Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300277/3/Ki/Shn

Linz, 04.05.1999

 

VwSen-300277/3/Ki/Shn Linz, am 4. Mai 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Teresa Mejia Jimenez G, vertreten durch RAe, vom 12. April 1999 gegen das Straferkenntnis der BPD Wels vom 31. März 1999, Zl. Abt. III-S-2472/99/S, wegen einer Übertretung nach dem Geschlechtskrankheitengesetz zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.
  2. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die BPD Wels hat mit Straferkenntnis vom 31. März 1999, Zl. Abt.III-S-2472/99/S, die Berufungswerberin (Bw) für schuldig befunden, sie treibe wie am 28.3.1999 um 01.40 Uhr in Wels, S im Lokal "F" festgestellt wurde, mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht und habe es unterlassen, sich vor Beginn dieser Tätigkeit sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen. Sie habe dadurch § 1 der 591. Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz verletzt.

Gemäß § 12 Abs.2 Geschlechtskrankheitengesetz wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt. Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 100 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Die Rechtsmittelwerberin erhob gegen dieses Straferkenntnis - rechtsfreundlich

vertreten - mit Schriftsatz vom 12. April 1999 Berufung mit dem Antrag, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben bzw das Strafverfahren einzustellen.

I.3. Die Bundespolizeidirektion Wels hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens werden nachstehende entscheidungsrelevante Fakten festgestellt:

Im vorliegenden Verfahrensakt findet sich eine Anzeige der BPD Wels (kriminalpolizeiliche Abteilung) vom 28. März 1999. Darin ist ausgeführt, daß im Zuge einer Prost-Kontrolle am 28.3.1999, 01.40 Uhr festgestellt wurde, daß sich die Beschuldigte, beschäftigt im F, Wels, S, ua keiner wöchentlichen, amtsärztlichen Kontrolle unterzogen habe.

Die Beschuldigte habe zur Rechtfertigung angegeben, daß sie nur zu Besuch im Lokal war und nicht der Prostitution nachgegangen sei.

Am 31. März 1999 wurde von der BPD Wels unter Zahl Abt. III-S-2472/99/S durch Verkündung das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen. Die Beschuldigte erklärte nach Belehrung über die Rechtswirkung des Rechtsmittelverzichtes, daß sie ausdrücklich auf die Einbringung einer Berufung verzichtet.

Trotzdem wurde mit Schriftsatz vom 12. April 1999 gegen das Straferkenntnis Berufung erhoben und dieses zur Gänze angefochten.

Als Begründung wurde im wesentlichen der Vorwurf, sie hätte gewerbsmäßig Unzucht getrieben, bestritten. Da sie nicht gewerbsmäßig Unzucht treibe, habe sie sich auch nicht einschlägiger amtsärztlicher Untersuchungen unterzogen.

In der Folge legte die BPD Wels der erkennenden Berufungsbehörde einen Widerruf vom 12. April 1999 vor. Darin widerrief die Beschuldigte die Unterschrift der Erklärung vom 31.3.1999, laut der sie ausdrücklich auf die Einbringung einer Berufung verzichtete. Da sie sich in einer sehr angespannten Situation befunden habe, sei ihr die mögliche Konsequenz dieser Unterschrift nicht bewußt. Außerdem habe sie den Inhalt des Dokumentes aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nicht verstanden. In keinem Moment habe sie ein Geständnis gemacht, daß sie in der Prostitution gearbeitet hätte. Im Gegenteil, sie habe immer wieder ihre Unschuld unterstrichen.

I.6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

I.6.1. Die Beschuldigte hat eine Erklärung unterschrieben, wonach sie nach Verkündigung des Straferkenntnisses ausdrücklich auf die Einbringung einer Berufung verzichtete. Gemäß § 63 Abs.4 iVm § 24 VStG ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.

Gemäß § 51 Abs.4 VStG kann der Beschuldigte während einer Anhaltung einen Berufungsverzicht nicht wirksam abgeben.

Das gegenständliche Straferkenntnis wurde am 31. März 1999 verkündet. Zu diesem Datum befand sich die Beschuldigte, wie aus einem ebenfalls bei der hiesigen Behörde anhängigen Schubhaftbeschwerdeverfahren ersehen werden konnte, in Schubhaft.

Zu diesem Problemkreis hat der VwGH ausgesprochen, daß für die Beurteilung der Frage, ob die im § 51 Abs.4 VStG normierte Unwirksamkeit eines während einer Anhaltung erklärten Berufungsverzichtes auch für den Bereich der Schubhaft zu gelten hat, es nicht darauf ankommt, ob der Schubhaft pönaler Charakter mangelt. Es sei wesentlich, daß auch in nicht dem VStG unterliegenden Verfahren darauf zu achten ist, daß jeder Druck auf einen - aus welchem Grund immer - Festgenommenen, während der Verwahrung auf die ihm zustehenden Rechtsmittelmöglichkeiten zu verzichten, unterbleibt (VwGH 10.3.1994, 94/19/0601).

Wenn auch im vorliegenden Falle die über die Beschuldigte verhängte Schubhaft keinen pönalen Charakter hatte, so darf nicht übersehen werden, daß diese aus subjektiver Sicht sich jedenfalls in einer entsprechenden Zwangslage befunden hat, welche einer Situation gleich kam, wie sie auch bei einer Anhaltung iSd § 51 Abs.4 gegeben ist. Dazu kommt, daß es offensichtlich der Bw an ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache mangelt, sodaß, mangels Beiziehung eines Dolmetschers, durch-aus davon auszugehen ist, daß sie den Sinn der von ihr unterzeichneten Erklärung doch nicht richtig verstanden hat.

Aus den dargelegten Gründen geht die erkennende Berufungsbehörde davon aus, daß ein rechtswirksamer Rechtsmittelverzicht trotz ausdrücklicher Unterschrift der Beschuldigten im vorliegenden Falle nicht gegeben ist und es wird daher über die Berufung inhaltlich entschieden.

I.6.2. Sache des vorliegenden Berufungsverfahrens ist ausschließlich der im Spruch des Straferkenntnisses festgestellte Sachverhalt. Danach sei am 28.3.1999 um 01.40 Uhr in Wels, Stadtplatz 60 im Lokal "Francescco Maria" der inkriminierende Sachverhalt festgestellt worden.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch (eines Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Beschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen bzw sich rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Demnach ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die vorgeworfene Tat in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale exakt beschrieben wird und die Identität der Tat auch nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht. Dies bedeutet, daß die Tatzeit ein wesentliches Tatbestandsmerkmal darstellt.

Der VwGH hat dazu festgestellt, daß die vom VStG geforderte konkrete Umschreibung einer dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat dann nicht vorliegt, wenn der in den die Tatbeschreibung enthaltenden Kausalsatz verschachtelte Satzteil "wie anläßlich festgestellt wurde" seinem semantischen Gehalt nichts anderes ist, als der Bericht über ein Erhebungsergebnis bzw in der Beschreibung der vorgeworfenen Tat auch die Tatzeit fehlt (VwGH 18.2.1992, 92/7/0016).

Im Spruch des Straferkenntnisses findet sich zwar eine Zeitangabe darüber, wann festgestellt wurde, daß die Beschuldigte im bezeichneten Lokal mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht betrieben haben soll, daraus ist jedoch nicht unbedingt abzuleiten, daß dies zu dem festgestellten Zeitpunkt geschehen sein soll. So hätte etwa die Feststellung auch in der Art gemacht werden können, daß allenfalls inkriminierende Videoaufnahmen odgl im Lokal gefunden wurden, welche das inkriminierende Verhalten der Beschuldigten zu einem früheren Zeitpunkt belegt hätten. In diesem Sinne stellt der Vorwurf, "wie am 28.3.1999 um 01.40 Uhr festgestellt wurde", keine Tatzeitkonkretisierung iSd § 44a Z1 VStG dar.

Darüber hinaus wird festgestellt, daß eine einmalige entgeltliche Anbahnung und/oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedung anderer Personen nicht ohne weiteres als Prostitution qualifiziert werden kann. Nach der Judikatur des VwGH bedeutet das Merkmal "zu Erwerbszwecken" mehr als bloße Entgeltlichkeit. Dieses mit Gewerbsmäßigkeit inhaltsgleiche Kriterium erfordert die Absicht, sich durch Wiederholung der strafbaren Handlung eine Einkommensquelle zu schaffen. Bei einer einmaligen Tathandlung kann dieses Merkmal nur erfüllt sein, wenn der Täter beabsichtigt, sich dadurch eine ständige oder zumindest längere Zeit wirkende Einkommensquelle zu verschaffen (VwGH 24.5.1993, 93/10/0014).

Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses findet sich zwar die Formulierung, daß die Beschuldigte mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht begangen hätte, nach der aktenkundigen Beweislage gibt es dafür keine hinreichenden Indizien. Inhaltlich betrachtet fehlen im angefochtenen Straferkenntnis sowohl der Nachweis für die Gewerbsmäßigkeit als auch geeignete Feststellungen darüber, daß die Beschuldigte die Absicht hatte, sich durch Wiederholung der strafbaren Handlung eine Einkommensquelle zu verschaffen.

Es ist daher nach der Aktenlage davon auszugehen, daß die angelastete Verwaltungsübertretung hinsichtlich der subjektiven Tatseite nicht erwiesen werden könnte.

Aus den dargelegten Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

 

Beilagen

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Rechtsmittelverzicht während Anhaltung in Schubhaft

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