Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300449/2/Ki/Bk

Linz, 11.01.2002

VwSen-300449/2/Ki/Bk Linz, am 11. Jänner 2002 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Wilhelm FN vom 27.12.2001 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 14.12.2002, GZ: III/S-33.120/01-2 SE, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 14.12.2001, GZ: III/S-33.120/01-2 SE, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 28.8.2001, um 07.40 Uhr in L, den öffentlichen Anstand verletzt, indem er anlässlich einer Zwangsräumung seines Kellers den verantwortlichen Hausverwalter im Stiegenhaus mit den Worten "Arschloch", soziales Schwein u.a. beschimpfte und ihn aus einer Entfernung von ca. 1,5 m in Richtung seines Gesichtes und des Oberkörpers bespuckte. Er habe dadurch § 1 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz verletzt.

Gemäß § 10 Abs.1 lit.a Oö. Polizeistrafgesetz wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Euro 72,67) bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 48 Stunden verhängt.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 100 S (Euro 7,27), das sind 10 % der verhängten Geldstrafe, verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob dagegen am 27.12.2001 vor der Bundespolizeidirektion Linz mündlich Berufung mit dem Ersuchen, das gegenständliche Straferkenntnis ohne mündliche Verhandlung aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen. Als Begründung verwies er auf den Ablauf des Geschehens in einem im Jahre 2001 vor dem Oö. Verwaltungssenat geführten Berufungsverfahren betreffend eine Tat vom 15.12.2000 (siehe VwSen-230796/11/Br/Bk vom 10.10.2001).

I.3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 726 EUR (entspricht 10.000 ATS) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Eine mündliche Berufungsverhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

Es werden nachstehende entscheidungsrelevante Fakten festgestellt:

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz (WZ Kaarstraße) vom 28.8.2001 zugrunde. Danach habe der Beschuldigte zur vorgeworfenen Tatzeit am vorgeworfenen Tatort durch Bespucken einer Person den öffentlichen Anstand verletzt. In der Anzeige ist weiters ausgeführt, dass die vom Verhalten des Bw betroffene Person am 28.8.2001 um 07.35 Uhr um Unterstützung durch die Polizei ersucht hat, da diese im Auftrag einer Linzer Wohnungsgenossenschaft im Haus N eine Zwangsräumung des Kellers durchzuführen habe, da dort vom Beschuldigten in den vergangenen Monaten große Mengen Abfall gesammelt und deponiert worden waren. Gleich am Beginn der Entsorgungsarbeiten habe der Beschuldigte den Leiter der Aktion beschimpft und ihn im Stiegenhaus bespuckt. Weitere Angriffe haben unterbunden werden können. Als Beweismittel wurde die dienstliche Wahrnehmung des Meldungslegers sowie eines zweiten Polizeibeamten angeführt.

In einem weiteren Bericht führte dann der Meldungsleger aus, dass der Beschuldigte die für die Zwangsräumung des Kellers verantwortliche Person mit den im Spruch des Straferkenntnisses bezeichneten Ausdrücken beschimpft hat, es sei jedoch gegen ihn keine Privatanklage wegen Beleidigung beim Bezirksgericht eingebracht worden. Der Beschuldige habe den für die Räumung Verantwortlichen aus einer Entfernung von ca. 1,5 m und in Richtung seines Gesichtes bzw Oberkörpers bespuckt.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes rechtlich wie folgt erwogen:

Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz begeht, wer den öffentlichen Anstand verletzt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

Dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung nach liegt demnach eine Verwaltungsübertretung nur dann vor, wenn die inkriminierende Handlung nicht mit einer gerichtlichen Strafe bedroht ist. Durch diese Subsidiaritätsklausel wird Art.4 Abs.1 7. ZPMRK entsprochen, wonach niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf (Verbot der Doppelbestrafung).

Laut Judikatur des VfGH ist eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst (vgl. VfSlg 14.696/1996 u.a.). Strafverfolgungen bzw Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumation jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird. Dies schließt nicht schlechthin aus, dass durch ein bestimmtes Verhalten auch mehrere nebeneinander zu ahndenden Übertretungen begangen werden können, im Lichte der zitierten Bestimmung des Art.4 Abs.1 des 7. ZPMRK bzw der aktuellen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Zusammenhang mit dem Verbot der Doppelbestrafung ist jedoch diesbezüglich eine restriktive Betrachtungsweise geboten.

Im vorliegenden Falle wird dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe eine andere Person beschimpft bzw bespuckt. Aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen geht hervor, dass bei dieser vorgeworfenen Handlung zumindest auch zwei Polizeibeamte anwesend waren.

Gemäß § 115 Abs.1 StGB ist, wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, gerichtlich zu bestrafen.

Eine Handlung wird gemäß § 115 Abs.2 StGB vor mehreren Leuten begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können.

Im gegenständlichen Falle hätte der Beschuldigte die ihm zur Last gelegten Handlungen zumindest in Gegenwart von zwei Polizeibeamten begangen und diese hätten das Verhalten auch wahrnehmen können. Demnach stellt das Verhalten des Bw dem Vorwurf nach eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung dar, welche (als Privatanklagedelikt) einer strafgerichtlichen Beurteilung zu unterziehen wäre. Für die gegenständliche Subsidiarität kommt es aber nicht darauf an, ob eine gerichtliche Strafverfolgung tatsächlich stattfand oder nicht, sondern nur darauf, dass der dem Bw angelastete Sachverhalt eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung bildete, dies unabhängig davon, ob es sich um ein Privatanklagedelikt handelt.

Zusammenfassend wird nochmals festgestellt, dass das dem Bw vorgeworfene Verhalten eine Beleidigung iSd § 115 StGB gegenüber der in der Anzeige bezeichneten Person darstellt und dieses Verhalten als Privatanklagedelikt ausschließlich von einem Strafgericht zu beurteilen bzw zu ahnden wäre. Eine darüber hinausgehende verwaltungsstrafrechtliche Kompetenz ist im vorliegenden konkreten Falle daher nicht gegeben.

Da somit die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung (sondern eine strafrechtliche Übertretung) bildet, war der Berufung Folge zu geben und die Einstellung zu verfügen (§ 45 Abs.1 Z1 VStG).

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 EUR (entspricht  2.476,85 ATS) zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Auch im Falle eines Privatanklagedeliktes nach dem StGB ist eine Bestrafung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz unzulässig

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