Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300036/2/Gb/Shn

Linz, 17.04.1996

VwSen-300036/2/Gb/Shn Linz, am 17. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Franz V gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Rohrbach vom 31. Oktober 1995, Zl.Pol96-81-1995, zu Recht:

I: Der Berufung wird mit der Maßgabe, daß der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nachstehend berichtigt wird, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt. Die als erwiesen angenommene Tat hat zu lauten:

"Sie haben am 2. Oktober 1995 um 23.05 Uhr in Linz auf dem Jahrmarktgelände in Urfahr, unmittelbar neben dem Aufgang zum WC-Wagen beim Weinzelt der Firma Hofstetter in Anwesenheit von den Bediensteten der Bundespolizeidirektion Linz Revierinspektor H und Revierinspektor Ernst P, die kleine Notdurft verrichtet und dadurch den öffentlichen Anstand verletzt. Bei diesem Vorfall befanden sich mehrere Jahrmarktbesucher sowie die Angestellte des WC-Wagens in der Nähe." II: Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 20 % der verhängten Strafe, ds 40 S, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), § 44a Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.2 VStG; zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 200 S (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Stunden) verhängt, weil er am 2. Oktober 1995 um 23.05 Uhr in Linz auf dem Jahrmarktgelände in Urfahr beim Weinzelt der Firma Hofstetter durch Verrichtung der kleinen Notdurft unmittelbar neben dem Aufgang zum WC-Wagen den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte verstoßen habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz, LGBl.Nr.36/1979 idgF (O.ö. PolStG) begangen, weshalb er gemäß § 10 Abs.1 lit.a O.ö. PolStG zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses am 31. Oktober 1995 mündlich verkündete Straferkenntnis richtet sich die nach Verkündung des Straferkenntnisses erhobene Berufung, mit welcher der Berufungswerber beantragt, daß das Straferkenntnis aufgehoben wird.

2.1. Die belangte Behörde führt in der Begründung des Straferkenntnisses aus, daß die Übertretung von zwei Polizisten dienstlich wahrgenommen worden sei und die Übertretung vom Beschuldigten unbestritten geblieben sei.

Die Einspruchsangaben seien nicht geeignet gewesen, den Entlastungsbeweis für mangelndes Verschulden an der angelasteten Verwaltungsübertretung als erbracht anzusehen.

Die verhängte Strafe sei schuldangepaßt. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten seien bei der Strafbemessung berücksichtigt worden.

2.2. Wenn auch entgegen der seit dem 1. Juli 1995 novellierten Bestimmung des § 51 Abs.3 VStG (BGBl.1995/620) die Behörde eine Abfassung einer Niederschrift über die Gründe für die Berufungserhebung nicht veranlaßt hat, ist dennoch von einer zulässigen Berufung auszugehen. In diesem Zusammenhang wird auf die Erläuterungen 131 BlgNR, 19. GP, 7, hingewiesen, wo von "etwaigen Angaben" über die Gründe einer mündlich eingebrachten Berufung gesprochen wird.

In der dem Straferkenntnis vorhergehenden Strafverhandlung hat der Berufungswerber auf die Angaben in seinem Einspruch verwiesen. In diesem am 31. Oktober 1995 mündlich erhobenen Einspruch führt der Berufungswerber aus, daß er ein Blasenleiden habe und er mit der Verrichtung der kleinen Notdurft nicht länger hätte zuwarten können. Er sei vorher bei der Klofrau gewesen, hätte aber keinen Einlaß bekommen, da er keine Schillingmünzen bei sich gehabt hätte und die Klofrau den Geldschein von 100 S nicht wechseln hätte können. Als Beweis legte der Berufungswerber einen Ambulanzbrief vor, aus dem als Therapievorschlag das Medikament "Prostagutt" zu ersehen sei, das dem Berufungswerber verordnet worden sei und das er einnehmen müsse, damit sein Blasenleiden verbessert werde.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit Schreiben vom 6. November 1995 gegenständlichen Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt und somit seine Zuständigkeit begründet. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, daß der entscheidungsrelevante Sachverhalt als hinreichend geklärt erscheint. In Anbetracht der Tatsache, daß im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (§ 51e Abs.2 VStG).

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrundegelegt:

Am 2. Oktober 1995 um 23.05 Uhr hat der Berufungswerber in Linz auf dem Jahrmarktgelände in Urfahr, unmittelbar neben dem Aufgang zum WC-Wagen beim Weinzelt der Firma Hofstetter die kleine Notdurft verrichtet. Dabei wurde er von RI H, Bundespolizeidirektion Linz, Wachzimmer Jahrmarkt, betreten.

Außerdem waren mehrere Jahrmarktbesucher sowie die Angestellte beim WC-Wagen (Klofrau) in der Nähe und äußerten ob des Verhaltens des Berufungswerbers ihren Unmut.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 1 Abs.1 O.ö. PolStG begeht, wer den öffentlichen Anstand verletzt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

Gemäß § 1 Abs.2 O.ö. PolStG ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs.1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

Gemäß § 10 Abs.1 O.ö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß (ua) § 1 leg.cit. von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 5.000 S zu bestrafen.

4.2. Der unter Punkt 3 angeführte Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen aufgrund der Anzeige der BPD Linz, Wachzimmer Jahrmarkt, vom 5. Oktober 1995 und der Aussage des Berufungswerbers. Der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes wird nach der ständigen Judikatur des VwGH erfüllt, wenn ein Verhalten mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und einen groben Verstoß gegen die Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Zur Beurteilung der Verhaltensformen, die beim Heraustreten aus dem Privatleben zu beachten sind, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Für die Publizität genügt es, wenn die Anstandsverletzung in einer Weise begangen wird, daß die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben ist, wobei Zeugen - zu denen auch Sicherheitswachebeamte zählen - nicht als Beteiligte anzusehen sind (vgl VwSlg 11.472 A/1984; VwGH 30.4.1992, 90/10/0039).

Das öffentliche Verrichten der kleinen Notdurft in Gegenwart von Zeugen widerspricht grundsätzlich den Umgangsformen gesitteter Menschen und ist daher geeignet, den Tatbestand einer Anstandsverletzung zu erfüllen (vgl VwGH 22.3.1991, 89/10/0207; VwGH 30.4.1992, 90/10/0039).

4.3. Im gesamten Verfahren hat der Berufungswerber nicht bestritten, daß er zur angegebenen Tatzeit und am angegebenen Tatort die kleine Notdurft verrichtet hat.

Diesbezüglich und auch im Hinblick auf die eigenen dienstlichen Wahrnehmungen des RI H blieb somit die objektive Tatseite unbestritten und ist somit erwiesen.

Bezüglich der subjektiven Tatseite legt der Berufungswerber einen Ambulanzbrief vom 5. Oktober 1995 vor, aus dem zu ersehen sei, daß dem Berufungswerber ua das Medikament "Prostagutt" verordnet worden sei und das er nehmen müsse, damit sein Blasenleiden verbessert werde. Dazu ist festzuhalten, daß als "Diagnose" festgehalten ist, daß sich der Patient (der Berufungswerber) subjektiv "vorwiegend über Einschlafprobleme" beklage. Ein Hinweis bzw ein Klagen über ein Blasenleiden wird darin nicht angeführt. Auch wenn das Medikament "Prostagutt" verordnet worden ist, ist dazu anzuführen, daß es sich hiebei nach medizinischer Auskunft um ein "leichtes" Medikament handelt. Im übrigen ist dies aber insoweit ohne Belang, als der Berufungswerber, falls die von ihm angeführten Beschwerden tatsächlich vorliegen, sich auf diese Krankheit bzw Situation hätte rechtzeitig einstellen müssen. Er hätte, weil ihm sein Blasenleiden bekannt gewesen ist, auch solche Maßnahmen setzen müssen, die es ermöglichen, daß er jederzeit seinem "natürlichen Drängen" ohne Übertretung von Verwaltungsvorschriften hätte handeln können. Demgegenüber ist festzuhalten, daß der Berufungswerber durch die begangene Verwaltungsübertretung geradezu provokant, nämlich unmittelbar beim Aufgang zum WC-Wagen, dh, an einem Ort, wo üblicherweise mit einem regen "Verkehr" gerechnet werden muß, in der Öffentlichkeit uriniert hat. Gerade aus der Tatsache des vom Berufungswerber gewählten Ortes der Tathandlung ist auch das Verschulden des Berufungswerbers zwingend abzuleiten. Gerade ein mit den rechtlichen Werten verbundener Durchschnittsmensch hätte, theoretisch unter Fiktion des Zutreffens der vom Berufungswerber angegebenen medizinischen Umstände gesehen, ein "Örtchen" gewählt, an dem gerade nicht damit gerechnet werden muß, daß andere Personen von der Verrichtung der kleinen Notdurft Kenntnis erlangen können.

Daß der Berufungswerber keine Schillingmünzen bei sich gehabt hätte und die Klofrau den Geldschein von 100 S nicht hätte wechseln können, ändert an der Strafbarkeit des Handelns des Berufungswerbers nichts. Wie schon oben erwähnt muß erwartet werden können, daß in Anbetracht der Kenntnis von einem bestehenden Blasenleiden solche Maßnahmen gesetzt werden, daß auch ein plötzlich auftretendes "Wasserlassenmüssen" ohne Übertretung einer Rechtsvorschrift erfolgen kann.

Bezüglich der Strafbemessung hat der O.ö. Verwaltungssenat keinen Grund zur Annahme, daß die belangte Behörde hinsichtlich der verhängten Strafhöhe ihren Ermessensspielraum überschritten hätte. Die Strafhöhe ist sowohl schuld- als auch tatangepaßt. Die vom Berufungswerber bekanntgegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden bei der Strafbemessung iSd Gesetzes berücksichtigt, Milderungs- oder Erschwerungsgründe sind aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich und wurden auch durch die belangte Behörde nicht berücksichtigt. Aufgrund der geradezu provokanten Art der Tathandlung konnte auch § 21 Abs.1 VStG (Absehen von der Strafe) nicht Anwendung finden, welcher als eine Voraussetzung ein geringfügiges Verschulden normiert, was im gegenständlichen Fall gerade nicht vorliegt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Bei diesem Ergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG im Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ein weiterer Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds 40 S, aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Keinberger

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