Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280656/13/Ga/He

Linz, 16.12.2003

 

 

 

VwSen-280656/13/Ga/He Linz, am 16. Dezember 2003

DVR.0690392 

 

E R K E N N T N I S
 
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung der Frau Dipl.-Ing. U F, vertreten durch Mag. M B, Rechtsanwalt in L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 13. Dezember 2002, Zl. Ge-96-87-2002-Brot, wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), nach öffentlicher Verhandlung am 22. August 2003 zu Recht erkannt:
Hinsichtlich der Schuld wird die Berufung abgewiesen; diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in der vierten Zeile des Schuldspruchs nach dem Satzbeginn "Am 18.4.2002 waren" folgende Wortfolge einzufügen ist: "von der genannten Gesellschaft als Arbeitgeber". Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung hingegen stattgegeben; die verhängte Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) wird auf 1.500 € (69 Stunden), der auferlegte Kostenbeitrag auf 150 € herabgesetzt.
Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24,§ 51 Abs.1, § 51c, § 51i, § 64 f VStG.
 

Entscheidungsgründe:
Sachverhalt:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 13. Dezember 2002 wurde die Berufungswerberin einer Verletzung des § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 7 Abs.1 sowie § 7 Abs.2 Z4 und § 7 Abs.5 BauV für schuldig befunden. Diese Verwaltungsübertretung habe die Berufungswerberin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der P Bau GmbH., und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG zu verantworten. Über sie wurde eine Geldstrafe von 2.000 € kostenpflichtig verhängt und eine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt.
Als erwiesen wurde ihr vorgeworfen (§ 44a Z1 VStG):
"Am 28.4.2002 waren auf der Baustelle in L, Haus 2, Teil 2, auf den Grundstücken Nr. KG. U, die 3 Arbeitnehmer, Herr S M, Herr C V und Herr H E auf der Decke über dem 2. Obergeschoss mit Deckenbetonierarbeiten beschäftigt. Das lang gestreckte Gebäude (Haus 2) weist eine Länge von ca. 72 m und eine Breite von ca. 12 m auf und besteht aus 2 Teilen. Im Teil 2 (Länge ca. 36 m, Breite ca. 12 m), auf dem die Betonierarbeiten durchgeführt wurden, waren lediglich an der Stirnseite über die gesamte Gebäudebreite und ca. in der Mitte längsseitig betrachtet, beidseitig Schutzgerüste über eine Länge von ca. 3 m vorhanden. Ansonsten waren an beiden Längsseiten (Länge ca. 36 m) keine Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen angebracht, obwohl die mögliche Absturzhöhe nach außen für die mit Blick zur Sturzkante durchzuführenden Arbeiten laut Plan ca. 9 m betragen haben. Obwohl bei den Betonierarbeiten zur Herstellung der Decke über dem 2. Obergeschoss im Haus 2, Teil 2, an beiden Längsseiten eine Absturzhöhe von ca. 9,0 m gegeben war, waren jeweils nur ca. 3 m durch ein Schutzgerüst abgesichert. Auf ca. 33 m waren trotz Absturzgefahr keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht."
 
Die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Juni 2002 (= erste Verfolgungshandlung im Berufungsfall) enthält eine zum Schuldspruch wortidente Anlastung. Andere Verfolgungshandlungen gegen die Berufungswerberin liegen dem von der belangten Behörde vorgelegten Strafakt nicht ein und sind auch nicht in der öffentlichen Verhandlung hervorgekommen.
 
Die von der Berufungswerberin beantragte Verhandlung wurde am 22. August 2003 durchgeführt; die zur Entscheidung erforderlichen Beweise wurden aufgenommen. Geladen und anwesend waren die Berufungswerberin mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter und das Arbeitsinspektorat als Organpartei; der als Zeuge geladenen, mit der Kontrolle der Baustelle befasst gewesene Arbeitsinspektor war entschuldigt. Unentschuldigt blieb der Verhandlung fern die belangte Behörde. Zusätzlich zur Beschuldigtenvernehmung und zur Befragung des Vertreters der Organpartei wurde Beweis geführt durch förmliche Vernehmung des als Entlastungszeugen von der Berufungswerberin beantragten Bauleiters der in Rede stehenden Baustelle (und zugleich Sicherheitsvertrauensperson) zum Beweis dafür, "dass die Kontrollmechanismen, die für diese Baustelle seitens der Arbeitgeberin eingerichtet gewesen sind und von ihr auch überprüft worden sind, funktionsfähig und ausreichend gewesen sind". Der bezügl. Strafverfahrensakt war dem Beweisverfahren zugrunde gelegt; er wurde auszugsweise bei der Wiedergabe des Verfahrensstandes sowie durch Vorhalt erörtert. Einwände gegen Akteninhalte wurden nicht vorgetragen. In die von der Berufungswerberin in der Verhandlung vorgelegten sonstigen Beweismittel (Kopien diverser Bestätigungen und Baustellenbesuchsprotokolle des Baustellenkoordinators sowie eines Schalungsplanes; Kopien über [arbeits-]medizinische Bescheinigungen) wurden auch von der Organpartei eingesehen. Widersprüche in den Aussagen der Berufungswerberin und des Zeugen traten nicht zutage.
 
Aufgrund der Ergebnisse dieser Verhandlung hat der Unabhängige Verwaltungssenat über die vorliegende, Aufhebung und Einstellung, hilfsweise eine wesentliche Strafminderung beantragende Berufung erwogen:
 
Der dem angefochtenen Schuldspruch zugrunde gelegte Tatsachverhalt, im Besonderen die beschriebene Lücke im Sicherheitssystem an der Baustelle während der Betonierarbeiten zur Herstellung der Decke über dem zweiten Obergeschoss, sowie die näher beschriebene Absturzgefahr für die dort mit diesen Betonierarbeiten an der ungesicherten Stelle beschäftigt gewesenen eigenen, namentlich genannten Arbeitnehmer, wurde auch in der Verhandlung nicht bestritten ("Schlamperei" und Missachtung von Weisungen durch die Arbeitspartie); dieser Sachverhalt war als erwiesen festzustellen. Dasselbe gilt für die grundsätzliche Verantwortlichkeit der Berufungswerberin als zur Tatzeit vertretungsbefugte Geschäftsführerin der als Arbeitgeberin involvierten Gesellschaft.
 
Dennoch sei ihre Bestrafung, so der Einwand der Berufungswerberin in der Hauptsache, rechtswidrig, weil sie an dem Vorfall kein Verschulden treffe. Es sei nämlich, dahin lässt sich das (in der Verhandlung bekräftigte) Berufungsvorbringen zusammenfassen, in ihrem Unternehmen ein effizientes Kontrollsystem eingerichtet bzw. auch schon zur Tatzeit wirksam gewesen.
 
Das auf dieses Vorbringen abzustellende Beweisverfahren ergab für das behauptete Kontrollsystem folgende Faktoren:
 


 
Rechtsbeurteilung:

Mit dem in dieser Weise eingerichteten und gehandhabten Kontrollsystem vermochte die Berufungswerberin die Nichterfüllung der subjektiven Tatseite in diesem Fall - angelastet wurde ein Ungehorsamsdelikt mit von Gesetzes wegen vermuteter Fahrlässigkeitsschuld - allerdings nicht glaubhaft zu machen.
 
Von vornherein ungeeignet zur Dartuung eines Kontrollsystems in der hier angesprochenen Ausprägung aus dem Blickwinkel des § 5 Abs.1 VStG ist, worauf das AI in der Verhandlung zutreffend hingewiesen hat, das den - gemäß BauKG vom Bauherrn zu bestellenden - Baustellenkoordinator und die Zusammenarbeit mit ihm betreffende Vorbringen (im Übrigen betrafen die bezüglichen, in der Verhandlung vorgelegten Urkunden [Kopien] nicht die hier vorgeworfene Tatzeit).
 
Davon aber abgesehen wäre es vor dem Hintergrund der einschlägigen und ständigen Judikatur betreffend das in Fällen wie hier geforderte Kontrollsystem erforderlich gewesen, ein konkretes Tatsachenvorbringen zu erstatten, aus dem sich detailliert ergibt, welches Kontroll- und Maßnahmensystem zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften in dem von der Berufungswerberin geleiteten Unternehmen geschaffen wurde und wie dieses konkret funktioniert (vgl VwGH 20.9.2001, 99/11/0227). Die bloße Dartuung der Erteilung von Weisungen und der Einrichtung eines Kontrollsystems mir hierarchischer Gliederung der Verantwortungsträger und der Kontrolle der in diese Hierarchie Eingebundenen reicht zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens des Arbeitgebers nicht aus. Vielmehr wäre es - über das Glaubhaftmachen der Existenz eines Kontrollsystems in generell-abstrakter Form hinaus - erforderlich gewesen, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen (vgl VwGH 30.9.1998, 98/02/0148; VwGH 24.8.2001, 2001/02/0148, 0149) der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen dieses Systems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das System eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften, hier jene der BauV zum Schutz vor Gefahren an Leib und Leben der Arbeitnehmer bei Beschäftigung an Arbeitsplätzen mit Absturzgefahr, auch tatsächlich befolgt einerseits und andererseits, welche Maßnahmen schließlich die Berufungswerberin als an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.
Auf den Berufungsfall angewendet wäre also detailliert darzustellen gewesen, dass und welche konkreten Maßnahmen - durch Gestaltung von Arbeitsbedingungen, durch entsprechende Entlohnungsmethoden und durch disziplinäre Eingriffe u.dgl. (mit Bezug jedenfalls auf die "vor Ort" eingesetzt gewesene Aufsichtsperson sowie allfällige weitere, in das Kontrollsystem für diese Baustelle einbezogene Mitarbeiter) - so vorgekehrt und, von der Unternehmensspitze aus abwärts, auch gehandhabt wurden, auf dass die Unterbindung von Anreizen zur Verletzung der vorliegend angesprochenen Schutzvorschriften sowie Nachlässigkeiten ("Schlampereien") in diese Richtung unter vorhersehbaren Verhältnissen und mit gutem (damit auch gemeint: auf betriebliche Besonderheiten Bedacht nehmenden) Grund erwartet werden durfte.
Gerade Maßnahmen dieser Art, die die Berufungswerberin selbst ergreift bzw. die die ihr Nachgeordneten zu ergreifen gehabt hätten, sind von der Berufungswerberin schon in der Berufungsschrift nicht dargestellt worden und aber auch in der Verhandlung nicht hervorgekommen. Mit den Faktoren (siehe oben) betreffend Weisungen, Schulungen, Besprechungen, Berichte und Baustellenbesuche (eigene und solche des Bauleiters) ist das geforderte effiziente Kontrollsystem nicht beschrieben. Dasselbe gilt für die (freilich auf einen nach der hier erfassten Tatzeit gelegenen Zeitpunkt bezogene) Bestätigungen, die von der Berufungswerberin im Zusammenhang mit der Helmtragepflicht zur Untermauerung ihrer Behauptung, wonach sie auf die Einhaltung der Schutzbestimmungen bestehe, Fehlverhalten nicht durchgehen lasse und disziplinäre Maßnahmen setze, vorgelegt wurden. Abgesehen davon, dass die behauptete Androhung der Kündigung für den Fall der Verweigerung des Schutzhelmes unbescheinigt blieb, ist damit doch keinerlei Aussage über rechtzeitige dis-ziplinäre Vorkehrungen bei Zuwiderhandlungen gegen die eine gänzlich andere Gefahrenlage ins Auge fassende Schutzpflicht gegen Absturzgefahr getroffen. Zuletzt vermag die als Maßnahme vorgetragene Entlohnungsweise nach den gearbeiteten Stunden nichts über ein effizientes Kontrollsystem anzugeben, weil damit nur der Regelfall angegeben und jedenfalls keine konkrete Maßnahme erläutert wurde, die im Wege spezifischer Gestaltung von Entlohungsmethoden (in jeder Verantwortungsstufe, also auch beim Bauleiter und beim Polier) jeden Anreiz zur "Schlamperei" bei der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften betreffend besonders (durch große Absturzhöhe) gefährliche Baustellen unterbindet.
 
Aus allen diesen Feststellungen und Erwägungen war der belangten Behörde in der Annahme auch der subjektiven Tatseite im Berufungsfall nicht entgegen zu treten, weil ein iS des § 5 Abs.1 VStG schuldbefreiendes, d.h. das spezifische (Konstellationen wie hier gänzlich abdeckende) Netz konkreter Maßnahmen darstellende, Kontrollsystem nicht hervorgekommen ist. Das Fehlverhalten ihrer Arbeitnehmer muss sich die Berufungswerberin im Grunde des daher zu vermuten gewesenen Organisations- und Überwachungsverschuldens anrechnen lassen.
 
Der Schuldspruch war daher zu bestätigen. Gleichzeitig war der Abspruch durch Klarstellung der Arbeitgebereigenschaft der involvierten Gesellschaft richtig zu stellen. Aus dem Blickwinkel einer im Grunde des § 44a Z1 VStG zur Unterbrechung der Verjährung tauglichen Verfolgungshandlung betrifft nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erk. 2001/02/010 vom 22.2.2002) das Tatbestandsmerkmal "Arbeitgeber" im Straftatbestand des § 130 Abs.5 ASchG kein wesentliches Sachverhaltselement - und ist eben deshalb berichtigungsfähig - , wenn, wie hier, der Vorwurf in der ersten Verfolgungshandlung eindeutig an eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtet worden war und aus dem der Anlastung zugrunde gelegten Lebenssachverhalt die Arbeitgebereigenschaft nicht zweifelhaft ist (vorliegend konnte wenigstens aus der Namensnennung der beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer auf die Gesellschaft als deren Arbeitgeber geschlossen werden).
 
 
Zur Strafbemessung
Die Berufungswerberin bekämpft die - von der belangten Behörde anhand der Kriterien des § 19 VStG dargetane - Höhe der verhängten Geldstrafe nicht konkret. Sie beantragte - hilfsweise und ohne nähere Begründung - eine wesentliche Herabsetzung der Geldstrafe. Dem war, mit Augenmaß, zu entsprechen, weil nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates der von der belangten Behörde zu Recht schon berücksichtigte besondere Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit (iS des § 34 Z2 StGB) nach den Umständen des Falles - immerhin handelt es sich bei der involvierten Gesellschaft um ein mittelgroßes Bauunternehmen mit rund 140 Arbeitnehmern - mit größerem Gewicht in die Waagschale gelegt werden konnte einerseits, und in der Verhandlung der Eindruck gewonnen wurde, dass die Berufungswerberin in der Führung des Unternehmens, im Besonderen bei der Abwicklung auch der in Rede stehenden Baustelle um rechtstreue Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitnehmerschutz glaubwürdig iS einer Unternehmenskultur bemüht ist (war) andererseits. Einer noch stärkeren Herabsetzung - das Tribunal befand die Minderung um ein Viertel für tat- und täterangemessen - steht der, schon von der belangten Behörde zutreffend (insbesondere wegen großer Absturzhöhe) als beträchtlich eingestufte Unrechtsgehalt der Übertretung entgegen.
 
Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin kein Beitrag zu den Kosten des Tribunalverfahrens aufzuerlegen.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.
 
 

Mag. Gallnbrunner

 
 

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