Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300442/5/WEI/Be

Linz, 05.09.2002

VwSen-300442/5/WEI/Be Linz, am 5. September 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die niederschriftliche Berufung des D, vom 24. September 2001, mittlerweile vertreten durch Mag. W, Rechtsanwalt in, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 20. September 2001, Zl. Pol 116/01, wegen Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs 1 und 3 iVm § 10 Abs 2 lit b) Oö. Polizeistrafgesetz - Oö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 30/1995) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis in sämtlichen Spruchpunkten aufgehoben und werden die Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"1. Sie haben es als Hundehalter zu vertreten, dass Sie den in ihrer Obhut befindlichen Hund (Dogo-Argentino-Rüde) am 4.5.2001 um ca. 8.40 Uhr in 4400 Steyr, im Bereich der Kreuzung der Glöckelstraße mit der Arbeiterstraße, nicht an der Leine geführt haben. Dies stellt eine Übertretung der Bestimmungen der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr betreffend den Leinenzwang für verschiedene Stadtgebiete dar.

2. Sie haben es als Hundehalter zu vertreten, dass Sie der Aufsichtspflicht über den in ihrer Obhut befindlichen Hund (Dogo-Argentino-Rüde) in 4400 Steyr, in der Glöckelstraße, nicht nachgekommen sind, sodaß dieser Hund Fr. Hermine K anstieß und diese dadurch zu Sturz kam, sodass Fr. Hermine K dadurch belästigt und gefährdet wurde. Sie haben es somit unterlassen, diesen Hund so zu verwahren, daß gewährleistet ist, daß andere Personen weder belästigt noch gefährdet werden. Dies stellt eine Übertretung der Bestimmungen des oö. Polizeistrafgesetzes dar.

3. Sie haben es als Hundehalter zu vertreten, dass Sie der Aufsichtspflicht über den in ihrer Obhut befindlichen Hund (Dogo-Argentino-Rüde) in 4400 Steyr, in der Glöckelstraße, nicht nachgekommen sind, sodaß dieser Hund auf den in Obhut von Fr. G befindlichen Hund (Golden Retriver) einbiß, sodass Fr. G dadurch belästigt und gefährdet wurde. Sie haben es somit unterlassen, diesen Hund so zu verwahren, daß gewährleistet ist, daß andere Personen weder belästigt noch gefährdet werden. Dies stellt eine Übertretung der Bestimmungen des oö. Polizeistrafgesetzes dar."

Dadurch erachtete die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1. § 2 i.V.m. § 4 der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr betreffend den Leinenzwang für verschiedene Stadtgebiete und § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG, zu den Spruchpunkten 2. und 3. je § 5 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen auf der Grundlage des § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG Geldstrafen und für den Fall der Uneinbringlichkeit (gemäß § 16 Abs 2 VStG) Ersatzfreiheitsstrafen wie folgt:

zu 1. ATS 2.000,-- (EFS 48 Stunden)

zu 2. ATS 4.000,-- (EFS 72 Stunden)

zu 3. ATS 4.000,-- (EFS 72 Stunden)

Summe ATS 10.000,-- (EFS 192 Stunden), entspricht 726,73 Euro

Als Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren wurde der einheitliche Betrag von ATS 1.000,-- (entspricht 72,67 Euro) vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 24. September 2001 eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die noch am 24. September 2001 von der belangten Behörde niederschriftlich aufgenommene Berufung gegen das vorliegende Straferkenntnis, mit der sinngemäß die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird. Die Berufungsbegründung lautet:

"Ich ging mit dem in meiner Obhut befindlichen Dogo Argentino hinter dem Haus Arbeiterstraße 28 in der dortigen Grünanlage spazieren. Ich verließ die Grünanlage Richtung Arbeiterstraße 28. Der Dogo Argentino war angeleint. Der Dogo Argentino wurde auf Fr. G und den Golden Retriver durch die Rufe der Fr. G aufmerksam. Er drehte sich in Richtung von Fr. G. Durch diese Drehung stieß er mich um. Ich fiel hin und fasste den Hund am Halsband. Der Hund drehte sich wiederum und schlüpfte aus dem Halsband heraus. Er lief dann zum Golden Retriver hin. Ich weiß es ganz genau, dass durch den Versuch von Fr. G den Golden Retriver fortzuziehen Fr. G Fr. K - welche einige Schritte hinter Fr. G stand - umstieß. Und durch diese Reaktion von Fr. G wurde der Dogo Argentino veranlasst den Golden Retriver am Hals zu beißen.

Ich kam leider zu spät um dies zu verhindern. Als ich den Dogo Argentino am Genick fasste ließ er sofort vom Golden Retriver ab.

Falls der Dogo Argentino Fr. K umgestoßen hätte, würde ich dies zugeben, da der Hund versichert ist. Ich versichere, dass ich die Wahrheit sage.

Mehr kann ich dazu nicht angeben."

2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender wesentliche S a c h v e r h a l t:

2.1. Die belangte Behörde erhielt von dem im Spruch dargestellten Sachverhalt auf Grund der Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr, Wachzimmer Bahnhof, vom 4. Mai 2001, Zl. S 3656/ST/01, Kenntnis. Im Ermittlungsverfahren vernahm die belangte Behörde die Zeugen B, G und K zum gegenständlichen Vorfall vom 4. Mai 2001 (vgl Niederschriften je vom 17.07.2001).

Alois Blumenschein sah wie der weiße Hund des Bw blitzschnell von der Grünanlage hinter dem Haus Arbeiterstraße 28 auf den Bereich Haltestelle und Telefonzelle in der Glöckelstraße zulief, dort eine auf dem Gehsteig befindliche Frau umstieß und sich daraufhin in einen braunen Hund, den eine andere Frau an der Leine führte, verbiss. G sah einen großen weißen Hund, der nicht an der Leine war, auf sich zulaufen, als sie an der Telefonzelle in der Glöckelstraße mit dem Golden Retriever "Jimmy" ihrer Nachbarin K vorbeikam. Der weiße Hund biss "Jimmy" ein kleines Stück vom Ohr ab, weshalb man danach noch den Tierarzt aufsuchte. Sie sah auch, dass eine ältere Dame zum Sturz kam.

Frau K sah einen großen weißen, nicht angeleinten Hund von der Grünanlage kommend auf den von der G an der Leine geführten braunen Hund zulaufen. Dabei streifte er die erst acht Tage zuvor am Knie operierte Zeugin mit solcher Wucht, dass sie zu Sturz kam. Danach verbiss sich dieser weiße Hund im Bereich des Kopfes des braunen Hundes. Der Bw kam hinterhergerannt und trennte die beiden Hunde.

2.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 31. Juli 2001, eigenhändig zugestellt am 3. August 2001, lastete die belangte Behörde dem Bw die Tat wie im angefochtenen Straferkenntnis an. Der Bw reagierte darauf nicht. Die belangte Behörde erließ daraufhin ohne seine weitere Anhörung das angefochtene Straferkenntnis.

2.3. Mit Eingabe vom 8. Mai 2002 teilte der mittlerweile bekannt gegebene Rechtsvertreter des Bw dem Oö. Verwaltungssenat mit, dass der Bw vom Landesgericht Steyr als Berufungsgericht am 15. April 2002 zur Zahl 17 Bl 1/02 verurteilt worden ist. In weiterer Folge übermittelte der Rechtsvertreter dem Oö. Verwaltungssenat per Telefax am 21. August 2002 eine Ablichtung der ihm zugegangenen Ausfertigung des Berufungsurteils. Der Berufung gegen das Ersturteil des Bezirksgerichts Steyr vom 15. Oktober 2001, 5 U 219/01b-8, mit dem der Bw des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je ATS 50,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen verurteilte worden war, wurde keine Folge gegeben.

2.4. Der Berufungssenat des Landesgerichts Steyr hat nach Wiederholung des Beweisverfahrens und Durchführung eines Ortsaugenscheins den entscheidungswesentlichen Sachverhalt festgestellt und seiner Entscheidung zugrundegelegt. Die für das gegenständliche Verfahren relevanten Aspekte aus dem Berufungsurteil sollen im Folgenden dargelegt werden:

2.4.1. Am 04.05.2001 hatte der Bw den Dogo Argentino des M in Verwahrung und hielt sich mit dem Tier im Bereich des Hauses Arbeiterstraße 28 und der Kreuzung Arbeiterstraße/Otto-Glöckel-Straße auf. G war mit dem Golden Retriever der K auf dem Gehsteig entlang der Glöckelstraße unterwegs, im Abstand von 1 bis 2 m hinter ihr ging Frau K. Als sich G etwa 3 bis 5 m vom hinteren Zugang des Hauses Arbeiterstraße 28 entfernt auf dem Gehsteig befand, erblickte sie den weißen Dogo Argentino und warnte den von ihr an der Leine geführten Golden Retriever mit den Worten: "Jimmy, komm schnell, gehn ma, da ist ein böser Hund!". Der Bw stand zu dieser Zeit etwa 5 m von der vorderen Hauskante entfernt auf dem Plattenweg entlang der Seitenfront des Hauses. Diese Stelle ist etwa 10 m von dem Fliedergebüsch entfernt, das sich im Bereich des Zugangs zur Hinterfront des Hauses befindet. Der Bw führte den Dogo Argentino Rüden zu diesem Zeitpunkt nicht an der Leine.

Unmittelbar danach kam der weiße Rüde hinter dem Fliedergebüsch hervor und sprang, über den Plattenweg des Zuganges zur Hinterfront des Hauses kommend, auf die beiden Damen und den Golden Retriever zu, wobei K zu Sturz kam und sich verletzte. Der Dogo Argentino verbiss sich sofort in das Ohr des Golden Reriever. Die Attacke des Hundes und der Sturz der K erfolgten im Rahmen eines einheitlichen Handlungsablaufes.

2.4.2. Die Angaben des Bw sah das Berufungsgericht durch die Aussage des unvoreingenommenen Zeugen B als widerlegt an. Der Bw verwickelte sich in Widersprüche, indem er zunächst die von Blumenschein angegeben Position bestätigte und dann angab, in unmittelbarer Nähe des Fliedergebüsches gestanden zu sein, um offenbar seine Version, den Hund an der kurzen Leine geführt zu haben glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Angeblich habe er den Hund von einem Angriff auf die verängstigte Maria G abhalten wollen. Das Berufungsgericht hielt ein Entkommen des Tieres für nahezu ausgeschlossen, hätte der im Umgang mit Hunden sehr versierte Bw dem Rüden tatsächlich erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Es erachtete daher die gesamte Verantwortung des Bw für unglaubwürdig (vgl Berufungsurteil, Seite 8).

Aus der auch im Verwaltungsstrafverfahren aktenkundigen Strafanzeige geht schließlich hervor, dass sich der Bw bei einem Wortwechsel mit einem Passanten über den bestehenden Leinenzwang ereiferte und diesen als absurd und unnötig bezeichnete, was er im Berufungsverfahren vor dem Landesgericht Steyr nicht in Abrede stellte. Wie aus dem Berufungsurteil, Seite 9, hervorgeht, wurde der Bw von der BPD Steyr bereits 1999 und 2000 wegen Verletzung des Leinenzwangs nach der Verordnung des Gemeinderats der Stadt Steyr vom 20. September 1990 angezeigt.

2.4.3. In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Bw als erfahrener Hundeführer dem bestehenden Leinenzwang zuwider den fremden Dogo Argentino im Bereich der Kreuzung Arbeiterstraße - Otto-Glöckel-Straße unangeleint geführt und damit mangelhaft verwahrt hat. Darin erblickte das Strafgericht eine klare Sorgfaltswidrigkeit. Sein rechtswidriges Verhalten sei dem Bw als Fahrlässigkeitsschuld objektiv und subjektiv anzulasten und hafte er auch im Rahmen des Rechtswidrigkeitszusammenhanges für die Verletzungen der K, die ohne die Attacke des Hundes des Angeklagten nicht eingetreten wären.

2.5. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt samt Berufung zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zu erstatten. Im Vorlageschreiben wurde auf eine einschlägige Vormerkung zur Zahl Pol-182/00 nach § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG (Geldstrafe ATS 500,--) hingewiesen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt und unter Berücksichtigung das ergänzend beigeschaffte Urteil des Landesgerichts Steyr festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 5 Abs 1 Oö. PolStG idF LGBl Nr. 94/1985 begeht u.a. eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet,

wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden, oder gegen die auf Grund der Abs 2 und 3 erlassenen Verordnungen oder behördlichen Anordnungen verstößt.

Gemäß § 5 Abs 2 Oö. PolStG kann die Gemeinde das Halten von Tieren unter bestimmten Voraussetzungen untersagen oder Anordnungen für das Halten der Tiere treffen. Nach § 5 Abs 3 leg.cit. kann die Gemeinde, wenn und soweit dies zur Vermeidung von Beeinträchtigungen von Menschen oder Sachen erforderlich ist, anordnen, dass Hunde außerhalb von Gebäuden oder von ausreichend eingefriedeten Grundflächen oder an bestimmten Orten an einer Leine geführt werden müssen, einen Maulkorb tragen müssen oder an bestimmten Orten nicht mitgeführt werden dürfen.

Den Materialien (vgl AB Blg 448/1985 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 22. GP, 3) ist zu entnehmen, dass sich eine landesgesetzliche Regelung betreffend das Halten von Tieren nicht mehr nur auf gefährliche Tiere beschränken sollte und Missstände nicht mehr ortspolizeilichen Regelungen der Gemeinden überlassen bleiben sollten. Vielmehr sprach sich der Ausschuss für allgemeine innere Angelegenheiten des Oö. Landtages dafür aus, eine Beaufsichtigung oder Verwahrung von Tieren, die so mangelhaft erfolgt, dass sie Gefährdungen oder Belästigungen dritter Personen zur Folge hat, in Zukunft für strafbar zu erklären. Dritte Personen seien dabei alle, die nicht unmittelbar dem Haushalt des Tierhalters angehören.

Nach hM ist Tierhalter, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über Verwahrung und Beaufsichtigung entscheidet (vgl näher mwN Dittrich/Tades, MGA ABGB33, E 18 ff zu § 1320; Reischauer in Rummel2, Rz 7 f zu § 1320 ABGB). Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (etwa das Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl VwGH 30.7.1992, 88/17/0149).

4.2. Schon die grammatikalische Konstruktion im ersten Satz des § 5 Abs 1 Oö. PolStG durch Hauptsatz und Konsekutiv- oder Folgesatz (Wer als Halter ... in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder .... belästigt werden, ...) zeigt entgegen der Darstellung der belangten Behörde, dass es sich bei dieser Verwaltungsübertretung nicht einfach um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 VStG mit Beweislastumkehr, sondern um ein Erfolgsdelikt handelt, bei dem die mangelhafte Tierhaltung zu einer in der Außenwelt erkennbaren Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung Dritter geführt haben muss. Denn wie auch aus dem oben zitierten Ausschussbericht klar hervorgeht, soll nicht jede mangelhafte Tierhaltung, sondern nur die derart mangelhafte, dass dadurch die gesetzlich umschriebenen Folgen herbeigeführt werden, strafbar sein. Es war daher rechtsirrig, wenn die belangte Strafbehörde glaubte, sich zur Begründung des Verschuldens auf § 5 Abs 1 VStG berufen zu können. Es war daher auch nicht Sache des Bw sich zu entlasten, sondern die Strafbehörde war verpflichtet, den objektiven und subjektiven Tatbestand durch entsprechende Feststellungen zu begründen.

4.3. Gemäß der Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs 1 Oö. PolStG ist die Tat keine Verwaltungsübertretung, sofern sie den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Nach dieser ausdrücklich angeordneten Subsidiarität kommt es nur darauf an, ob das eine Verwaltungsübertretung darstellende Verhalten zugleich unter einen gerichtlichen Straftatbestand zu subsumieren ist. Es wird an sich nicht vorausgesetzt, dass es tatsächlich zu einer gerichtlichen Verurteilung und Bestrafung des Täters gekommen ist. Wesentlich ist nur, dass eine Tat auch Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens sein könnte. Diese Subsidiarität setzt idealkonkurrierende Tatbestände voraus, weil das Tatverhalten sowohl nach dem Oö. PolStG als auch gerichtlich strafbar sein und in diesem Sinne Tateinheit vorliegen muss. Auch bedarf es bei einer solchen Subsidiaritätsklausel keines Rückgriffes auf das Verbot der Doppelverfolgung nach Art 4 Z 1 des 7. ZP zur EMRK und die dazu ergangene Judikatur, um verfassungskonforme Ergebnisse zu erzielen.

Schon in der bisherigen Judikatur war klargestellt, dass im Fall einer ausdrücklich angeordneten Subsidiarität eine Ausnahme vom verwaltungsstrafrechtlichen Kumulationsprinzip besteht (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 5, 1996, E 5, 6, 10 und 11 zu § 30 VStG). Ein Bindung der Verwaltungsstrafbehörde besteht nur im Fall einer verurteilenden Entscheidung durch das Strafgericht. Bei Freispruch oder Einstellung hat die Strafbehörde hingegen nach der Judikatur selbständig zu prüfen, ob sie zur Ahndung einer Verwaltungsübertretung zuständig ist oder das Verwaltungsstrafverfahren wegen Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung einzustellen hat (vgl mwN Hauer/Leukauf, aaO, Anm 5 und E 3 zu § 30 VStG).

4.4. Im vorliegenden Fall wurde der Bw wegen des verfahrensgegenständlichen Vorfalls von den zuständigen Strafgerichten rechtskräftig wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB verurteilt. Wie aus dem Berufungsurteil des Landesgerichts Steyr hervorgeht, wurde dem Bw angelastet, durch mangelhafte Verwahrung bzw Führung des Dogo Argentino Rüden die Verletzungen der K schuldhaft herbeigeführt zu haben. Dabei erblickte das Berufungsgericht vor allem in der Missachtung des an der Örtlichkeit verordneten Leinenzwangs einen klaren Sorgfaltsverstoß, der letztlich zu den Verletzungen führte.

Das Strafurteil erfasst demnach sowohl die Verletzung des Leinenzwangs als auch die körperliche Gefährdung (Verletzung) der K durch den Dogo Argentino. In Bezug auf diese Umstände, die in den Spruchpunkten 1. und 2. des angefochtenen Straferkenntnisses verwertet wurden, kann auf Grund der ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs 1 Oö. PolStG neben dem gerichtlichen Straftatbestand keine zusätzliche Verwaltungsübertretung in Betracht kommen.

Mangels der Strafbarkeit einer fahrlässigen Sachbeschädigung kann der Schuldspruch des Strafgerichts die Verletzung des Golden Retriever "Jimmy" durch den Dogo Argentino, der ihm nach Aussage der G ein kleines Stück des Ohres abgebissen haben soll, nicht umfassen. Die blutende Wunde musste offenbar vom Tierarzt versorgt werden. Insofern wäre eine Verwaltungsübertretung nach dem § 5 Abs 1 Oö. PolStG denkbar. Die belangte Strafbehörde hat allerdings einen unter dem Aspekt des Konkretisierungsgebots nach § 44a Z 1 VStG unzureichenden Tatvorwurf erhoben.

Im Spruchpunkt 3. ist nur sehr pauschal die Rede davon, dass der Dogo Argentino Rüde auf den Golden Retriever einbiss, sodass Frau G dadurch belästigt und gefährdet wurde. Es fehlt die Angabe der konkreten Verletzung des Golden Retriever ebenso wie der Umstand, dass nicht Frau G, sondern deren Nachbarin und Eigentümerin des Hundes K dadurch geschädigt (Tierarztkosten) wurde. Diesen Erfolgsunwert hat die belangte Behörde nicht einmal ansatzweise berücksichtigt. Nach § 5 Abs 1 Oö PolStG müssen dritte Personen durch die unsachgemäße Beaufsichtigung des Tieres gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden. Nach der Aktenlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass Frau G in ihrer körperlichen Integrität gefährdet gewesen wäre. Der Dogo Argentino hatte es nur auf den Golden Retriever abgesehen. Außerdem trennte der hinterher laufende Bw die Hunde sogleich wieder (Aussage K). Eine über das zumutbare Maß hinausgehende Belästigung der Frau G ist für den Oö. Verwaltungssenat aus der Aktenlage nicht ohne weiteres erkennbar. Jedenfalls hat die belangte Behörde diese Erfolgsvariante im Spruch nicht entsprechend den Konkretisierungsanforderungen des § 44a Z 1 VStG zum Ausdruck gebracht.

5. Im Ergebnis war daher aus Anlass der Berufung das angefochtene Straferkenntnis in sämtlichen Spruchpunkten aufzuheben und waren die Strafverfahren gegen den Bw mangels strafbarer Verwaltungsübertretungen iSd § 5 Abs 1 Oö. PolStG nach dem § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß

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