Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300097/2/Gb/Shn

Linz, 19.08.1996

VwSen-300097/2/Gb/Shn Linz, am 19. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung der Privatanklägerin Notburga B, gegen die schriftliche Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Ried/I vom 16.7.1996, Zl.Pol96-40-1996, betreffend die "Nichteinleitung" eines Strafverfahrens gegen die Beschuldigte (mitbeteiligte Partei) Maria S wegen Ehrenkränkung zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51c, 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schreiben vom 18.6.1996 hat Notburga B Privatanklage gegen Maria S wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Gesetz vom 22. Oktober 1975 über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl.1975/76, bei der BH Ried/I erhoben und ist dort am 20.6.1996 eingelangt.

1.2. Mit Schreiben vom 16.7.1996 erging seitens der BH Ried/I an Frau Notburga B, folgendes Schreiben:

"Sehr geehrte Herren! Mit Schreiben vom 18.06.1996 haben Sie namens Ihrer Mandantin Notburga B, wh. S, gegen Maria S, Privatanklage wegen Verdachts der Ehrenkränkung erhoben. Danach soll Maria S am 27.05.1996 um ca. 09.00 Uhr gegenüber ihrem Sohn Johann S, die Privatanklägerin, welche die Freundin des Letztgenannten ist, als "Hure" bezeichnet haben. Bei der Äußerung dieses Schimpfwortes war Notburga B nicht persönlich anwesend und erlangte davon durch Johann S Kenntnis.

Das Gesetz über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl.Nr.76/1975, gilt für alle Ehrverletzungen, die infolge des Fehlens eines für die strafgerichtliche Verfolgung erforderlichen Tatbestandselements, d.h. insbesondere mangels der geforderten Mindestpublizität nicht als Ehrenbeleidigung im Sinne der §§ 111 ff StGB angesehen werden können. Denn nach diesen Bestimmungen sind alle Ehrangriffe "unter vier Augen" aus dem Bereich der gerichtlich verfolgbaren Delikte ausgeschieden und als sogenannte Ehrenkränkungen verwaltungsbehördlicher Ahndung überlassen.

Im ggst. Fall ist nach der in der Anzeige enthaltenen Sachverhaltsdarstellung die Beschimpfung der Privatanklägerin als "Hure" nicht ihr persönlich sondern einem Dritten gegenüber erfolgt. Damit geschah die Beschuldigung eines unehrenhaften Verhaltens in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise und liegt unserer Meinung nach keine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 1 lit.a des Landesgesetzes über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl.Nr.76/1975, vor.

Auf Grund der geschilderten Rechts- und Sachlage kann die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. kein Strafverfahren wegen des geschilderten Vorfalles einleiten.

Für den Bezirkshauptmann:

(Dr. P)" Dieses Schreiben wurde ohne Zustellnachweis zugestellt.

2. Gegen diese "Mitteilung" hat die rechtsfreundlich vertretene Privatanklägerin rechtzeitig Berufung erhoben und unter anderem vorgebracht, daß die vorhin genannte "Mitteilung" alle notwendigen Erfordernisse eines Bescheides erfülle und normativen Charakter habe, als entgegen dem Antrag in der Privatanklage kein Strafverfahren eingeleitet worden sei.

3. Die BH Ried/I hat diese Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt und ausgeführt, daß es sich bei dem Schreiben vom 16.7.1996 zweifelsfrei um eine Mitteilung gehandelt habe, die nur als Information an die Privatanklägerin über die Rechtsmeinung der Behörde gedacht gewesen sei. Damit sollte die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden. Dieses Schreiben könne auch nicht als Einstellung gemäß §§ 45 Abs.2 und 56 Abs.3 VStG gewertet werden, weil noch kein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Der fehlende Bescheidwille ist auch aus dem Umstand zu ersehen, daß dieses Schreiben der "Beschuldigten" nicht zugestellt wurde. Die Berufung erscheine als unzulässig.

Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß die vorliegende Berufung zurückzuweisen ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen und zur Entscheidung das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Gemäß § 58 Abs.1 AVG, welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

Gemäß § 59 Abs.1 hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Gemäß § 56 Abs.3 VStG steht dem Privatankläger gegen die Einstellung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu.

In Anbetracht dieser gesetzlichen Bestimmungen ist festzuhalten, daß die Mitteilung vom 16.7.1996 keinesfalls als Bescheid gewertet werden kann, weil sowohl die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid als auch eine Rechtsmittelbelehrung diesem Schreiben nicht zu entnehmen ist. Nach der ständigen Judikatur des VwGH ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid dann nicht wesentlich, wenn der Inhalt des betreffenden Aktes an seiner Bescheidqualität keinen Zweifel aufkommen läßt; ergeben sich aus dem Inhalt jedoch Zweifel, dann ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid "essentiell" (VwGH 28.1.1982, Zl.2771/80; 31.3.1993, Zl.92/01/0402). Weiters ist festzuhalten, daß diesem Schreiben kein normativer Charakter zukommt, wenn an dessen Ende davon gesprochen wird, daß die BH Ried/I aufgrund der Rechts- und Sachlage kein Strafverfahren wegen des angezeigten Vorfalles einleiten kann. Weiters ist für einen rechtswirksamen Bescheid essentiell, daß die Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Behörde angegeben wird, was gegenständlich auch nicht erfolgt ist und auch gar nicht erfolgen konnte, weil eine bescheidmäßige Erledigung in der Form, daß ein Verfahren nicht eingeleitet werden kann, dem Verwaltungsstrafverfahren überhaupt fremd ist.

Ein Verwaltungsstrafverfahren kann durch Bescheid oder durch Einstellung des Verfahrens enden. Ein Strafbescheid kann entweder in einem der abgekürzten Verfahren (§§ 47 ff VStG) oder aber, nach Durchführung eines ordentlichen Verfahrens, als Straferkenntnis erlassen werden. Ist weder eine Strafe noch eine Ermahnung (§ 21 Abs.1 VStG) zu verhängen, so ist das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (Walter Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, Randziffer 916). Auch aus diesem ist ersichtlich, daß durch eine "Nichteinleitung" eines Strafverfahrens ein Verwaltungsstrafverfahren nicht erledigt wird. Aus der Bestimmung des § 56 Abs.3 VStG ist zwingend abzuleiten, daß sich das Berufungsrecht des Privatanklägers sohin nur gegen die Einstellung erstreckt (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.

Auflage, p.1085, Anm.11).

Zudem ist die Erstbehörde aber darauf hinzuweisen, daß schon der gesetzlich bestimmte Begriff "Privatanklage" zeigt, daß die Verfolgung nicht von der Strafbehörde ausgeht. Allein durch die nach außen hin in Erscheinung getretene Prüfung der Privatanklage, die einen ausreichend konkretisierten Sachverhalt vorgebracht hat, hat zudem die belangte Behörde, unabhängig vom erzielten Ergebnis, eine ausreichende Verfolgungshandlung iSd §§ 31 und 32 VStG vorgenommen, sodaß davon ausgegangen werden kann, daß ein erstbehördliches Verwaltungsstrafverfahren anhängig und eingeleitet war (UVS , VwSen-230360/2/Wei/Bk vom 22.11.1994).

Da somit zusammenfassend die oben genannte Mitteilung der BH Ried/I vom 16.7.1996 keinesfalls als Bescheid zu werten ist, ist die dagegen erhobene Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Keinberger

 

 

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