Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280904/20/Kl/Pe

Linz, 08.08.2006

 

 

 

VwSen-280904/20/Kl/Pe Linz, am 8. August 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn DI Dr. K L, pA M Sr GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. D E, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 7.3.2006, BZ-Pol-09035-2005, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 22.6.2006 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, dass bei der Strafnorm iSd § 44a Z3 VStG anstelle "Z1" der Ausdruck "Einleitung" zu treten hat.

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag von 20 % der verhängten Strafe, das sind 300 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 7.3.2006, BZ-Pol-09035-2005, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 69 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 7 und § 161 BauV verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als im Sinne des § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma M S GmbH (Arbeitgeberin), zu verantworten hat, dass am 25.10.2005 auf der Baustelle B- u A U trotz Absturzgefahr von ca. 12 m eine auf dem ca. 7° geneigten Flachdach vorhandene ca. 3 x 6 m große Öffnung, die sich unmittelbar oberhalb der zu montierenden Sonnenkollektoren befand, nur mit einer folienartigen Abdeckung versehen war, obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen sind.

Ein Arbeitnehmer dieser Firma (F M) betrat im Zuge der Montage der Sonnenkollektoren diese Dachöffnung und stürzte durch die nicht tragsichere Abdeckung ca. 12 m in das darunter liegende Stiegenhaus.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses in eventu eine Ermahnung, in eventu die Herabsetzung der Strafhöhe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde keine Feststellungen zur Absturzgefahr getroffen hätte. Auch hätte der Berufungswerber nicht zu verantworten, dass nur eine folienartige Abdeckung vorhanden war und treffe ihn kein Verschulden am Sturz des Arbeitnehmers durch die bezeichnete Dachöffnung. Bauherr sei die L gewesen und sei diese daher aufgrund des BauKG verantwortlich. Auch sei eine Absicherung der Dachöffnungen (Lichtkuppeln) vom Bauherrn zwar vorgesehen gewesen, allerdings aus Kostengründen nicht erfolgt. Auch seien zum Zeitpunkt des Unfalles Dachdecker der Firma H OHG vor Ort auf der Baustelle anwesend gewesen, welche für die Anbringung von Absicherungen zuständig gewesen wäre. Die Firma M S GmbH sei nur Subauftragnehmer der Firma K & P I GmbH gewesen. Es liege daher kein Verschulden des Berufungswerbers vor. Auch sei für die Baustelle ein Baustellenkoordinator eingesetzt gewesen, der für die Hintanhaltung derartiger Vorfälle verantwortlich gewesen sei. Auch wären die Mitarbeiter der M S GmbH einer regelmäßigen Schulung hinsichtlich Arbeitnehmerschutz unterzogen worden. Schließlich wurde mangelhafte Tatkonkretisierung geltend gemacht, weil die Uhrzeit im Spruch des Straferkenntnisses nicht angeführt war. Auch wäre eine geringere Strafe angemessen oder mit einer Ermahnung das Auslangen zu finden.

 

3. Der Magistrat Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und in einer Stellungnahme die Abweisung des Straferkenntnisses beantragt. Es wurde auf die ausreichende Dokumentation durch Schriftstücke und Fotos im Akt hingewiesen. Gemäß den Bestimmungen des BauKG wird der Beschuldigte nicht durch die Bestellung eines Baustellenkoordinators seiner Verpflichtung enthoben, sondern hat er auf die Einhaltung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu achten.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere auch in die der Anzeige beigeschlossenen Fotos, und durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2006, zu welcher die Parteien geladen wurden. Der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz haben an der Verhandlung teilgenommen. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen Arbeitsinspektor DI A H, H L, E B, T P und F M, alle M S GmbH, geladen und einvernommen.

Anlässlich der mündlichen Verhandlung wurden vom Berufungswerber drei weitere Fotos der Baustelle bzw. Unfallstelle vorgelegt und zum Akt genommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass am 25.10.2005 der namentlich genannte Arbeitnehmer auf der Baustelle B- u A in U, auf dem ca. 7 o geneigten Flachdach mit der Montage der Sonnenkollektoren beschäftigt war, wobei Absturzgefahr von ca. 12 m Höhe durch eine ca. 3 m x 6 m große Öffnung auf dem Dach, die nur mit einer folienartigen, nicht tragsicheren Abdeckung versehen war, in das darunterliegende Stiegenhaus gegeben war. Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen waren nicht angebracht und es war der Arbeitnehmer auch nicht angegurtet. Im Zuge dieser Montagearbeiten betrat er diese blickdichte Abdeckung und stürzte im Eckbereich der Plane 12 m in das Stiegenhaus ab. Die mit Folie abgedeckte Öffnung sollte verglast werden. Die Folie diente nur als Regenschutz. Es gab keinen Hinweis, dass sich auf dem oberen Teil des Daches nur eine nicht tragbare Folienabdeckung befindet. Die Unfallstelle war im erhöhten Bereich des Daches gelegen. Links und rechts dieses erhöhten Dachteiles befindet sich jeweils ein Pultdach. Um die Sonnenkollektoren von oben zu montieren musste dieser obere Teil des Daches betreten werden.

Die Montage der Sonnenkollektoren wurde von der M S GmbH durchgeführt, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber ist. Sie ist zu 50 % Tochter der E W und zu 50 % der E O. Der Auftrag wurde als Subauftrag der Firma K & P I GmbH durchgeführt. Es waren Arbeitnehmer mehrerer Firmen, nämlich Baufirma, Spengler, Elektriker, Fensterer usw. anwesend. Die Arbeitnehmer wurden von niemandem aufmerksam gemacht, dass die Folie nicht tragfähig sei.

Die M S GmbH hat 18 Mitarbeiter, davon vier Leute für den Außendienst, zwei Montagetrupps jeweils mit Vorarbeiter L und B und ein Arbeitsvorbereiter im Büro, der die Montagetrupps einteilt (Herr D). Am 25.10.2005 befanden sich zwei Montagetrupps der Firma M S GmbH auf der Baustelle, nämlich der Vorarbeiter B mit Herrn P und der Vorarbeiter L mit dem verunfallten Arbeitnehmer M. Gesamtverantwortlich für die Baustelle war Herr L. Dieser ist Obermonteur. Für jede Baustelle gibt es im Büro einen Akt und Fotos, wobei anhand der Fotos erkennbar ist, welche Absicherungsmaßnahmen für die Baustelle erforderlich sind. Herr L hat bereits 14 Tage vor dem Unfall die Baustelle besichtigt und vom Dachboden aus Fotos gemacht. Einen Hinweis, dass ein Teil des Daches geöffnet war und mit einer unzureichenden Folienabdeckung bedeckt war, gab es vor dem Unfall nicht. Sicherheitsmaßnahmen werden von der Baustelleneinteilung vom Arbeitsvorbereiter entweder vorgegeben oder es ist aus dem Akt und den Fotos für den Obermonteur und Partieführer erkennbar, welche Einrichtungen erforderlich sind und mitgenommen werden. Technische Schutzausrüstungen stehen in der Firma zur Verfügung, persönliche Schutzausrüstung befindet sich im Firmenfahrzeug. Für die Umsetzung der Schutzeinrichtungen ist der Obermonteur verantwortlich. Dieser ist selbständig auf der Baustelle. Die Arbeit teilt der Obermonteur ein und ist dieser für die Sicherheit der Partie verantwortlich. Die Verwendung von Sicherheitsgeschirr und -seil weiß jeder Arbeitnehmer selber und bedarf es keiner Anordnung. Auch im gegenständlichen Fall gab es keine Anordnung ein Sicherheitsseil zu verwenden. Nur im Streitfall entscheidet der Partieführer. Bei Unsicherheit wird im Büro nachgefragt. Eine Kontrolle der Baustelle durch die Firma erfolgte nicht. Insbesondere war der Arbeitsvorbereiter nicht auf der Baustelle zu einer Kontrolle. Anordnungen über Sicherheitsmaßnahmen gab es von der Firma für die Baustelle nicht. Der Partieführer bekam die Lagepläne und Schnitte. Informationen über den Stiegenhausbereich gab es von der Firma nicht. Es gab auch keinen Hinweis über Dachöffnungen. Auch der Berufungswerber kannte die Baustelle nicht.

Es gab für die Arbeitnehmer wiederholte Unterweisungen hinsichtlich Sicherheitsvorkehrungen, die letzte im September 2005. Bei diesen Unterweisungen wird auf Änderungen der Bestimmungen hingewiesen. Es wird immer wieder vom Beschuldigten darauf hingewiesen, die Schutzbestimmungen einzuhalten.

Für die Baustelle gab es einen SIGE-Plan, worin aber kollektive Schutzmaßnahmen nicht vorgesehen waren. Auch war ein Baustellenkoordinator bestellt (Herr N). Bereits im Juni 2005 wurde vom Arbeitsinspektorat beanstandet, dass im SIGE-Plan keine kollektiven Sicherungsmaßnahmen für Dacharbeiten konkretisiert wurden. Der Baustellenkoordinator wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt, 1U24/06p verurteilt. In der mündlichen Strafverhandlung kam hervor, dass es einen technisch richtigen Vorschlag der Firma K hinsichtlich der Abdeckung mit Pfosten gab, dieser aber vom Baustellenkoordinator, welcher gleichzeitig auch Bauherrenvertreter war, offensichtlich aus Kostengründen nicht umgesetzt wurde. Es gab keinen Kontakt zum Baustellenkoordinator, auch wurde der Berufungswerber nicht den Baustellenbesprechungen beigezogen und wurde das Ergebnis auch nicht an ihn bekannt gegeben und wurde Protokolle nicht übermittelt. Auch hat er den SIGE-Plan nicht gekannt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den glaubwürdigen und zweifelsfreien Aussagen der einvernommenen Zeugen sowie auch aus den Angaben des Berufungswerbers. Die Baustellensituation bzw. mangelnde Absicherung ist auch aus den vorliegenden Fotos ersichtlich.

Die Einholung des Strafaktes des BG Freistadt zum Strafverfahren gegen den Baustellenkoordinator war jedenfalls nicht erforderlich, zumal dessen Verantwortlichkeit im gegenständlichen Strafverfahren nicht relevant ist und im übrigen der Sachverhalt unzweifelhaft feststeht.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

Gemäß § 7 Abs.2 Z1 BauV liegt Absturzgefahr bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, ................ bei Öffnungen in Geschossdecken, wie Installationsöffnungen oder in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Shed-dachöffnungen, vor, sowie an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrwegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe (Z 4).

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - AschG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Im Grunde des festgestellten Sachverhaltes ist daher erwiesen, dass die gegenständlichen Arbeiten auf dem Dach durchgeführt wurden und eine Absturzgefahr gemäß § 7 Abs.2 BauV bestand, nämlich weil eine Lichtkuppelöffnung vorhanden war bzw. auch eine Absturzhöhe von mehr als 2 m, nämlich konkret ca. 12 m in das Stiegenhaus bestand. Unter diesen Voraussetzungen nimmt die BauV ex lege Absturzgefahr an. Gesonderte Feststellungen über die Gefährlichkeit sind daher nicht mehr erforderlich. Weil aber bei Absturzgefahr entsprechende Schutzeinrichtungen vorzusehen waren (§ 7 Abs.1 BauV), solche aber konkret nicht vorhanden waren, wurde der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung eindeutig erfüllt.

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer und hat daher gemäß § 9 Abs.1 VStG die Tat verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

Gemäß § 155 Abs.1 BauV hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass den Vorschriften des I., II. und III. Hauptstückes dieser Verordnung sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Unterhaltung und Führung der Baustelle entsprochen wird. Dieser Pflicht wird der Arbeitgeber auch nicht durch die Bestellung eines Baustellenkoordinators enthoben. § 1 Abs.5 Bauarbeitenkoordinationsgesetz - BauKG regelt daher, dass dieses Bundesgesetz unbeschadet der im Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG) geregelten Verpflichtungen der Arbeitgeber, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit zu sorgen, gilt. Es haben daher gemäß § 8 Abs.1 ASchG und gemäß § 4 Abs.6 BauV die Arbeitgeber bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten und die Schutzmaßnahmen zu koordinieren.

 

5.2. Der Beschuldigte bekämpft in seiner Berufung die Annahme eines Verschuldens und beruft sich auf die Organisation des Betriebes. Diese Ausführungen konnten aber im Grunde des Beweisverfahrens den Beschuldigten nicht entlasten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt nämlich, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten und ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Im Sinn der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Berufungswerber nicht ausreichend nachgekommen. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (vgl. VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der vom verunfallten Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem, Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war."

 

Im Grunde dieser Judikatur reicht es daher nicht aus, dass der Berufungswerber Weisung gibt, die Arbeitnehmerschutzbestimmungen einzuhalten und dass es Unterweisungen der Mitarbeiter über Schutzmaßnahmen in allgemeiner Hinsicht gibt, wenn aber für die konkrete Baustelle keine konkreten Schutzmaßnahmen angeordnet werden und deren Einhaltung auch nicht überwacht wird. Das Beweisverfahren hat ergeben, dass konkrete Maßnahmen nicht angeordnet wurden und auch die einzelnen Partieführer bzw. Obermonteure sehr selbständig eingesetzt sind und selbständig die Schutzmaßnahmen bestimmen und ergreifen. Eine Kontrolle dieser Personen durch den Berufungswerber oder durch eine von ihm beauftragte Person erfolgte auf der Baustelle nicht. Es reicht daher nicht aus, dass der Berufungswerber einen geeigneten Obermonteur eingesetzt hat, wenn nicht auch konkrete Anweisungen für die Baustelle erfolgen und auch die Einhaltung dieser Anweisungen nicht kontrolliert wird. Nach der Judikatur hätte es eines Nachweises bedurft, wie der Berufungswerber Kontrollen durchführt, wie oft er diese Kontrollen durchführt und welche konkreten Maßnahmen er getroffen hat, um unter den vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gewährleisten zu können. Gerade im gegenständlichen Fall kann sich aber der Berufungswerber mit dem Vorbringen der Unvorhersehbarkeit nicht entlasten, weil das Beweisergebnis gezeigt hat, dass der Berufungswerber selbst die Baustelle nicht besichtigt hat, mit anderen Arbeitgebern, die notwendiger Weise bei Dacharbeiten auftreten, keine Gespräche geführt hat, also keine Koordination durchgeführt wurde und auch den selbständigen Vorarbeiter nicht kontrolliert hat. Es dient daher das Vorbringen des Berufungswerbers, dass er den SIGE-Plan nicht gekannt hat, dass Gespräche mit dem Baustellenkoordinator nicht stattgefunden habe, dass er Baustellenbesprechungen nicht zugezogen wurde und auch die diesbezüglichen Protokolle nicht übermittelt bekommen hat, nicht zu seiner Entlastung, sondern stellen diese Umstände ein sorgfaltswidriges Verhalten eines Arbeitgebers dar. Vielmehr hätte er sich bei ordnungsgemäßer Sorgfalt über die Umstände der Baustelle erkundigen müssen, insbesondere auch bei Dacharbeiten sich mit anderen Arbeitgebern koordinieren müssen bzw. auch hinsichtlich der Koordination mit dem Baustellenkoordinator Kontakt aufnehmen müssen, sodass je nach Baufortschritt der Baustelle und anderer Gewerke entsprechende Sicherheitsmaßnahmen getroffen hätten werden können. Insbesondere ist auch bemerkenswert, dass Pläne und Schnitte des Gebäudes der Firma vorhanden waren, woraus auch absturzgefährdete Stellen, wie konkret Stiegenhäuser, ersichtlich sind und dann entsprechend die Öffnungsabdeckung am Dach hinterfragt hätte werden müssen. Da der Berufungswerber die Baustelle selbst nicht kannte, der Partieführer bzw. Obermonteur selbständig tätig war, dieser die Gefahr eines Absturzes nicht erkannte und keine entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen anordnete, aber auch keine Anweisungen durch den Berufungswerber erhielt, ist jedenfalls von einer Sorglosigkeit bzw. Sorgfaltswidrigkeit des Berufungswerbers und damit von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen. Im Grunde seines Vorbringens hat der Berufungswerber nicht darlegen können, welche Maßnahmen er getroffen hat, die gewährleisten, dass die Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzbestimmungen einhalten. Da die Gefahr vom Partieführer nicht erkannt wurde, wurde ja auch nicht Rücksprache mit dem Büro oder dem Berufungswerber gehalten und sind daher auch keine Anweisungen an die Arbeitnehmer zur Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden. Auch wurde die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften weder vom Berufungswerber noch von einer von ihm beauftragten Person überwacht und daher kein lückenloses Kontrollnetz nachgewiesen. Es ist daher vom Verschulden des Berufungswerbers auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat auf alle objektiven Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.1 Bedacht genommen, insbesondere aber auf die nachteiligen Folgen der Tat. Auch war die große Absturzhöhe beim Unrechtsgehalt der Tat zu werten, zumal die Gefährdung für Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer erheblich war. Hinsichtlich der subjektiven Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.2 VStG wurde die Unbescholtenheit des Beschuldigten mildernd gewertet. Der Arbeitsunfall jedoch kann nicht als straferschwerend gewertet werden, zumal dies bereits als nachteilige Folge im Unrechtsgehalt zu berücksichtigen war. Die Behörde ist von geschätzten persönlichen Verhältnissen, nämlich Monatseinkommen von 3.000 Euro, kein Vermögen, keine Sorgepflichten ausgegangen und wurde diesen Umstände auch im Berufungsverfahren nichts entgegengehalten. Im Hinblick auf die erhebliche Gefährdung und die Unfallfolgen war gemäß dem Unrechtsgehalt der Tat die verhängte Geldstrafe angemessen. Sie beträgt nicht einmal ein Viertel des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens und ist daher nicht überhöht. Auch ist sie den persönlichen Verhältnissen angepasst. Sie ist erforderlich um den Berufungswerber von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten und ihn zu einem gesetzeskonformen Verhalten, nämlich genügende Sorge für die Sicherheit der Arbeitnehmer zu tragen anzuhalten. Auch war die Strafe erforderlich, um andere Arbeitgeber vor einer entsprechenden Tatbegehung abzuschrecken.

Es war daher die verhängte Geldstrafe als angemessen zu bestätigen.

 

Geringfügigkeit des Verschuldens war nicht gegeben, zumal die Voraussetzung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht erfüllt ist, da Geringfügigkeit nur dann vorliegt, wenn das Tatverhalten des Beschuldigten weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher von einer Strafe gemäß § 21 VStG mangels der Voraussetzungen nicht abzusehen. Auch kann nicht von unbedeutenden Folgen der Tat gesprochen werden.

Ein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe war im Grunde der Strafbemessung nicht festzustellen, sodass von der außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen war.

 

5.4. Die vom Berufungswerber bemängelte Tatkonkretisierung, wonach im Tatvorwurf auch die Uhrzeit anzuführen wäre, kann nicht zum Erfolg gereichen. Nach der Judiaktur des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich das Anführen der Uhrzeit nicht erforderlich (vlg. VwGH vom 31.3.2006, Zl.: 2004/02/0366 sowie vom 4.2.1993, Zl.: 92718/0427).

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds 300 Euro, vorzuschreiben (§ 64 VStG).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Absturzgefahr, Sorgfalt des Arbeitgebers, Kontrollsystem

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 31.7.2007, Zl.: 2006/02/0237-6

 

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