Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280890/17/Wim/Pe/RSt

Linz, 31.05.2006

 

 

 

VwSen-280890/17/Wim/Pe/RSt Linz, am 31. Mai 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn P. M., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. L. J. K. und Dr. J. M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 30.1.2006, Ge-96-9-2004, wegen einer Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 19.4.2006 und 22.5.2006 zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, die verhängte Geldstrafe auf 1.000 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 185 Stunden herabgesetzt und die Spruchformulierung im letzten Bereich so geändert, dass sie lautet: ".... innerhalb des Zeitraumes vom 8.7.2003, 05.15 Uhr bis 9.7.2003, 05.15 Uhr keine ausreichende Ruhezeit gewährt bekam, obwohl innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens 9 Stunden zu gewähren ist."
  2. Der Kostenbeitrag zum Erstverfahren ermäßigt sich auf 100 Euro. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu entrichten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 sowie §§ 19 und 51c Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) der Verwaltungsübertretung gemäß Art.8 Abs.1 EG-VO 3820/85 iVm dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe und § 28 Abs.1a Z2 AZG für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 1.815 Euro, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 336 Stunden verhängt.

 

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet 181,50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

 

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben es als der für die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verantwortliche Beauftragte der S. S. mit dem Sitz in B. gem. § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass der im Güterbeförderungsbetrieb der Gesellschaft in 47 B., B., beschäftigte Arbeitnehmer S. C., geb. am 20.5.1956, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen GR, das der Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, bei Fahrten im internationalen Straßenverkehr innerhalb des Zeitraumes vom 8.7.2003, 05.15 Uhr bis 9.7.2003, 05.15 Uhr keine Ruhezeit gewährt bekam, obwohl innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens 9 Stunden zu gewähren ist."

 

 

2. Dagegen wurde fristgerecht durch die ausgewiesenen Rechtsvertreter des Bw Berufung eingebracht und das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Als Berufungsgründe wurde Rechtswidrigkeit aufgrund Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger Sachverhaltsfeststellung geltend gemacht. Weiters wurde zum Zweck der Berufungsergänzung um Akteneinsicht ersucht.

Mit 1.3.2006 wurde die Berufungsergänzung vorgelegt und darin ausgeführt, dass die gegenständliche Verwaltungsübertretung bestritten wird und aus den im Akt befindlichen Tachographenscheiben nicht hervorgehe, dass der Lenker keine Ruhezeit eingelegt habe und der von ihm durchzuführende Transport von 881,71 km bei Zugrundelegung einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 km/h innerhalb von 12,5 Stunden zu bewältigen sei. Zum Beweis dafür wurde die Tourenzusammenstellung bzw. Dispoliste des betreffenden Lenkers vorgelegt und die Einvernahme von Zeugen beantragt.

Weiters wurde vorgebracht, dass die Tourenzusammenstellung so getroffen werde, dass die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden könne und die Fahrer in gewissen Abständen schriftlich über die Einhaltung der Bestimmungen in Kenntnis gesetzt werden. Die Tachographenscheiben werden monatlich kontrolliert und bei entsprechenden Mängeln werde der Fahrer verwarnt bzw. ihm die Kündigung angedroht. Hinsichtlich Kontrollsystem wird ausgeführt, dass bei der Einstellung jeder Fahrer ein Fahrerhandbuch bekomme, in welchem die Lenk- und Ruhezeiten festgehalten seien und deren Einhaltung gefordert werde. Ebenso gehe aus Punkt 3 des Fahrerhandbuches hervor, dass der Fahrer nach Ende der Fahrzeit seine Ruhezeit anzutreten habe, egal wo er sich befinde und er die Konsequenzen bei Missachtung zu tragen habe. Die Kontrolle der betriebsinternen Weisungen erfolge dadurch, dass die Fahrer monatlich die Tachographenscheiben in der Fahrerabrechnung abzugeben haben, welche dann durch den Betriebsrat kontrolliert werden. Bei Nichteinhaltung der Lenk- und Ruhezeiten werde der zuständige Disponent informiert und die Fahrer angewiesen, in Zukunft die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten. Für den Arbeiter bestehe keinerlei Anreiz zur Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten, da die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so gestaltet seien, dass dienstrechtliche Konsequenzen für den Fall einer Übertretung des AZG angedroht und vollstreckt werden. Sohin liege keinerlei Verschulden seitens des Bw vor und wurde die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses bzw. der Ausspruch einer Ermahnung, in eventu Herabsetzung der Strafe beantragt. Weiters wurde eine mündliche Berufungsverhandlung beantragt.

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.4.2006 und 22.5.2006, an welcher der Rechtsvertreter des Bw, ein Vertreter der belangten Behörde sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Wels teilgenommen haben. Auf die Einvernahme der Zeugen A. und S. wurde verzichtet und an deren Stelle der Geschäftsführer M. zeugenschaftlich einvernommen. Der geladene Zeuge K. ist unentschuldigt nicht erschienen.

 

3.2. Der Zeuge M. führte zusammengefasst aus, dass er Geschäftsführer für die S. . sei und seit Juni 2005 monatlich zwischen 20 und 30 Tachographenscheiben von 800 Lenkern kontrolliere. Er kontrolliere diese zunächst einmal auf Vollständigkeit und bei Durchzählen auch gleich überblicksmäßig auf die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten. Bei der großen Anzahl der Fahrtenschreiberblätter könne diese Kontrolle nicht immer bis genau ins Detail gehen. Erstmalige Verstöße gegen das AZG werden schriftlich gerügt und der betreffende Lenker vorgemerkt. Beim zweiten Verstoß erhalte der Lenker wiederum eine schriftliche Ermahnung mit dem Hinweis auf die fristlose Kündigung bei einem weiteren Verstoß. Weiters führt der Zeuge aus, dass vor ihm Herr K. diese Kontrollen durchgeführt habe, welcher jetzt als Disponent tätig sei. Der Betriebsrat kontrolliere die Tachographenblätter insofern, als ihm monatlich von ca. 20 Lenkern die Fahrtenschreiberblätter vorgelegt werden und diese hinsichtlich Übertretungen des AZG durchgesehen werden.

Die Bezahlung der Lenker erfolge nach Touren und könne sich ein Lenker durch die Überschreitung der Arbeitszeit keinen finanziellen Vorteil herausholen. Werden Tachographenscheiben nicht abgegeben, wird eine schriftliche Mahnung erteilt bzw. das Gehalt des Lenkers bis zur Nachreichung der Tachographenscheiben auf das Kollektivvertragsniveau zurückgesetzt.

Neben der Kontrolle der Fahrtenschreiberblätter habe der Zeuge nur ein paar untergeordnete Aufgaben (z.B. Unterschreiben von Mietverträgen und Fahrereinstellungsverträgen).

Eine weitere seiner Aufgaben besteht in der Kontrolle der Mautabrechnungen. Bei der Mautkontrolle werden wöchentlich ca. 500 Ausdrucke in denen die von den Fahrzeugen passierten Mautstationen ausgewiesen sind, von ihm durchgesehen und dabei überprüft, ob die Lenker die Fahrtrouten zweckmäßig gewählt haben und nicht unnötige Umwege gefahren sind.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der bei der S. S. mit dem Sitz in B. beschäftigte Arbeitnehmer S. C., geb. am 20.5.1956, hat beim Lenken des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen GR, das der Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, bei Fahrten im internationalen Straßenverkehr innerhalb des Zeitraumes vom 8.7.2003, 05.15 Uhr bis 9.7.2003, 05.15 Uhr keine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens 9 Stunden eingehalten.

 

Im Betrieb besteht kein ausreichendes effizientes Kontroll- und Sanktionssystem hinsichtlich Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften.

 

3.4. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie aus den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung, insbesondere der Einschau in die entsprechenden Urkunden, sowie den Aussagen des Zeugen M.

 

Wenngleich die Nichteinhaltung der Ruhezeit nicht durchgehend dokumentiert ist, da mangels eingelegtem Fahrtenschreiberblatt für den Zeitraum vom 8.7.2003, 13:15 Uhr bis 9.7.2003, 9:00 Uhr keine Aufzeichnungen vorliegen, ergibt sich die Ruhezeitunterschreitung allein schon aus der Tatsache, dass in diesem Zeitraum mit dem LKW 967 km zurückgelegt wurden. Bei einem realistischen Schnitt von 70 km/h ergibt sich im Zusammenhang mit den vorhandenen Aufzeichnungen für die restliche Zeit, dass eine 9-stündige durchgehende Ruhezeit dabei unmöglich einzuhalten war.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Hinsichtlich der gesetzlichen Strafbestimmungen kann auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Straferkenntnis verwiesen werden, um Wiederholungen zu vermeiden.

 

Der objektive Tatbestand ist als erfüllt anzusehen, wobei hier nochmals auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen werden kann.

 

Zur subjektiven Tatseite hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Beschuldigte von sich aus intuitiv alles vorzubringen um glaubhaft zu machen, dass ein wirksames Kontroll- und Sanktionssystem besteht, um die jeweiligen Lenker von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz abzuhalten.

Dies ist dem Beschuldigten nicht gelungen. Insbesondere aus den Aussagen des Zeugen M. ergibt sich, dass bei der Vielzahl der zu prüfenden Tachoscheiben, bei 800 Lenkern und 20 bis sogar 30 Scheiben pro Lenker bedeutet dies zwischen 16.000 und 24.000 Scheiben pro Monat zu sichten. Alleine daraus ergibt sich für den unabhängigen Verwaltungssenat schon, dass bei einer so großen Anzahl keine auch nur annähernd detaillierte Prüfung stattfinden kann, sondern sie, wie auch von Zeugen zugestanden, nur überblicksmäßig und nicht in die Tiefe gehend erfolgen kann.

 

Auch wenn diese Überprüfung offensichtlich zu dem angesprochenen Tatzeitpunkt ein Vorgänger von Herrn M. durchgeführt hat - der jedoch als vom Bw namhaft gemachter Zeuge zur fortgesetzten öffentlichen mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen ist - ist bei der großen Anzahl der Fahrzeuge auch hier allgemein von einer einzigen Person eine entsprechend effiziente Kontrolle mit der erforderlichen Tiefe nicht denkbar.

Auch das Entlohnungssystem nach gefahrenen Touren stellt keine Maßnahme dar, die Arbeitszeitüberschreitungen hintan hält.

Der Bw hat daher die Tat auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten.

 

Die Verhängung der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe erscheint dem Unabhängigen Verwaltungssenat allerdings etwas überschießend, da nur eine einschlägige Verwaltungsvorstrafe vorliegt und der Lenker nicht im angelasteten Zeitraum nicht völlig durchgefahren ist, sondern zumindest kleinere Pausen eingelegt hat. Auch der Strafantrag des Arbeitsinspektorates erscheint in diesem Zusammenhang etwas eigenartig, da in diesem sogar mehr als die vorgesehene Höchststrafe verlangt worden ist, während bei anderen vergleichbaren Delikten in der Regel immer eine niedrigere Strafe beantragt wird. Auch findet sich für die Höchststrafe weder in diesem Strafantrag noch im angefochtenen Straferkenntnis eine ausreichende und nachvollziehbare Begründung.

Die nunmehr festgesetzte Strafe von 1.000 Euro erreicht bei einem Strafrahmen zwischen 72 und 1.815 Euro immerhin noch ca. 55 % der Höchststrafe und ist geeignet dem Ausmaß der Verstöße gerecht werden. Eine außerordentliche Strafmilderung oder gar ein Absehen von der Strafe kam mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht in Betracht.

 

Die Spruchergänzung dient lediglich der Klarstellung, da ansonsten der Eindruck erweckt werden könnte, dass überhaupt keine Pausen im beschriebenen Zeitraum eingelegt worden wären. Dies ist nicht der Fall; es wurden aber die gesetzlichen Anforderungen an eine zusammenhängende Ruhezeit nicht erfüllt.

 

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den im Spruch angeführten Rechtsgrundlagen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Wimmer

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum