Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-290028/2/Kl/Km

Linz, 19.01.1995

VwSen-290028/2/Kl/Km Linz, am 19. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung der E M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N H gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 24. März 1994, Zl. Bi-1-1994-Ma, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Schulpflichtgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 24. März 1994, Bi-1-1994-Ma, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 1.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 24 Abs.1 in Verbindung mit § 24 Abs.4 Schulpflichtgesetz verhängt, weil ihr Sohn, geb. 11.2.1979, von Oktober 1993 bis März 1994 die in den Anzeigen der Leitung des Polytechnischen Lehrganges Mattighofen enthaltenen unentschuldigten Fehlstunden in der Schule aufzuweisen hat (Anzeige 17.11.1993 - 26 Fehlstunden, 18.1.1994 - 28 Fehlstunden, 26.1.1994 - 8 Fehlstunden, 4.2.1994 - 26 Fehlstunden, 14.3.1994 - weitere Fehlstunden). Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S festgelegt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung und es wird darin das Straferkenntnis zur Gänze angefochten, die Tatbegehung bestritten und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Gegenschrift erstattet.

4. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl.Nr.

76/1985 idgF, sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler zu sorgen.

Die Nichterfüllung der in Abs.1 angeführten Pflicht stellt eine Verwaltungsübertretung dar und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis 3.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen (§ 24 Abs.4 leg.cit.).

5.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzu bieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muß ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

Es muß daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen:

5.2.1. Es wäre daher erforderlich gewesen, der Beschuldigten die Nichterfüllung der in § 24 Abs.1 Schulpflichtgesetz auferlegten Verpflichtung vorzuwerfen. Dabei ist im engen Zusammenhang die Bestimmung des § 9, insbesondere Abs.2 und Abs.3, des Schulpflichtgesetzes zu berücksichtigen, wonach ein gerechtfertigtes Fernbleiben keine Verletzung der Schulpflicht und daher auch keine Verletzung der Verpflichtungen der Eltern darstellt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß gemäß § 9 Abs.5 leg.cit. zwar für die Erziehungsberechtigten die Verpflichtung besteht, jede Verhinderung des Schülers ohne Aufschub unter Angabe des Grundes dem Klassenlehrer oder Schulleiter bekanntzugeben und allenfalls bei einer länger als eine Woche dauernden Erkrankung oder Erholungsbedürftigkeit des Schülers ein ärztliches Zeugnis vorzulegen. Die Nichtbeachtung dieser Pflicht ist aber nicht unter Strafsanktion gestellt. Es kommt daher der Nichtvorlage von Entschuldigungen für das Fehlen des Schülers zwar eine Indizwirkung für das mögliche Vorliegen einer sanktionierbaren Verletzung des Schulpflichtgesetzes zu, ein tatbildmäßiges Verhalten kann allein damit jedoch nicht begründet werden. Um die Tatbestandsmäßigkeit zu erfüllen, wäre daher auf das ungerechtfertigte Fernbleiben vom Schulbesuch abzustellen.

5.2.2. Im übrigen wäre es im Sinne der erforderlichen Tatkonkretisierung notwendig, daß im Spruch des Straferkenntnisses das jeweilige ungerechtfertigte Fernbleiben von der Schule (als Tatbestandsvoraussetzung) angeführt wird. Ein Verweis auf Anzeigen, wobei diese Anzeigen dem Straferkenntnis nicht angeschlossen sind, kann eine solche Tatkonkretisierung nicht ersetzen. Es wird daher die Beschuldigte wegen der mangelhaften Ausführung des Tatvorwurfes in ihrem Verteidigungsrecht erheblich beeinträchtigt.

5.3. Weil ein entsprechender Tatvorwurf aber weder in dem vorausgegangenen Ladungsbescheid (als erster Verfolgungshandlung) noch in sonstiger Weise an die Beschuldigte ergangen ist, konnte eine entsprechende Spruchkorrektur vom O.ö. Verwaltungssenat im Rahmen seiner Entscheidungsbefugnis nicht durchgeführt werden.

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, ohne daß auf einzelne Berufungsgründe näher einzugehen war.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war kein Verfahrenskostenbeitrag zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Klempt

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