Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300266/2/Ki/Shn

Linz, 09.02.1999

VwSen-300266/2/Ki/Shn Linz, am 9. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der G. R. vom 20. Jänner 1999 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 18. Jänner 1999, Pol96-83-1998/WIM, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Wels-Land hat mit Straferkenntnis vom 18. Jänner 1999, Pol96-83-1998/WIM, die nunmehrige Berufungswerberin (Bw) für schuldig befunden, sie habe am 22.3.1998 um 09.15 Uhr und in 4651 Stadl-Paura, vor dem Hause X, von der Fahrbahn X aus, in ungebührlicher Weise störenden Lärm erregt, indem sie lautstark nach der im Wohnhaus aufhältigen C. R. rief, diese beschimpfte wodurch sich die Genannte und deren Sohn M. R. in ihrer Ruhe gestört fühlten. Sie habe dadurch § 10 Abs.1 iVm § 3 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 idgF verletzt. Gemäß § 10 Abs.1 lit.a Oö. Polizeistrafgesetz wurde über sie eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 108 Stunden) verhängt. Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 100 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Rechtsmittelwerberin mit Schreiben vom 20. Jänner 1999 Berufung erhoben, sie hat in ihrer Berufung im wesentlichen die ihr zur Last gelegte Tat bestritten.

I.3. Die BH Wels-Land hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt:

Eine mündliche Berufungsverhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, daß der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

Es werden nachstehende entscheidungswesentliche Fakten festgestellt: Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige von Frau C. R. zugrunde, wonach die Bw zum gegenständlichen Tatzeitpunkt an der Hausglocke ihres Wohnhauses ständig geläutet habe und dabei vor dem Haus lautstark geschrien und sie beschimpft hätte, daß sie gestohlen und Unterschriften gefälscht habe und daß ihr Lebensgefährte seine Tochter mißbraucht habe. Sie habe sich dadurch in ihrer Ruhe gestört gefühlt, im Haus habe sich auch ihr Sohn befunden, welcher die Angaben bestätigen könne.

Eine zunächst wegen dieses Vorfalles erlassene Strafverfügung vom 11. Mai 1998 wurde von der Bw mit der Argumentation beeinsprucht, daß sie die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Im ordentlichen Strafverfahren wurde in der Folge Frau C. R. von der BH Wels-Land zeugenschaftlich einvernommen. Im Rahmen dieser zeugenschaftlichen Einvernahme hat sie ihre ursprünglich gemachten Angaben vollinhaltlich zu ihrer Zeugenaussage erhoben. Weiters wurde auch Herr M. R. als Zeuge einvernommen. Dieser hat sich der Aussage seiner Mutter, die am 22.3.1998 am Gendarmerieposten Stadl-Paura gemacht wurde, angeschlossen. Am 18. Jänner 1999 wurde das nunmehr mit der vorliegenden Berufung angefochtene Straferkenntnis erlassen.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der Oö. Verwaltungssenat rechtlich wie folgt erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Oö. PolStG begeht, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

Dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung nach liegt demnach eine Verwaltungsübertretung nur dann vor, wenn die inkriminierende Handlung nicht mit einer gerichtlichen Strafe bedroht ist. Durch diese Subsidiaritätsklausel wird Art.4 Abs.1 7. ZPMRK entsprochen, wonach niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf (Verbot der Doppelbestrafung). Laut Judikatur des VfGH ist eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Delikttypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodaß ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfaßt (vgl VfSlg 14.696/1996 ua). Strafverfolgungen bzw Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumation jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird. Dies schließt nicht schlechthin aus, daß durch ein bestimmtes Verhalten auch mehrere nebeneinander zu ahndende Übertretungen begangen werden können, im Lichte der zitierten Bestimmung des Art.4 Abs.1 des 7. ZPMRK bzw der aktuellen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Zusammenhang mit dem Verbot der Doppelbestrafung ist jedoch diesbezüglich eine restriktive Betrachtensweise geboten. Im vorliegenden Falle liegen dem Verwaltungsstrafverfahren die zeugenschaftlichen Aussagen von Frau C. R. bzw ihres Sohnes M. zugrunde. Diese haben ausgesagt, daß die Bw lautstark geschrien und die Anzeigerin beschimpft habe, daß sie gestohlen und Unterschriften gefälscht habe und daß ihr Lebensgefährte seine Tochter mißbraucht habe. Gemäß § 111 Abs.1 StGB ist ua, wer einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt, gerichtlich zu bestrafen. Als unehrenhaft gilt ein Verhalten, daß der herrschenden Vorstellung vom moralisch Richtigem in einem Maße zuwiderläuft, daß die soziale Wertschätzung des Betroffenen darunter zu leiden hat. Die Behauptung, der andere habe eine gerichtlich strafbare Handlung begangen, wird als Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens zu werten sein.

Nachdem die der Bw zur Last gelegten Äußerungen gegenüber von Frau R. ohne Zweifel eine Unterstellung von strafbaren Handlungen darstellen, stellt das Verhalten der Bw dem Vorwurf nach eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung dar, welche (als Privatanklagedelikt) einer strafgerichtlichen Beurteilung zu unterziehen wäre. Die Berufungsbehörde verkennt nicht, daß das Rechtschutzziel einerseits der strafgesetzliche Schutz von Handlungen gegen die Ehre und andererseits der Schutz der Allgemeinheit vor Erregung ungebührlicherweise störenden Lärms ist. Dennoch erscheint im Sinne der obigen Ausführungen im vorliegenden Fall eine Doppelbestrafung als nicht zulässig, zielte doch das Verhalten der Bw - zutreffendenfalls - ausschließlich darauf hin, die Anzeigerin zu beschimpfen und sie so in ihrer Ehre zu verletzen. Daß darüber hinaus dieses Verhalten in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise erfolgte, ist schon deshalb evident, als auch der Sohn der Anzeigerin dies wahrgenommen hat. Daß letztlich durch das Verhalten auch möglicherweise ungebührlicherweise störender Lärm erregt wurde, darf iSd obigen restriktiven Beurteilung nicht zusätzlich einer verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung unterzogen werden. Zusammenfassend wird nochmals - auf den Punkt gebracht - festgestellt, daß die Bw durch die ihr unterstellten Beschimpfungen der Frau R. diese in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise in ihrer Ehre verletzt haben könnte und daß dieses Verhalten als Privatanklagedelikt ausschließlich von einem Strafgericht zu beurteilen bzw zu ahnden wäre. Eine darüber hinaus gehende verwaltungsstrafrechtliche Kompetenz ist im vorliegenden konkreten Fall daher nicht gegeben. Da somit die der Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung (sondern eine strafrechtliche Übertretung) bildet, war der Berufung Folge zu geben und die Einstellung zu verfügen (§ 45 Abs.1 Z1 VStG).

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Ergeht an:

1. Frau G. R.

 2. Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Herrengasse 8, 4600 Wels, unter Aktenrückschluß zu Pol96-83-1998-WIM/MR vom 26. Jänner 1999 mit dem Ersuchen um nachweisliche Zustellung des beiliegenden Erkenntnisses an die Berufungswerberin.

Beilagen Mag. K i s c h

Beschlagwortung: störender Lärm - PolStG nur subsidiär

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