Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300462/2/Ki/Ka

Linz, 23.05.2002

VwSen-300462/2/Ki/Ka Linz, am 23. Mai 2002 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des DP , vom 29.4.2002, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 9.4.2002, GZ. 101-5/1-330114467, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat mit Straferkenntnis vom 9.4.2002, GZ.101-5/1-330114467, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe es als Besitzer eines Hundes, Dobermannrüde, Rufname Chiko verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass dieser laut Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz am 6.8.2000 gegen 11:35 Uhr in Linz, im Stiegenhaus des Hauses K Rev.Insp. S ohne ein relevantes Mitverschulden desselben (vorsätzliches Reizen des Hundes) initiativ angegangen (angesprungen) und am Oberschenkel im Bereich der Hüfte gebissen hat. Herr Rev.Insp. S sei dabei nicht nur über das zumutbare Maß hinaus belästigt und gefährdet, sondern auch durch den Biss verletzt worden. Diese Bissverletzung sei vom Amtsarzt Dr. S festgestellt und erstversorgt worden. Sein Verschulden liege darin begründet, dass er nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Hund mit einem Beißkorb versehen werde. Er sei nur an der Leine durch Herrn E geführt worden, obwohl ein Leinen- und Maulkorbzwang für diesen Hund seitens des Magistrates, Bezirksverwaltungsamt, mit rechtskräftigen Bescheid vom 28.11.1996 (GZ 101-5/1-330045028) vorgeschrieben worden sei.

Er habe dadurch § 5 Abs.1 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr.36/1979 idgF iVm § 5 Abs.3 Oö. Polizeistrafgesetz idgF und dem Bescheid des Bezirksverwaltungsamtes vom 28.11.1996, GZ. 101-5/1-330045028 verletzt. Gemäß § 10 Abs.2 lit.b Oö. Polizeistrafgesetz wurde eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (EFS 4 Tage) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 50 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 29.4.2002 Berufung mit der Begründung, dass er zum Tatzeitpunkt nicht anwesend gewesen sei. Weiters wurde ausgeführt, dass er keine Aufforderung zur Rechtfertigung bekommen habe und die Angabe, er verdiene 1.700 Euro, nicht der Wahrheit entspreche.

I.3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

Dem gegenständlichen Verfahren liegt eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz zugrunde. Danach wollten am 6.8.2000 um 11.30 Uhr zwei Polizeibeamte sich zwecks einer Amtshandlung in das Haus K begeben. Auf ihr Klopfen an der Eingangstür wurde ihnen nach einiger Zeit von HE geöffnet. Die beiden Meldungsleger begaben sich in das Stiegenhaus, wobei einer vorne ging. Gleich nach dem Betreten des Stiegenhauses wurde dieser Meldungsleger von einem der beiden Hunde, die E bei sich führte, angesprungen und am Oberschenkel im Bereich der Hüfte gebissen. Bei dem Hund hat es sich um einen Dobermannrüden, Name "Chiko", welcher dem Bw gehört, gehandelt. Durch den Biss hat der eine Meldungsleger an der angeführten Stelle eine ca. 4 bis 5 cm große Abschürfung erhalten.

Der Hund, welcher angeleint war, wurde von E zurückgerissen, der Bw dürfte in der Zwischenzeit durch den Hinterausgang davongelaufen sein.

Die Verletzung des Meldungslegers wurde vom Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Linz festgestellt und erstversorgt. Eine Diensttauglichkeit war weiter gegeben.

In der Anzeige ist weiters ausgeführt, dass eine Anfrage beim Magistrat Linz ergeben hat, dass dem Bw mit Bescheid vom 28.11.1996 vorgeschrieben wurde, seinen Hund an der Leine zu halten und mit einem Beißkorb zu versehen.

Im Verfahrensakt befindet sich ferner in Kopie ein Auszug aus einem Befund und Gutachten des Amtsarztes der BPD Linz vom 6.8.2000, worin die erwähnte Verletzung festgestellt wurde.

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 10 Abs.2 lit.b Oö. Polizeistrafgesetz sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 5 mit Geldstrafe bis zu 1.450 Euro zu bestrafen.

Gemäß § 5 Abs.1 leg.cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden, oder gegen die aufgrund der Abs.2 und 3 erlassenen Verordnungen oder behördlichen Anordnungen verstößt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung.

Dazu wird zunächst festgestellt, dass der erhobene Vorwurf, der Bw habe als Besitzer des Hundes die Verwaltungsübertretung zu verantworten, durch das Oö. Polizeistrafgesetz nicht gedeckt ist. Als Besitzer ist gemäß § 309 ABGB jemand zu verstehen, der eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame und überdies den Willen hat, sie als die seinige zu behalten. Die Bestimmung des § 5 Oö. Polizeistrafgesetz richtet sich jedoch an den Halter eines Tieres.

Der Begriff eines Tierhalters wird im Oö. Polizeistrafgesetz nicht ausdrücklich definiert, offenbar jedoch mit Rücksicht auf dessen Relevanz in anderen Rechtsbegriffen als bekannt vorausgesetzt. Nach der herrschenden Meinung zu § 1320 ABGB ist als Tierhalter anzusehen, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über die Verwahrung und Beaufsichtigung zu entscheiden hat. Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (wie etwa das Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl.VwSen-300168/2/Wei/Bk vom 14.7.1998 bzw die dort zitierten Literatur- und Judikaturnachweise).

Der Begriff des Besitzers erfährt gegenüber dem eines Halters insoferne eine Ausweitung, als es für den Besitzer darauf ankommt, eine Sache als die seinige behalten zu wollen, während es als Halter bloß genügt, die Herrschaft über das Tier inne zu haben.

Unabhängig davon erachtet die Berufungsbehörde, dass der vorliegende konkrete Sachverhalt eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung bildet, weshalb die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz greift.

Laut der vorliegenden Anzeige wurde der Meldungsleger durch den Hundebiss verletzt, sodass es einer Erstversorgung durch den Amtsarzt der BPD Linz bedurfte. Nachdem der Meldungsleger jedenfalls eine leichte Verletzung erlitten hat, war im vorliegenden Falle an den gerichtlich strafbaren Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 StGB zu denken, weshalb dem Grunde nach die gerichtliche Zuständigkeit wegen des Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung durchaus zu bejahen ist.

Im Hinblick auf die eindeutige Aussage der Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz liegt demnach im vorliegenden Fall keine strafbare Verwaltungsübertretung vor. Nach ihrem Wortlaut kommt es für die verwaltungsstrafrechtliche Strafbarkeit nicht auf die Gerichtsanhängigkeit oder ein bestimmtes Verfolgungsverhalten des Staatsanwaltes, sondern nur darauf an, dass die Tat nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet. Durch diese Subsidiaritätsklausel vermeidet der Landesgesetzgeber auch die verfassungsrechtlich unzulässige mehrfache Strafverfolgung aus ein und demselben Grund.

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 einzustellen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Hundebiss; nur subsidiäre Geltung des Oö. PolStG

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