Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300018/2/Wei/Bk

Linz, 29.04.1996

VwSen-300018/2/Wei/Bk Linz, am 29. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der F K, geb. 1937, Hausfrau, B, vom 21. Juni 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 31.

Mai 1995, Zl. Pol 96-191-1994, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 3 Abs 1 O.ö.

Polizeistrafgesetz - PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr.

94/1985) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe teilweise Folge gegeben, daß der Spruch zu lauten hat:

F K ist schuldig, sie hat am 28. Februar 1994 in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 23.15 Uhr in ihrer Wohnung im 1.

Stock des Hauses P, B auf ungebührliche Weise störenden Lärm erregt, indem sie lautstark herumschrie und auch mit Gegenständen unsachgemäß Lärm verursachte, beispielsweise Türen zuschlug, sodaß zumindest die Mitbewohner in ihrer Ruhe erheblich beeinträchtigt waren.

F K hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 1 O.ö. PolStG begangen.

Aus Anlaß der Berufung wird die nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG verhängte Geldstrafe auf den Betrag von S 500,-- herabgesetzt. Die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG zu bemessende Ersatzfreiheitsstrafe wird in der strafbehördlich zugemessenen Höhe von 24 Stunden bestätigt.

Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz ermäßigt sich auf S 50,--.

II. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, §§ 64 Abs 1 und 2, 65 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 31. Mai 1995 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 28.2.1994 in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 23.15 Uhr in Ihrer Wohnung in P, auf ungebührliche Weise störenden Lärm erregt, indem Sie lautstark herumschrien und mit Gegenständen um sich warfen, sodaß der unter Ihnen wohnende P K und dessen Lebensgefährtin erheblich in deren Ruhe gestört wurden." Dadurch erachtete die Strafbehörde den § 3 Abs 1 O.ö. PolStG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG eine Geldstrafe von S 1.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden.

Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 100,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das die Bwin nach einem erfolglosen Zustellversuch vom 13. Juni 1995 und Ankündigung eines 2. Zustellversuches am 14. Juni 1995 eigenhändig übernommen hat, richtet sich die Eingabe vom 21. Juni 1995.

Sie kann inhaltlich als Berufung gegen das erlassene Straferkenntnis gedeutet werden, auch wenn sie dieses nicht exakt bezeichnet hat.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der nachstehende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Nach der Anzeige der Gendarmerie P hat die Bwin am 28.

Februar 1994 in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 23.15 Uhr in ihrer Wohnung in der B, laut geschrien und Gegenstände umgeworfen. Die Gendarmeriebeamten schritten über Anzeige des Sohnes P K gegen 23.20 Uhr ein, der seine Mutter als schwerste Alkoholikerin bezeichnete und eine amtsärztliche Untersuchung forderte. Die Wohnung der Eltern war versperrt und wurde nicht geöffnet. Nachdem die Gendarmeriebeamten vor dem Haus die weitere Vorgangsweise mit P K besprochen hatten und er ins Haus gehen wollte, fand er die Haustür versperrt vor, so daß ihm seine Lebensgefährtin öffnen mußte.

Die Bwin ist der Gendarmerie P als Alkoholikerin bekannt.

Sie mußte schon öfters ins Wagner Jauregg Krankenhaus eingeliefert werden. Vorfälle wegen schweren Alkoholmißbrauchs aus den Jahren 1993 und 1994 sind aktenkundig. Die behördlichen Ermittlungen ergaben, daß die Bwin Alkoholikerin ist und wiederholt ungebührlicherweise Lärm erregt hat. Auch ihr Gatte bestätigte für den gegenständlichen Tatzeitraum, daß sie durch lautes Schreien und durch Zuschlagen der Zimmertüre ungebührlich Lärm verursachte. Er verwies aber auch auf ungebührliches Verhalten seines Sohnes, der ihm die Vorraumtüre durch Fußtritte beschädigt und ihn unflätig beschimpft hätte. Eine amtsärztliche Untersuchung der Bwin vom 19. Mai 1994 ergab, daß Restzustände nach jahrelangem Alkoholmißbrauch bestünden, ein aktueller Alkoholismus aber nicht objektivierbar wäre. Die Bwin schilderte dem Amtsarzt die Vorkommnisse als Familienstreitereien plausibel und nachvollziehbar.

2.2. Über Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. August 1994 erstattete die Bwin die schriftliche Stellungnahme vom 12. September 1994, in der sie den Vorfall vom 28. Februar 1994 aus ihrer Sicht schilderte. Dabei gestand sie zu, ihren Unmut über aktuelle Ereignisse und Probleme mit ihrem Sohn und dessen Lebensgefährtin in einer Debatte bis etwa 23.15 Uhr lautstark zum Ausdruck gebracht zu haben. Das Werfen mit Gegenständen bestritt sie. Die Bwin schilderte dann noch Vorfälle betreffend rücksichtsloses und ungebührliches Verhalten ihres Sohnes. In der Nacht vom 31. August auf 1.

September 1994 hätte er um 1.20 Uhr laut mit seiner Lebensgefährtin geschrien und am 30. April 1994, einen Tag vor ihrem Urlaub, hätte er vom Vorhausfenster im 1. Stock das Blumenkisterl samt Inhalt ins Parterre geworfen. Auch eine Blumenvase und ein Trockengesteck hätte er geworfen.

Außerdem hätte ihr Sohn einen Zettel hinterlassen, dessen Inhalt auf beigelegten Fotos festgehalten wurde. Auf den aktenkundigen Fotographien sind Scherben und ein aufgerissener großer Briefumschlag mit dem im folgenden wiedergegebenen Text zu sehen:

ES IST WUNDERSCHÖN DEINE SACHEN ZU ZERSTÖREN !! DU VERSOFFENE NUDEL PS. ICH FREUE MICH SCHON WENN ICH AUF DEIN GRAB PISSEN KANN (zur Illustration wird ein Grab und ein Männchen gezeichnet, das gerade die kleine Notdurft auf das Grab verrichtet und Hurra ruft) IN LIEBE DEIN SOHN P 2.3. Im angefochtenen Straferkenntnis verwies die belangte Strafbehörde zum angelasteten Verhalten auf die bestätigenden Aussagen von 12 Zeugen. Zur Strafzumessung meinte die Strafbehörde, daß die Bwin den Erfolg ihrer Tat bewußt in Kauf genommen und ihr Verhalten über einen längeren Zeitraum fortgesetzt hätte. Erschwerend käme hinzu, daß ihr Verhalten nicht als Einzelfall zu bezeichnen wäre und oftmals wie im gegenständlichen Fall ausartete.

2.4. In ihrer Berufung verweist die Bwin zunächst auf die Stellungnahme vom 12. September 1994. Sie hätte kein Einkommen und lebte von dem was ihr Mann kauft. In weiterer Folge beklagt sie sich abermals über ihren Sohn und dessen Lebensgefährtin, denen nunmehr per 31. Dezember 1995 von ihrem Mann gekündigt worden wäre. Sie hätten nunmehr echte Probleme. Ihre Tochter, eine beliebte VS-Lehrerin, mit 34 Jahren zu verlieren, wäre ein hartes Stück.

2.5. Die belangte Strafbehörde hat die Berufung mit ihrem Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt durch das strafbehördliche Ermittlungsverfahren hinreichend geklärt und auch im wesentlichen unbestritten erscheint.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 3 Abs 1 O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu bestrafen, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

Unter "störendem Lärm" sind gemäß § 3 Abs 2 O.ö. PolStG alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretende Geräusche zu verstehen. Nach § 3 Abs 3 O.ö. PolStG ist er dann als "ungebührlicherweise erregt" anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muß und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann.

Zunächst ist klarzustellen, daß entgegen der Ansicht der Strafbehörde nach den aktenkundigen Beweisergebnissen nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden kann, daß die Bwin mit Gegenständen um sich geworfen hätte. Die Zeugenaussagen lassen nur die Feststellung zu, daß die Bwin nicht nur durch Schreien, sondern auch mit Gegenständen ungebührlicherweise Lärm erregte, wobei sie mit diesen nicht um sich geworfen haben muß. In der Anzeige der Gendarmerie ist daher auch nur vom Umwerfen von Gegenständen die Rede.

Beispielsweise hat auch der Gatte der Bwin vom unangebrachten Zuschlagen der Türen gesprochen. Deshalb war der Schuldspruch insoweit abzuändern. Im übrigen besteht an der störenden und ungebührlichen Lärmerregung im angelasteten Zeitraum kein Zweifel. Die Bwin hat diese durch ihre Einlassung de facto selbst zugestanden.

4.2. Bei der Strafbemessung war davon auszugehen, daß die Bwin, die zwar selbst über kein eigenes Arbeitseinkommen verfügt, Zuwendungen von ihrem Gatten im Rahmen ihres Unterhaltsanspruches erhält. Dabei hat sie auch Anspruch auf die erforderlichen Geldmittel. Außerdem ist sie Hälfteeigentümerin des Hauses B. Sorgepflichten treffen sie nicht. Bei diesen Einkommens- und Vermögensverhältnissen bestehen unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeit keine Bedenken gegen die Höhe der strafbehördlich zugemessenen Geldstrafe.

Aus der Aktenlage geht hervor, daß sich die sehr nervöse Bwin schnell aufregt und offenbar infolge übermäßigen Alkoholkonsums zu Überreaktionen neigt. Der erkennende Verwaltungssenat stimmt der belangten Strafbehörde zu, daß die Bwin ihr ungebührlicherweise lärmendes Verhalten einige Stunden lang fortgesetzt hat, wobei sie die Ruhestörung anderer billigend in Kauf nahm. Allerdings kann nicht als erschwerend angesehen werden, daß dieses Verhalten der Bwin keinen Einzelfall darstellte, zumal einschlägige Vorstrafen nach der Aktenlage nicht ausgewiesen sind. Ebensowenig führt die Unbescholtenheit aber zur Annahme des Milderungsgrundes nach § 34 Z 2 StGB iVm § 19 Abs 2 VStG, weil aufgrund der aktenkundigen Ereignisse nicht gesagt werden kann, daß die Bwin bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt habe und die Tat mit ihrem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehe. Es liegen weder besondere Erschwerungsnoch Milderungsgründe vor.

4.3. Zum Ausmaß des Verschuldens hat die belangte Strafbehörde unberücksichtigt gelassen, daß das inkriminierte Verhalten der Bwin nicht allein auf Alkoholmißbrauch zurückgeführt werden kann. Wie schon der Amtsarzt in seiner Stellungnahme vom 19. Mai 1994 zutreffend ausführte, schildert die Bwin Familienstreitereien, die häufig den Anlaß für ihre Entgleisungen bilden, plausibel und nachvollziehbar. Die Darstellung der Bwin in der Stellungnahme vom 12. September 1994 erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat jedenfalls insoweit glaubhaft, als besonders konfliktbeladene Vorfälle im Zusammenleben mit dem Sohn und dessen Lebensgefährtin geschildert werden. Vor allem sprechen die beigelegten Fotos betreffend einen Bosheitsakt des Sohnes für sich. Auch wenn die geschilderten Ereignisse erst nachträglich stattfanden, kann bei lebensnaher Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, daß derartige Provokationen der Bwin und ihres Gatten vor dem gegenständlichen Vorfall nicht stattgefunden hätten. So schildert die Bwin den Anlaß für die lautstarke "Debatte" am 28. Februar 1994 durchaus plausibel mit unordentlichem und rücksichtslosem Verhalten des Sohnes und seiner Lebensgefährtin. Auch der Aussage des Gatten der Bwin ist zu entnehmen, daß sich der Sohn ungebührlich verhalten hatte, indem er eine Vorraumtüre offenbar mutwillig beschädigte und seinen Vater unflätig beschimpfte.

Ohne diese Schilderungen weiter hinterfragen zu müssen, kann zugunsten der Bwin festgestellt werden, daß die gegenständliche Auseinandersetzung vom Sohn mitverschuldet wurde und daß dieser seine Mutter auch durch Bosheitsakte provozierte. Unter diesen Umständen war das Verhalten der Bwin zwar nicht entschuldbar, aber immerhin verständlicher.

Ein die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließender Rauschzustand im Tatzeitraum hat die Schuldfähigkeit vermindert und konnte gemäß § 35 StGB mildernd gewertet werden, weil er nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates unter den gegebenen Umständen nicht durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der mißbräuchliche Genuß von Alkohol begründet.

4.4. Aufgrund der dargelegten Strafzumessungsfaktoren ist der erkennende Verwaltungssenat beim gegebenen Strafrahmen der Ansicht, daß mit einer Geldstrafe von S 500,--, die immerhin noch 10 % des Strafrahmens ausmacht, noch das Auslangen gefunden werden kann. Diese Strafquote erscheint schuldangemessen und noch ausreichend, um künftiges Wohlverhalten zu erreichen. Die Ersatzfreiheitsstrafe war gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG im Rahmen von 2 Wochen zu bemessen. Sie wäre daher im angemessenen Verhältnis zur verhängten Primärstrafe mit 30 Stunden festzusetzen gewesen.

Da die Strafbehörde lediglich eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden zugemessen hat, war diese im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot zu bestätigen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt im Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens. Im Strafverfahren erster Instanz ermäßigte sich der gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG vorzuschreibende Kostenbeitrag auf S 50,--.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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