Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101699/6/Br

Linz, 25.02.1994

VwSen - 101699/6/Br Linz, am 25. Februar 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn R, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. M und DDr. K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau, vom 3. Dezember 1993, AZ.: VerkR96/14504/1993/Schw, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 25. Februar 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge. Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau, hat mit dem Straferkenntnis vom 3. Dezember 1993 über den Berufungswerber wegen der ihm zur Last gelegten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung eine Geldstrafe von 1) 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe und 2) 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil am 30. März 1993 um 05.30 Uhr, den Pkw mit dem Kennzeichen auf der L 501 in W, Gemeinde H, in Richtung O bis Strkm. 21.0 gelenkt und es 1. unterlassen habe, hinsichtlich des bei Strkm 21.0 verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden, an dem er in ursächlichem Zusammenhang beteiligt gewesen sei, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, indem er sich vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernt und in der Zeit von 06.30 Uhr bis 08.00 Uhr einen Nachtrunk (drei Halbe Bier) getätigt hätte und 2. habe er bei Strkm 21.0 eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Leitpflock) beschädigt, wobei er auch diesbezüglich nicht die nächste Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter von dieser Beschädigung unter Bekanntgabe seiner Identität ohne unnötigen Aufschub verständigt hätte.

1.1. Hiezu führte die Erstbehörde begründend im wesentlichen aus, daß dem Berufungswerber bei Aufwendung der gehörigen Aufmerksamkeit die von ihm herbeigeführte Schadensverursachung erkennbar gewesen sein müßte. Der Berufungswerber hätte schließlich auch an der erheblichen Beschädigung seines Fahrzeuges zu erkennen vermocht, daß diese nicht alleine durch das Abkommen von der Straße herbeigeführt worden sein konnte. Die Beschädigung des im Besitz der Straßenmeisterei O befindlichen Leitpflockes sei vom Gendarmeriebeamten festgestellt worden. Diese Beschädigung habe die Verständigungspflicht ausgelöst. Diese Verpflichtung diene dem Zweck, den Organen der öffentlichen Aufsicht, die Aufnahme des Tatgeschehens zu erleichtern. Ferner sei dem Gebot an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken auch dadurch zuwidergehandelt worden, daß der Berufungswerber nach dem Unfall einen Nachtrunk getätigt habe. 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt schließlich der Berufungswerber durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter im wesentlichen aus, daß die Beschädigung des Leitpflocks aufgrund des Unfallgeräusches bewußt nicht wahrgenommen werden habe können. Voraussetzung für eine Bestrafung gemäß § 31 Abs.1 StVO 1960 sei u.a. die schuldhafte Schadensherbeiführung. Der Vorwurf der Verschleierung einer angeblich bereits zum Zeitpunkt des Unfalles bestehenden Alkoholisierung treffe insofern nicht zu, als ein Nachtrunk eben nur dann vorliege, wenn gleichsam zum Zeitpunkt des Lenkens bereits Alkohol konsumiert worden wäre. Liegt dies nicht vor, gäbe es auch keinen strafbaren Nachtrunk. Die Mitwirkungspflicht würde letztlich nicht schon beim Eintritt eines Schadens am eigenen Fahrzeug, sondern nur dann ausgelöst, wenn dabei der Eintritt eines weiteren Schadens erkannt werden hätte müssen. Dies habe jedoch nicht zugetroffen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau, AZ. VerkR96/14504/1993/Schw und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner durch die Einholung einer Information bei der Straßenmeisterei O hinsichtlich des am Leitpflock herbeigeführten tatsächlichen Schadens, sowie die Vernehmung der Zeugin M und des Berufungswerbers als Beschuldigten. 4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber hat zur oben angeführten Zeit seinen Pkw mit dem Kennzeichen , auf der in W, Gemeinde H, in Richtung O bis Strkm. 21.0 gelenkt. Seine Fahrgeschwindigkeit hat etwa 60 km/h betragen. Durch einen plötzlich, etwa 10 Meter vor dem Berufungswerber erfolgendem Wildwechsel (zwei Rehe) hat der Berufungswerber sein Fahrzeug nach rechts in die Wiese gelenkt. Bedingt durch das Überfahren des nicht erkennbar gewesenen Straßengrabens wurde sein Fahrzeug dadurch so schwer beschädigt, daß er es nach wenigen Metern als manövrierunfähig abstellen mußte. Bei diesem Ausweichmanöver hat der Berufungswerber einen am Straßenrand befindlichen "Plastikleitpflock" gerammt, welcher herausgerissen worden ist. Ein Sachschaden ist durch dieses überfahren bzw. umfahren dieses Leitpflockes nicht entstanden. Dieser konnte der weiteren bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt werden. Von einer zufällig an der Unfallstelle vorbeikommenden, dem Berufungswerber unbekannten, Fahrzeuglenkerin wurde er schließlich nachhause gebracht. In der Folge hat er seine Untermieterin von seinem Unfall verständigt und diese gebeten ihm vormittags ihr Auto zu borgen, damit er den Unfall melden könne. In den Morgenstunden, bis zum Eintreffen der Gendarmerie in seiner Wohnung, konsumierte der Berufungswerber dann noch einiges an Bier. 5. Das entscheidungsrelevante Beweisergebnis stützt sich insbesondere auf die von der Straßenmeisterei O erteilten Mitteilung, daß - entgegen der Angaben der Gendarmerie - der Leitpflock nicht beschädigt worden war und dieser daher weiterhin Verwendung finden konnte. Die von der Gendarmerie in diesem Zusammenhang gemachten Angaben, "der Leitpflock sei aus der Verankerung gerissen worden", hat wohl im Zusammenhang mit der Anzeige "des Verkehrsunfalles mit Sachschaden" den Schluß zugelassen, daß eben der Leitpflock tatsächlich beschädigt worden ist. Dies ist im Rahmen des Berufungsverfahrens widerlegt worden. Auf die Verantwortung des Berufungswerbers ist im Detail daher nicht mehr weiter einzugehen. Insbesondere kann dahingestellt bleiben, ob der Berufungswerber das Überfahren des Leitpflockes überhaupt bemerken hätte müssen. Den Denkgesetzen folgend, könnte dies durchaus auch zu verneinen gewesen sein.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

5.1.1. Vorweg sei dargelegt, daß gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 mit 500 S bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei den, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden! Die Bekanntgabe der Idendität dient u.a. der Regelung des Schadenersatzes. Wird die Idendität des Beschädigers von einer anderen Person als den Beschädiger gemeldet, so hat zwar eine Bestrafung nicht nach § 99 Abs.2 lit.e (der Schadenersatz ist auch durch eine solche Meldung sichergestellt) zu erfolgen, jedoch unterliegt sein Verhalten - die Fahrerflucht - allenfalls der Bestrafung nach § 99 Abs.2 lit.a od. § 99 Abs. 3 lit.b StVO 1960. Im gegenständlichen Fall wurde jedoch kein Schaden im Vermögen einer vom Berufungswerber verschiedenen Person verursacht. Eine nicht "ohne unnötigen Aufschub" erfolgte, sondern ein durch einen Dritten, etwa drei Stunden nach dem Vorfall der Gendarmerie gemeldeter Unfall, welcher sodann Erhebungen gegen den Verursacher zur Folge hat, wäre wohl als nicht dem Gesetz entsprechend anzusehen. Der Begriff "unnötiger Aufschub" ist streng auszulegen, sodaß mit der hier erfolgten Verständigung der Gendarmerie dieser Anforderung nicht genüge getan gewesen wäre (VwGH 28.11.1990, Zl. 90/02/0049). Die Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.e ist in Verbindung mit § 31 Abs.1 StVO anzuwenden. Ein "Leitpflock" ist im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung als eine "Verkehrsleiteinrichtung" anzusehen (VwGH 28.9.1988, Zl. 88/02/0133). 5.1.2. Unzutreffend wurde dem Berufungswerber jedoch angelastet, er habe, nachdem er sich vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernt gehabt hatte, durch einen nachfolgenden Alkoholkonsum es unterlassen an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken.

Diese Bestimmung dient dem offenkundigen Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatbestandes zu erleichtern und zu gewährleisten, daß die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt. Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung schließt daher wohl grundsätzlich insbesondere das Verbot ein, Veränderungen an der Stellung der vom Unfall betroffenen Fahrzeuge vorzunehmen, oder, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erk. v. 2. 5. 65, Z. 2210/65, ausgesprochen hat, Alkohol zu trinken, wenn dadurch die Feststellung, ob im Zeitpunkt des Unfalles ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand gegeben war, erschwert werden kann. Wenngleich im Sinne dieser Entscheidung die im § 4 Abs.1 lit.c StVO ausgesprochene Verpflichtung ihrem Wortlaut nach uneingeschränkt gilt, ergibt sich doch aus dem dargelegten Sinn und aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung mit dem weiteren Inhalt des § 4 Abs.5 zweiter Satz sinnlos wäre (dieser muß auch bei der Anwendung der Spezialbestimmung des § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 mitgelesen werden), wonach unter bestimmten Voraussetzungen keine Meldung von einem Verkehrsunfall an die Polizei oder Gendarmerie gemacht werden muß. Bei der von der Erstbehörde angenommenen Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung - so sie überhaupt vom Beschädiger bemerkt werden mußte, was hier ebenfalls dahingestellt bleiben kann, genügt der Meldepflicht auch, wenn sie nicht vom Beschädiger gemacht wird (VwGH 13. 2. 1987, Zl. 86/18/0254, Slg.Nr. 12399). Sinngemäß kann die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung mit allen daraus entspringenden Folgerungen aber sinnvoll nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes zu kommen gehabt hätte. Eine solche Aufnahme ist von einer Entgegennahme der Meldung im Sinne des § 4 Abs.5 leg.cit. zu unterscheiden. Dies trifft immer dann zu, wenn es sich etwa um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs.2 StVO 1960 besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organes der öffentlichen Aufsicht verlangt oder wenn ein am Unfallsort etwa zufällig anwesendes Organ aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlaßt. Im übrigen kann - so wie auch gegenständlich - eine Verpflichtung an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken (§ 4 Abs.1 lit.c leg.cit.) nicht angenommen werden. Der Alkoholkonsum wäre daher dem Berufungswerber jedoch selbst bei dem von der Erstbehörde als erwiesen angenommenen Verkehrsunfall - mit einem weiteren (nicht anwesenden) Geschädigten - nicht zur Last zu legen gewesen (VwGH 13. 11. 1967, Zl. 775/66).

Bei einem Verkehrsunfall, bei dem niemand verletzt worden und Sachschaden nur am eigenen Fahrzeug des Beteiligten entstanden ist, besteht eine Verständigungspflicht der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. B l e i e r

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