Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300116/3/WEI/Bk VwSen300117/3/WEI/Bk

Linz, 02.09.1997

VwSen-300116/3/WEI/Bk VwSen-300117/3/WEI/Bk Linz, am 2. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitzender Dr. Wegschaider, Berichter Dr. Weiß, Beisitzerin Mag. Bissenberger) über die Strafberufungen der A, geb. N, gegen die Straferkenntnisse der Bundespolizeidirektion Linz je vom 2. Oktober 1996, Zlen. St. 30.134/96-2 und St. 29.735/96-2, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem § 2 Abs 3 lit a) O.ö. Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl Nr. 30/1995) zu Recht erkannt:

I. Den Strafberufungen wird Folge gegeben und die verhängten Geldstrafen werden auf je S 7.500,-- (insgesamt S 15.000,--) und die Ersatzfreiheitsstrafen auf je 3 Tage (insgesamt 6 Tage) herabgesetzt.

II. Die Berufungswerberin hat in den erstinstanzlichen Strafverfahren einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von je S 750,-- (insgesamt S 1.500,--) zu leisten. In den Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Kostenbeitrags.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1. Mit den angefochtenen Straferkenntnissen je vom 2. Oktober 1996 hat die belangte Strafbehörde die Berufungswerberin (Bwin) hinsichtlich der nachfolgend im einzelnen angeführten Tatzeiten und Tatorte der Verwaltungsübertretungen der Prostitutionsanbahnung an öffentlichen Orten nach § 3 Abs 2 lit a) O.ö. PolStG schuldig erkannt, weil sie sich durch Auf- und Abgehen, Ansprechen von männlichen Passanten und PKW-Lenkern, sowie die Vereinbarung eines entgeltlichen GV mit einem Kunden in einer solchen Weise verhalten habe, die auf Anbahnung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung zu Erwerbszwecken abzielte.

Die angelasteten Taten in chronologischer Reihenfolge:

1. Straferkenntnis zur Zahl St. 29.735/96-2 (=VwSen-300117/1996): Tatzeit: 29. August 1996 um 00.05 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG: S 15.000,-- (EFS 7 Tage).

2. Straferkenntnis zur Zahl St. 30.134/96-2 (=VwSen-300116/1996): Tatzeit: 7. September 1996 um 23.15 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG: S 15.000,-- (EFS 7 Tage).

Als mildernden Umstand wertete die belangte Strafbehörde jeweils das volle Geständnis und als erschwerend zahlreiche einschlägige Bestrafungen. 1.2. Gegen die verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisse, die der Bwin je am 2. Oktober 1996 mündlich verkündet wurden (vgl Niederschriften je vom 2.10.1996), richtet sich die am 15. Oktober 1996 bei der belangten Behörde rechtzeitig eingelangte Berufung gleichen Datums, mit der die nach den Aktenzahlen bezeichneten Straferkenntnisse ausdrücklich der Höhe nach bekämpft werden.

1.3. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsstrafakten zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 2.1. Die den einzelnen Straferkenntnissen zugrundeliegenden Sachverhalte beruhen auf Anzeigen vom 5. und 9. September 1996 von Sicherheitswacheorganen der Wachzimmer L und H, denen weitere Details zu entnehmen sind. Der Anzeige vom 9. September 1996 liegen auch niederschriftliche Einvernahmen der Bwin und ihres Kunden D bei. Die Bwin verständigte damals selbst die Polizei, weil sie von ihrem Freier festgehalten und geschlagen wurde. Während der Ausübung der Prostitution in dem auf einem Hinterhofparkplatz abgestellten PKW geriet sie mit ihm in Streit über die Art der Durchführung des Geschlechtsverkehrs und er wollte sein Geld zurückhaben. Zu den gegenständlichen Tatvorwürfen betreffend die Anbahnung an einem öffentlichen Ort hat sich die Bwin schon gegenüber den Sicherheitsorganen geständig verhalten.

Bei der Bwin handelt es sich um eine amtsbekannte Prostituierte, die nach der Aktenlage allein wegen der Übertretung des § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG rund 30 ungetilgte Vorstrafen hat. Auch wegen Übertretung des Geschlechtskrankheitengesetzes iVm der Prostitutionsverordnung BGBl Nr. 314/1974 ergeben sich weit über 10 rechtskräftige Bestrafungen. Dem unabhängigen Verwaltungssenat ist schließlich nach Ausweis seiner Akten bekannt, daß die Bwin schon mehrfach gegen die amtsärztliche Untersuchungspflicht nach dem § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 verstoßen hat (vgl h. Berufungsakten zu VwSen-240135 bis 240146/1995). Außerdem weisen die vorgelegten Strafakten auch eine Vorstrafe wegen verbotener Ausübung der Prostitution gemäß § 2 Abs 3 c) O.ö. PolStG aus. Mittlerweile hält die Bwin offenbar die amtsärztliche Untersuchungspflicht ein, da sie nach den vorliegenden Anzeigen ein Gesundheitsbuch (Prostituiertenausweis) besitzt. Zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen der Bwin geht aus der Aktenlage hervor, daß sie ledig, ohne Einkommen und Vermögen sei und keine Sorgepflichten hat. 3. Die erkennende Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat die gegenständlichen Berufungsverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten konnte festgestellt werden, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt nach der Aktenlage hinreichend geklärt erscheint. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war daher entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs 3 lit a) Satz 1 O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 10 Abs 1 lit b) leg. cit. mit Geldstrafe bis S 200.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer sich an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung von Prostitution abzielt.

Der 2. Satz des § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG definiert als öffentlichen Ort einen solchen, der jederzeit von einem nicht von vornherein beschränkten Kreis von Personen betreten werden kann oder im Rahmen seiner Zweckbestimmung allgemein zugänglich ist. Nach dem 3. Satz ist dem Verhalten an einem öffentlichen Ort ein Verhalten gleichgestellt, das zwar nicht an einem öffentlichen Ort gesetzt wird, das aber von dort aus wahrgenommen werden kann.

Die berufungsgegenständlichen Schuldsprüche iSd § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG sind jeweils in Rechtskraft erwachsen und daher verbindlich geworden. Die Bwin hat die angelasteten Tatsachen von Anfang an zugestanden und nur die Strafen bekämpft.

4.2. Obwohl die Schuldsprüche rechtskräftig geworden sind, hat der erkennende Verwaltungssenat im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigen, daß die belangte Strafbehörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung von einem Fortsetzungszusammenhang hätte ausgehen müssen.

Ein fortgesetztes Delikt liegt vor, wenn eine Reihe von deliktischen Einzelhandlungen durch Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges aufgrund eines Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit verschmelzen (vgl die Judikatur bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, E 76 ff zu § 22 VStG). Dabei müssen die Einzelakte von einem vorgefaßten einheitlichen Willensentschluß, dem sog Gesamtvorsatz (= Gesamtkonzept), getragen sein, der schrittweise durch fortgesetzte Einzelakte als Teilhandlungen eines Gesamtkonzepts des Täters auf die Zielerreichung gerichtet ist (vgl näher mN Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], § 28 Rz 34 ff; ebenso Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A [1996], 866 Anm 1 zu § 22 VStG).

Von einem Sammeldelikt als Erscheinungsform des fortgesetzten Delikts spricht man bei Deliktstypen, die auf Gewohnheits- oder Gewerbsmäßigkeit der Begehung und damit auch auf die verpönte Lebensführung abstellen, die durch die funktional und wertmäßig eine Einheit bildenden Einzeltaten zum Ausdruck kommt (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 5. A [1996], 866 f). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 19. Mai 1980, Zl. 3295/80 (vgl VwSlg 10138 A/1980), zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und dem Anbieten hiezu die Ansicht vertreten, daß deliktische Einzelhandlungen solange als eine rechtlich einheitliche Verwaltungsübertretung (=juristische Handlungseinheit) anzusehen sind, als der Täter nicht durch nach außen tretendes Verhalten zu erkennen gegeben hat, daß er seine verpönte innere Haltung und damit das zugrundeliegende Gesamtkonzept geändert hat. Die Anbahnung und Ausübung der Prostitution wurde demnach als juristische Handlungseinheit im Sinne eines Sammeldelikts angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt im Zusammenhang mit gewerbsmäßiger Prostitution regelmäßig Deliktseinheit an, wenn die allgemeinen Voraussetzungen (gleichartige Begehungsweise, ähnliche Begleitumstände und zeitliche Kontinuität) der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts zutreffen (vgl die Nachw bei Hauer/Leukauf, Handbuch, 5. A [1996], 1432, E 3 zu § 3 Sbg PolStG und 1450, E 30 und E 31 zu § 14 lit b) Tir PolStG).

Auch § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG stellt analog zu anderen Prostitutionsdelikten auf gewerbsmäßiges Verhalten ab. Dabei geht es entweder um die Anbahnung von sexuellen Beziehungen zu Erwerbszwecken (vgl die Umschreibung der Prostitution im § 2 Abs 1 O.ö. PolStG). In den gegenständlichen Berufungsverfahren liegt wegen der gleichartigen Begehungsweise im zeitlichen Zusammenhang unter ähnlichen Begleitumständen in objektiver Hinsicht eindeutig ein Fortsetzungszusammenhang vor. Da die Bwin überdies eine amtsbekannte vielfach einschlägig vorbestrafte Prostituierte ist, konnte die belangte Behörde an ihrem Gesamtvorsatz, die Prostitution durch strafbare Einzelakte regelmäßig und fortgesetzt zu Erwerbszwecken anzubahnen und auszuüben, nicht die geringsten Zweifel haben. Sie hat die Prostitution trotz wiederholten Betretens auf frischer Tat planmäßig ausgeübt und ihre innere Einstellung, weiterhin die Prostitution an öffentlichen Orten anzubahnen, nicht geändert.

Die belangte Strafbehörde hätte daher jeweils Deliktseinheit annehmen und für den nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsstrafakten im Zeitpunkt der Erlassung der Straferkenntnisse erster Instanz bekannten Tatzeitraum vom 29. August 1996 bis zum 7. September 1996 nur eine einheitliche Strafe verhängen dürfen. Das Kumulationsprinzip des § 22 VStG ist im Falle des Vorliegens eines fortgesetzten Delikts nicht anwendbar (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 6. A [1996], 865 f Anm 1 zu § 22 VStG). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werden alle (auch noch unbekannte) Einzeltathandlungen innerhalb des Tatzeitraumes und darüber hinaus auch die bis zur Zustellung des Strafbescheides erster Instanz erfaßt (sog Erfassungswirkung; vgl ua VwGH 28.1.1997, 96/04/0131; VwGH 18.6.1996, 96/04/0045; VwGH 27.2.1996, 96/04/0183).

4.3. Strafbemessung Der für die öffentliche Anbahnung der Prostitution vorgesehene Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG sieht Geldstrafe bis zur Höhe von S 200.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe bis 6 Wochen vor.

Die persönlichen Verhältnisse der Bwin sind ungünstig, weil sie keiner geregelten Arbeit nachgeht und vermögenslos ist. Sie verdient ihren Lebensunterhalt durch fortgesetzte Prostitution. Angesichts des üblichen Liebeslohnes von S 500,-- bis S 1.000,-- pro Freier kann aber bedenkenlos von einem monatlichen Mindesteinkommen im Bereich von S 15.000,-- netto ausgegangen werden.

Bei der Schuldbewertung sind auch die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung des § 32 StGB (iVm § 19 Abs 2 VStG) zu beachten. Die Bwin hat sich schon den einschreitenden Polizeibeamten gegenüber durchwegs geständig verhalten und in der Schuldfrage auch nicht berufen. Deshalb sind ihr zumindest die Tatsachengeständnisse schuldmindernd anzurechnen. Die belangte Strafbehörde hat auch jeweils ein volles Geständnis als mildernd gewertet. Erschwerend fallen die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen iSd § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG ins Gewicht.

Der unabhängige Verwaltungssenat ist trotz Rechtskraft der Schuldsprüche im Rahmen der Strafbemessung zu einer Korrektur der Straferkenntnisse insoweit befugt, als er eine wertende Gesamtbetrachtung des sich aus den fortgesetzten Einzelakten ergebenden Unrechts- und Schuldgehalts vorzunehmen hat (vgl schon idS das h. Erk vom 31.10.1996, VwSen-300084/3/Kei/Shn ua Zlen.). Dabei muß die Summe der verhängten Einzelstrafen zum gesamten Unrechts- und Schuldgehalt des fortgesetzten Delikts im angemessenen Verhältnis stehen. Je höher die Anzahl der Einzelhandlungen, desto höher ist naturgemäß auch der Unrechtsgehalt des gesamten Fortsetzungszusammenhangs.

Unter Berücksichtigung der gegebenen Strafzumessungsfaktoren erachtet es die erkennende Kammer bei einer gesamtabwägenden Betrachtungsweise im Sinne eines fortgesetzten Delikts für angemessen, die Geldstrafen auf je S 7.500,-- (insgesamt S 15.000,--) zu reduzieren. Die nach dem Strafrahmen von 6 Wochen des § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG zu bemessenden Ersatzfreiheitsstrafen werden auf je 3 Tage (insgesamt 6 Tage) herabgesetzt. Die Ersatzfreiheitsstrafen konnten vergleichsweise höher als die Geldstrafen angesetzt werden, zumal es insofern nur auf die Schuld der Bwin und nicht auch auf deren finanzielle Leistungsfähigkeit ankam.

5. Bei diesem Ergebnis hat die Bwin gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG im erstinstanzlichen Strafverfahren je einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Strafe, das sind S 750,-- (insgesamt S 1.500,--), zu leisten. In den h. Berufungsverfahren entfällt gemäß § 65 VStG die Verpflichtung zur Leistung von weiteren Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten. Dr. W e g s c h a i d e r

 

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