Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300354/5/Ki/Ka

Linz, 17.10.2000

VwSen-300354/5/Ki/Ka Linz, am 17.Oktober 2000 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des L P, vom 10.9.2000 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 22.8.2000, Sich96-53-2000-Sta, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.
  2. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 2 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH. Steyr-Land hat mit Straferkenntnis vom 22.8.2000, Sich96-53-2000-Sta, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am Sonntag, den 26.03.2000 in der Zeit von 10,30 bis 17,30 Uhr in seinem im Bau befindlichen Wohnhaus im O, durch lautes Spielen von Musik mit einem Cassettenradio, bei geöffneten Fenstern, ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Er habe dadurch § 3 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz, LGBl. Nr. 36/1979 i.d.F. LGBl. Nr. 30/1995 i.V. mit der Verordnung der Marktgemeinde Bad Hall vom 30.03.1995 über Beschränkung zum Schutz vor untragbaren Belästigungen (Rauch, Staub, Lärm) verletzt.

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 500,-- S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 50,-- S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 10.9.2000 Berufung. Darin widerspricht er dem Grunde nach dem erhobenen Tatvorwurf.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Darüber hinaus wurde Einsicht genommen in die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Hall vom 30. März 1995 über Beschränkungen zum Schutze vor untragbaren Belästigungen (Rauch, Staub, Lärm).

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes OÖ. wie folgt erwogen:

Dem ggstl. Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Bad Hall vom 27.3.2000 zugrunde. Danach soll der Beschuldigte zur vorgeworfenen Tatzeit in seinem in Bau befindlichen Wohnhaus in u.a. bei geöffneten Fenstern ein Cassettenradio lautstark eingeschaltet gehabt haben.

Gemäß §§ 3 Abs. 1 und 10 Abs. 1 oö. Polizeistrafgesetz begeht, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu bestrafen.

Gemäß § 25 Abs. 1 des oö. Heilvorkommen- und Kurortegesetzes, LGBl. Nr. 47/1961, i.d.g.F., sind im Kurort Tätigkeiten oder Maßnahmen verboten, die geeignet sind, eine im Hinblick auf die Besonderheit des Kurortes untragbare Belästigung, insbesondere durch Rauch-, Staub- oder Lärmbelästigung herbeizuführen. Das Verbot gilt allgemein oder, wenn die belästigende Wirkung zeitlich oder gebietsweise beschränkt ist, auf diese Zeiträume oder das betreffende Gebiet beschränkt. Auf welche Maßnahmen oder Tätigkeiten sowie allenfalls in welchen Zeiträumen oder auf welchem räumlichen Gebiet diese Voraussetzungen im Kurort zutreffen, hat die Gemeinde nach Anhören der Kurkommission festzustellen.

Wer u.a. einem der in § 25 aufgestellten Verbote zuwiderhandelt, begeht gemäß § 28 Abs. 1 lit. a des oö. Heilvorkommen- und Kurortegesetzes eine Verwaltungsübertretung.

Durch die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Hall vom 30. März 2000 über Beschränkungen zum Schutz vor untragbaren Belästigungen (Rauch, Staub, Lärm) wurde - gestützt auf § 25 des oö. Heilvorkommen- und Kurortegesetzes - in § 1 lit b festgelegt, dass, um eine im Hinblick auf die Besonderheit des Kurortes Bad Hall untragbare Belästigung, wie Rauch-, Staub- und Lärmentwicklungen hintanzuhalten, die Verwendung oder der Betrieb von Rundfunkgeräten oder Fernsehgeräten oder Lautsprechern oder sonstigen Tonwiedergabegeräten im Freien oder in nicht geschlossenen Räumen dann, wenn die Verwendung oder der Betrieb solcher Geräte im Freien wahrgenommen werden kann, innerhalb der Marktgemeinde Bad Hall (Markt Bad Hall, Ortschaften Furtberg und Hehenberg) täglich von 13.00 - 15.00 Uhr (Ruhezeiten) und an Sonn- und Feiertagen zur Gänze, verboten ist.

Bei der Marktgemeinde Bad Hall handelt es sich um einen Kurort im Sinne des oö. Heilvorkommen- und Kurortegesetzes. Das den Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens bildende Verhalten des Beschuldigten betrifft einen Sonntag. Es mag dahingestellt bleiben, ob dem Beschuldigten der zu beurteilende Sachverhalt zu Recht vorgeworfen wird oder nicht, jedenfalls ist dieser Sachverhalt unter die zitierten Bestimmungen des oö. Heilvorkommen- und Kurortegesetzes bzw der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Hall vom 30. März 1995 zu subsumieren. Dass darüber hinaus das vorgeworfene Verhalten auch die Erregung eines ungebührlicherweise störenden Lärmes im Sinne des oö. Polizeistrafgesetzes darstellen könnte, wird außer Frage gestellt.

All diese Bestimmungen sehen auch eine Bestrafung für den Fall einer Übertretung vor, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beschuldigte wegen seines Verhaltens nach beiden Strafbestimmungen bestraft werden könnte. Dies würde aber dem verfassungsrechtlichen Verbot der Doppelbestrafung (Art 4 Abs. 1 des 7. ZP EMRK) widersprechen. Die verfassungsrechtliche Grenze, die Art. 4 Abs. 1 des 7. ZP EMRK einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, liegt laut ständiger Judikatur des VfGH darin, dass eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn der Delikttypus der einen Strafnorm jenen der weiteren Strafnorm vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst.

Im oö. Polizeistrafgesetz wurde dieses verfassungsrechtliche Gebot dahingehend berücksichtigt, dass § 3 Abs. 1 nur subsidiär gelten soll, nämlich u.a. wenn keine sonst mit Verwaltungsstrafe bedrohte Handlung vorliegt. Nach dieser ausdrücklichen Subsidiaritätsbestimmung ist im vorliegenden Falle ausschließlich das oö. Heilvorkommen- und Kurortegesetz anzuwenden um die Möglichkeit einer Doppelbestrafung auszuschließen.

Wohl hat die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land im Spruch des Straferkenntnisses auf die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Hall vom 30. März 1995 Bezug genommen, das zur Last gelegte Verhalten aber ausdrücklich dem Oö. Polizeistrafgesetz unterstellt und auch nach dieser Bestimmung die Strafe verhängt. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität war aber im vorliegenden Falle das Oö. Polizeistrafgesetz nicht anzuwenden, weshalb der Vorwurf einer Übertretung dieses Gesetzes zu Unrecht erfolgte. Da der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung (Übertretung des nur subsidiär geltenden Oö. Polizeistrafgesetzes) nicht begangen hat, war demnach der Berufung Folge zu geben.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Konkurrenz bzw Subsidiarität hinsichtlich Oö. PolStrG und Oö. Heilvorkommen- und

Kurortegesetz im Zusammenhang mit Lärmerregung in einem Kurort

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