Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-300043/2/Kei/Shn

Linz, 13.11.1996

VwSen-300043/2/Kei/Shn Linz, am 13. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Gerhard S, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, vom 3. November 1995, Zl.101-6/4-2393, zu Recht:

I: Der Berufung wird insoferne Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird. Das Verwaltungsstrafverfahren wird nicht eingestellt.

II: Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Art.6 Abs.1 MRK iVm § 51e Abs.1 VStG; §§ 65 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt, weil er "am 7.1.1995 um 2.00 Uhr in Linz, H 5, Lokal 'B' als Unternehmer nicht durch geeignete Maßnahmen dafür gesorgt" habe, "daß die Bestimmungen des Oö. Jugendschutzgesetzes 1988 von Jugendlichen beachtet werden, indem er nicht dafür gesorgt" habe, "daß sich der Jugendliche Jürgen M in der oa. Nachtbar nicht ohne Aufsichtsperson" aufgehalten habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 17 Abs.1 Z3 iVm § 16 Abs.2 Z2 O.ö.

Jugendschutzgesetz begangen, weshalb er gemäß § 17 Abs.1 Z3 O.ö. Jugendschutzgesetz zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses dem Bw am 20. November 1995 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den gegenständlichen Verwaltungsakt des Magistrates Linz Einsicht genommen.

Bereits aufgrund dieser Akteneinsicht hat sich ergeben, daß gemäß § 51e Abs.1 VStG "der angefochtene Bescheid aufzuheben ist" (weshalb auch von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte).

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Im Zuge des zu dürftig durchgeführten Ermittlungsverfahrens erfolgte keine Einvernahme von Zeugen. Eine Einvernahme bzw Befragung von im Verwaltungsakt (insbesondere in der Anzeige vom 23. Februar 1995) namentlich angeführten Personen hätte vorgenommen werden müssen. Erst nach Durchführung von oben beispielsweise angeführten Ermittlungen hätte eine Beurteilung der subjektiven Tatseite im Hinblick auf die dem Bw vorgeworfene Übertretung vorgenommen werden können. In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wird ua zum Ausdruck gebracht: "Anläßlich einer ha. Einvernahme am 28.3.1995 führten Sie zu Ihrer Rechtfertigung an, daß der Jugendliche zum Tatzeitpunkt von einer Aufsichtsperson begleitet wurde." Dazu wird bemerkt, daß sich eine diesbezügliche Niederschrift nicht im vorgelegten Akt befindet.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß es ihm schon von Verfassungs wegen verwehrt ist, die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und stattdessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Denn Art. 6 Abs.1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl. Art. 90 Abs.2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht des O.ö.

Verwaltungssenates ist so zu verstehen, daß das Beweisverfahren nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann. Denn ein vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 51g Abs.1 VStG durchgeführtes Beweisverfahren kann von vornherein nur ergänzender bzw. korrigierender Art sein.

§ 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG in diesem Lichte verfassungskonform interpretiert kann daher nur bedeuten, daß der unabhängige Verwaltungssenat in Fällen, wo einerseits das erstbehördliche Ermittlungsverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet war, andererseits aber berechtigte Anhaltspunkte für die Täterschaft des Beschuldigten bestehen, zwar nicht zu einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 66 Abs.2 AVG (die eine Fortführungspflicht für die Erstbehörde begründet), wohl aber zu einer Aufhebung des Bescheides (die für die Erstbehörde lediglich eine Fortführungsmöglichkeit bedeutet und wofür im übrigen auch schon die Textierung des § 51e Abs.1 VStG zu sprechen scheint) berechtigt ist ohne daß damit gleichzeitig auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden wird.

Dadurch ergibt sich auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die - wie etwa im Erkenntnis vom 4. September 1992, 92/18/0353, deutlich wird - ja davon auszugehen scheint, daß mit der Aufhebung eines Straferkenntnisses lediglich dann zugleich auch die Einstellung des Strafverfahrens untrennbar verbunden ist, wenn sich im Spruch des Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Frage der Verfahrenseinstellung keine gesonderte Aussage findet, während demgegenüber - abgesehen von der expliziten Aufnahme des Ausschlusses der Verfahrenseinstellung in den Spruch des Berufungsbescheides - eben durchaus Fallkonstellationen denkbar sind (und wozu infolge der gebotenen verfassungskonformen Interpretation auch die verfahrensgegenständliche zählt), in denen die Aufhebung des Straferkenntnisses durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht auch zugleich die notwendige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Folge hat (vgl. z.B. VwGH vom 8. Oktober 1992, 92/18/0391, 0392).

Aus den angeführten Gründen war der Berufung insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Es war auch zum Ausdruck zu bringen, daß das Verwaltungsstrafverfahren nicht eingestellt wird.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 65 iVm § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. Keinberger

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum