro.

Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat entfällt ein Kostenbeitrag im Hinblick auf den Arbeitnehmer T F; hinsichtlich der übrigen Arbeitnehmer ist ein Kostenbeitrag von 20 % der verhängten Strafen, ds insgesamt 120 Euro zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.11.2005, Ge96-171-2004-Ew, wurden über den Berufungswerber drei Geldstrafen in der Höhe von je 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 24 Stunden, wegen jeweils einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.2 BauV verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin P & S B GmbH mit Sitz in, zu vertreten hat, dass, wie von Organen des Arbeitsinspektorates Linz anlässlich einer Besichtigung der Baustelle in (Hallenzubau A) festgestellt wurde, am 13.8.2004 die Arbeitnehmer der o.a. Gesellschaft Herr T F, Herr T F und Herr J K beim Objekt Hallenzubau A in, auf dem Hallendach bei einer möglichen Absturzhöhe, nach außen bzw. durch 13 Dachöffnungen im Ausmaß von ca. 2 nach innen, von ca. 8 m und einer Dachneigung bis zu 20° mit der Herstellung der Attikakonstruktion beschäftigt wurden, ohne dass geeignete Schutzmaßnahmen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, vorhanden, oder die Arbeiter mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt waren, obwohl gemäß § 87 Abs.2 BauV bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu das Absehen von der Strafe beantragt.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass bereits in der Rechtfertigung vom 14.1.2005 ein umfangreiches Beweisangebot erstattet wurde und die Behörde auf dieses nicht eingegangen sei. Es werde die Parteieneinvernahme sowie die Einvernahme der Zeugen G F und DI F W beantragt. Sämtliche Arbeitnehmer der Firma P & S B GmbH sind in Bezug auf Sicherheits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz umfassend unterwiesen und angewiesen, sich an diesbezüglichen Vorschriften zu halten. Es stehen den Arbeitnehmern sämtliche Sicherheitseinrichtungen zur Verfügung und werden vor Beginn der Montagearbeiten an den jeweiligen Baustellen Mitarbeiterunterweisungen durchgeführt. Die Arbeitnehmer sind in Montagetrupps eingeteilt, deren Leiter die Vorschriften kontrolliert und der bei Problemen umgehend dem vorgesetzten Bauleiter berichtet. Der Bauleiter G F, der für die gegenständliche Baustelle zuständig war, war beinahe täglich auf der Baustelle und kontrolliert neben dem Baufortschritt auch die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen. Darüber hinaus ist im Bereich der Sicherheit Herr DI F W als Sicherheitsfachkraft eingesetzt und besichtigt dieser Arbeitsstätten und Baustellen. Der Vorarbeiter T F werde vom Bauleiter G F ausreichend überwacht. Es bestehe daher ein Kontrollsystem und konnte der Berufungswerber mit gutem Grund davon ausgehen, dass die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften eingehalten und befolgt werden. Auch habe die belangte Behörde in keinster Weise die Anwendung des § 21 VStG geprüft.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land der hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Aus dem Firmenbuchauszug geht hervor, dass der Berufungswerber handelsrechtlicher Geschäftsführer der P & S B GmbH ist. Weiters wurde im Verfahren erster Instanz ein Werkvertrag mit dem technischen Büro DI F W als Bestellung einer Sicherheitsfachkraft mit Datum vom 11.2.1997 vorgelegt. Schließlich wurde auch eine "Mitarbeiter-Unterweisung für Montagearbeiten beim BV: A -" samt einer Unterschriftenliste vorgelegt. Es haben die Arbeitnehmer F, K und F unterzeichnet. Dabei handelt es sich um eine allgemeine Anweisung, dass Arbeitsmittel ordnungsgemäß benutzt werden, Arbeitsunfälle zu melden sind, Helmtragepflicht auf der Baustelle besteht usw. Schließlich wurden die Arbeitnehmer F und K bereits im Verfahren erster Instanz zeugenschaftlich einvernommen und ergab diese Einvernahme, dass der Arbeitnehmer F als Vorarbeiter für die Baustelle verantwortlich war, Sicherheitsgeschirre zwar auf der Baustelle vorhanden waren, aber nicht verwendet wurden, die Arbeiten geringfügig waren und etwa 10 Minuten dauerten. Am 13.8.2004 war der zuständige Techniker, Herr F, nicht auf der Baustelle, sondern das letzte Mal hat er die Baustelle am 11.8.2004 kontrolliert. Die Baustellen werden vom Beschuldigten persönlich nicht kontrolliert. Bei der Baustelle handelt es sich um eine Halle, die ca. 15 m breit und ca. 50 m lang ist, mit Flachdach, auf welchem sich in der Mitte Lichtkuppeln befinden. An jenem Tag sollten am Rand des Flachdaches zugeschnittene Panelle mit zwei Schrauben fixiert werden.

 

Weiters hat der Oö. Verwaltungssenat Beweis erhoben durch die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9.6.2006, an welcher der Berufungswerber und seine Rechtsvertreterin sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz teilgenommen haben. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Es wurden die Zeugen G F, DI F W, T F, J K und T F einvernommen.

 

Aufgrund der Erhebungen und des Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass am 13.8.2004 zwei Arbeitnehmer, nämlich T F und J K, auf der Baustelle Hallenzubau A in auf dem Flachdach mit der Fixierung eines Blechpaneeles am Rand des Flachdaches beschäftigt waren. Die Absturzhöhe betrug ca. 8 m, die Dachneigung unter 20°. Es waren weder Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden noch waren die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt. In der Mitte des Flachdaches befanden sich 13 Dachöffnungen von jeweils ca. 2 m², welche ebenfalls nicht gegen Absturz gesichert waren. Die Baustelle dauerte schon etwa eine Woche, es sollte die Fassade montiert werden. Zwei Tage vor der Kontrolle war der zuständige Bauleiter zur Kontrolle auf der Baustelle. Dieser war aber am 13.8.2004 nicht auf der Baustelle. Für die Baustelle zuständig war der Leiter des Montagetrupps, der Vorarbeiter T F. Dieser war verantwortlich für die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen. Eine Unterweisung hinsichtlich konkreter Sicherheitsvorkehrungen für die gegenständliche Baustelle bekam dieser nicht. Er musste die allgemeine Mitarbeiterunterweisung vom 9.8.2001 unterfertigen. Da nur zwei Paneele an der Attikakonstruktion zum Montieren waren und es sich um ein Flachdach handelte, erschienen ihm die Arbeiten nicht gefährlich. Die allgemeine Unterweisung wird von ihm an seinen Mitarbeitern durchgeführt und müssen diese dann die Liste unterzeichnen. In der Regel werden Fassadenarbeiten durchgeführt, wobei die Einrichtungen wie Sicherheitsnetze nicht von der Firma P sondern von anderen Firmen zur Verfügung gestellt werden. Auch auf dieser Baustelle war zunächst ein Netz vorhanden, an diesem Tage aber war das Netz weggeräumt. Dies fiel dem Vorarbeiter F aber nicht auf. Ihm vorgesetzt ist der Techniker für die konkrete Baustelle, Herr G F. Bei Beginn der Baustelle am Montag war dieser nicht auf der Baustelle, allerdings ein oder zwei Tage vor dem 13.8.2004. Der Vorarbeiter wurde aber nicht für die Baustelle vom Techniker hinsichtlich Sicherheitsvorkehrungen unterwiesen. Die Baustelle wird vom Techniker stichprobenartig einmal in der Woche kontrolliert. Zu Beginn der Baustelle am Montag in der Früh fand eine Besprechung im Büro statt, wobei aber auf Sicherheitseinrichtungen nicht hingewiesen wurde. Die Paneele wurden mit Scherenbühnen und Netzen montiert, am Kontrolltag waren nur noch zwei Paneele zu montieren. Vom Vorarbeiter wurde aber niemand in der Firma hinsichtlich Probleme mit der Sicherheit verständigt. Auch gab es keine Androhungen hinsichtlich Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften oder der Anweisungen. Erst nach der Kontrolle wurde angedroht, dass im Wiederholungsfall die Verwaltungsstrafen selbst zu bezahlen sind.

 

Der übergeordnete Techniker G F arbeitet als Bauleiter und kontrolliert stichprobenartig die Baustellen. Bei den Besuchen wird der Arbeitsfortschritt kontrolliert und findet eine Besprechung mit dem Architekten statt. Er ist ca. 23 Jahre in der Firma beschäftigt und selbständig als Techniker im Büro tätig. Es untersteht ihm die komplette Montageabteilung. Bei Fragen wendet er sich an seinen Chef, den Berufungswerber. Er ist daher auch für Sicherheitseinrichtungen zuständig. Neue Maßnahmen werden mit den Chef und Herrn DI W, der Sicherheitsfachkraft, besprochen. Die Sicherheitsfachkraft DI W nimmt Unterweisungen der Vorarbeiter ein- bzw. zweimal im Jahr vor und besucht gelegentlich auch Baustellen. Er berät auch bei Problemen hinsichtlich konkreter Baustellen. Bei den Baubesprechungen im Büro ist der zuständige Bauleiter und Vorarbeiter dabei. Der Berufungswerber nur selten. Der Berufungswerber besucht selten unangemeldet Baustellen und auch konkrete Anfragen über Sicherheitsvorkehrungen an bestimmten Baustellen finden eher nicht statt.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich einwandfrei aus sämtlichen Aussagen der einvernommenen Zeugen. Aus diesen Aussagen ist auch einwandfrei erwiesen, dass nur die Arbeitnehmer F und K sich auf dem Dach befanden, nicht jedoch der Vorarbeiter F. Auch ging einhellig hervor, dass zwei Paneele zu montieren waren, die Sicherheitsvorkehrungen wie Netze bereits weg waren und zum Montieren im Attikabereich das Dach bestiegen werden musste, wobei keine Sicherheitsvorkehrungen vorhanden waren und keine Sicherheitsgeschirre verwendet wurden. Ob der Aufstieg mit dem Arbeitskorb oder über eine Dachleiter erfolgte, konnte nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden. Jedenfalls dienten diese Aufstiegshilfen nicht als Absturzsicherung. Uneinheitliche Angaben machten die Arbeitnehmer dahingehend, dass sie sich nach der Kontrolle angeseilt hätten, wobei ein Arbeitnehmer angab, dass das Sicherheitsseil am Arbeitskorb befestigt wurde, während der andere Arbeitnehmer angab, dass das Seil am Sockel der nächstgelegenen Dachkuppel befestigt wurde, wobei die Kuppel selbst offen war und nicht gesichert war.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 87 Abs.2 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Es sind daher Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen wie Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden vorzusehen (§§ 8, 9 und 10 BauV).

 

Gemäß § 7 Abs.2 BauV liegt Absturzgefahr vor

1. bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, bei Öffnungen in Geschoßdecken oder in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen,

4. an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

 

Müssen zur Durchführung von Bauarbeiten Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen entfernt werden, sind geeignete andere Schutzmaßnahmen zu treffen, wie die Verwendung von persönlichen Schutzausrüstungen. Die Anbringung von Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen kann entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein (§ 7 Abs.3 und Abs.4 BauV).

 

5.2. Aufgrund des Beweisverfahrens ist erwiesen, dass zwei Arbeitnehmer auf der gegenständlichen Baustelle am 13.8.2004 Arbeiten auf dem Flachdach mit einer Neigung bis 20° und einer Absturzhöhe von ca. 8 m durchgeführt haben und weder Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen noch andere Schutzmaßnahmen noch persönliche Schutzausrüstung wie Sicherheitsseile und Sicherheitsgurte verwendet wurden. Es wurden daher die zitierten Bestimmungen der BauV iVm dem ASchG verletzt. Der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung wurde hinsichtlich zweier Arbeitnehmer erfüllt. Hinsichtlich des Arbeitnehmers T F war aber erwiesen, dass sich dieser nicht auf dem Dach befand und war daher das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und das Straferkenntnis aufzuheben.

 

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der P & S B GmbH und daher gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26.7.2002, Zl. 2002/02/0037-6, ausgeführt, dass es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richten. Die Verhängung von nur einer Strafe und Annahme nur einer Verwaltungsübertretung trotz der namentlichen Nennung der beschäftigten Arbeitnehmer stellt einen Verstoß gegen das in § 22 VStG normierte Kumulationsgebot dar.

 

Der Beschuldigte bekämpft in seiner Berufung die Annahme eines Verschuldens und beruft sich auf ein von ihm aufgestelltes Kontrollsystem. Diese Ausführungen konnten aber im Grunde des Beweisverfahrens den Beschuldigten nicht entlasten. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt nämlich, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten und ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Im Sinn der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Berufungswerber nicht ausreichend nachgekommen. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (vgl. VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der vom verunfallten Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem, Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war."

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht es daher nicht aus, dass der Berufungswerber geltend macht, dass eine - bloß allgemein gehaltene - wenn auch für die konkrete Baustelle ausgestellte Mitarbeiter-Unterweisung durchgeführt worden ist, konkrete Schutzmaßnahmen für die konkrete Baustelle aber nicht angeordnet wurden. Es reicht auch nicht aus, dass der Berufungswerber einen geeigneten Vorarbeiter eingesetzt hat und es die allgemeine Betriebsanweisung gibt, welche die Arbeitnehmer vor Beginn der Baustelle unterzeichnet haben. Vielmehr hätte es auch eines weiteren Nachweises bedurft, wie der Berufungswerber Kontrollen durchführt, wie oft er diese Kontrollen durchführt und welche konkreten Maßnahmen er getroffen hat, um unter den vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gewährleisten zu können. So fehlt ein Vorbringen, dass der Berufungswerber selbst die Baustelle kontrolliert hat und insbesondere auch den beauftragten Vorarbeiter kontrolliert hat. Auch der Einwand, dass der Vorarbeiter durch den ihm vorgesetzten Techniker und Bauleiter kontrolliert werde, kann den Berufungswerber nicht entlasten. Vielmehr hat das Beweisergebnis gezeigt, dass am konkreten Tattag der Bauleiter an der Baustelle nicht anwesend war, sondern der Vorarbeiter selbständig tätig war und der Vorarbeiter die Gefahr eines Absturzes nicht erkannte und daher auch nicht entsprechende Sicherheitsvorkehrungen angeordnet hat. Auch bekam der Vorarbeiter keine Anweisungen hinsichtlich dieser speziellen Gefahren des Arbeitens auf dem Dach. Weiters hat das Beweisergebnis auch gezeigt, dass der Bauleiter selbständig tätig ist und vom Berufungswerber nicht kontrolliert wird oder allenfalls nur sporadisch kontrolliert wird. Kontrollen des Berufungswerbers auf der Baustelle konnten weder vom Vorarbeiter noch von den Arbeitnehmern bestätigt werden. Auch hat das Beweisergebnis gezeigt, dass dem Vorarbeiter und den Arbeiternehmern das Abnehmen der zunächst vorhandenen Netze nicht aufgefallen ist und die Gefahr nicht richtig eingeschätzt wurde, sodass auch seitens des Vorarbeiters kein Kontakt mit der Firma und dem Berufungswerber hergestellt wurde, wie vorzugehen sei. Es wurden daher auch keine Anordnungen und Maßnahmen getroffen, die die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen durch den Vorarbeiter gewährleisten können. Ebenso wenig gibt es Maßnahmen, die die Einhaltung der Anweisungen der Arbeitnehmer sicherstellen. Es wurden z.B. keine Maßnahmen gesetzt, die sicherstellen, dass die Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzbestimmungen einhalten, wie z.B. Androhung von Verwarnungen, Kündigungen, Entlassungen, Bußgelder usw. Erst nach der Kontrolle wurde den Arbeitern angedroht, dass sie das nächste Mal die Verwaltungsstrafe selber zu bezahlen hätten. Der Berufungswerber selbst hat die Baustelle nicht kontrolliert. Es war daher ein lückenloses Kontrollnetz nicht vorhanden. Anweisungen allein, seien es mündliche Anweisungen auf der Baustelle, seien es schriftliche Betriebsanweisungen, sind aber nach der VwGH-Judikatur nicht ausreichend, sondern ist auch deren Einhaltung zu kontrollieren. Darüber hinaus ist aber ausdrücklich festzuhalten, dass es konkrete Anweisungen hinsichtlich konkreter Schutzbestimmungen für die gegenständliche Baustelle ohnehin nicht gab. Es hat daher der Berufungswerber ein lückenloses Kontrollnetz nicht nachgewiesen.

 

Auch hat das Argument, dass nur kurzzeitig Arbeiten durchgeführt werden mussten, keinen Einfluss auf das Verschulden des Berufungswerbers. Es müssen nämlich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.7.2004, 2004/02/0199) Schutzvorkehrungen während der gesamten Arbeitszeit angebracht sein. Dass das Anbringen von Schutzeinrichtungen unwirtschaftlich sei, ist aus Sicht des § 87 BauV unbeachtlich und hat auf das Verschulden des Arbeitgebers an der Unterlassung der Anbringung von Schutzeinrichtungen keinen Einfluss. "Werden dergestalt Übertretungen etwa aus wirtschaftlichen Gründen in Kauf genommen, kann das behauptete Kontrollsystem gar nicht greifen, weshalb das Vorbringen ungeeignet ist, mangelndes Verschulden darzutun."

 

Darüber hinaus ist auch hervorzuheben, dass auch sonstige Vorkehrungen wie persönliche Schutzausrüstungen nicht verwendet wurden.

 

Aber auch das Vorbringen, dass eine Sicherheitsfachkraft, DI W, bestellt wurde, kann den Berufungswerber nicht entlasten. Die Sicherheitsfachkraft führt nach dem ASchG Evaluierungen und Begehungen durch. Eine ständige Kontrolle der Arbeitnehmer auf den Baustellen wird durch die Sicherheitsfachkraft nicht durchgeführt. Diese gab in der mündlichen Verhandlung ja selbst an, die konkrete Baustelle nicht zu kennen.

 

Da weder der Berufungswerber noch eine von ihm bevollmächtigte Person konkrete Anweisungen für die konkrete Baustelle und die konkreten Arbeiten hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat und auch die Einhaltung der entsprechenden Sicherheitsvorschriften weder vom Berufungswerber noch von einer von ihm beauftragten Person vorgenommen wurden, ist ein lückenloses Kontrollnetz nicht nachgewiesen. Es ist daher dem Berufungswerber der Entlastungsnachweis nicht gelungen. Es war daher auch vom Verschulden des Berufungswerbers, nämlich zumindest Fahrlässigkeit auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat auf alle objektiven Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.1 VStG Bedacht genommen, insbesondere wurde die Strafe im Sinn des Unrechtsgehaltes der Tat nicht überhöht festgesetzt. Die belangte Behörde weist zu Recht auf die Absturzhöhe von 8 m und die erhebliche Gefährdung für Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer hin. Zu den subjektiven Strafbemessungsgründen gemäß § 19 Abs.2 VStG hat sie keine straferschwerenden Gründe gewertet. Hinsichtlich der von ihr als mildernd gewerteten Unbescholtenheit liegt aber im erstbehördlichen Akt eine rechtskräftige Verwaltungsvorstrafe auf, sodass von Unbescholtenheit nicht ausgegangen werden kann. Die persönlichen Verhältnisse wurden mit 3.000 Euro netto Einkommen monatlich, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten angenommen. Diesen Umständen hat der Berufungswerber auch in der Berufung nichts entgegengesetzt, sodass sie der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werden konnten. Weitere maßgebliche Umstände für die Strafbemessung kamen nicht hervor. Die Strafbemessung ist eine Ermessensentscheidung und es kann nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen in ungesetzlicher Weise Gebrauch gemacht hätte. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass sich die tatsächlich verhängte Strafe pro Arbeitnehmer im untersten Bereich des Strafrahmens bewegt und daher nicht überhöht ist. Es konnte daher auch die verhängte Strafe je Arbeitnehmer sowie die Ersatzfreiheitsstrafen bestätigt werden.

 

Die Voraussetzungen nach § 21 VStG liegen hingegen nicht vor, weil schon Geringfügigkeit des Verschuldens nicht gegeben ist. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Geringfügigkeit dann gegeben, wenn das tatbildmäßige Verhalten weit hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt. Die Verhaltensweise des Berufungswerbers läuft aber gerade den geschützten Zwecken der Strafbestimmung zuwider und war daher diese Voraussetzung nicht erfüllt. Es war daher nicht mit einem Absehen von der Strafe vorzugehen.

 

Weiters lagen auch nicht überwiegend Milderungsgründe vor, sodass auch keine außerordentliche Milderung gemäß § 20 VStG in Betracht zu ziehen war.

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen pro Arbeitnehmer festzusetzen.

Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt aber ein Kostenbeitrag hinsichtlich der Strafaufhebung betreffend den Arbeitnehmer F.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, gesondertes Delikt je Arbietnehmer, Kummulation

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 18.06.2007, Zl.: 2006/02/0214-5

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