Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101996/2/Br

Linz, 07.06.1994

VwSen - 101996/2/Br Linz, am 7. Juni 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn Robert W, 4572 St.Pankraz Nr.5, vertreten durch Dr. Erich Bernegger 4580 Windischgarsten 400, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, vom 29. April 1994, AZ.: VerkR96/3534/1993/Bi/Hu, wegen Übertretungen der StVO 1960 zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge. Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, hat mit dem Straferkenntnis vom 29. April 1994 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 99 Abs.2 lit.a iVm § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 5.000 S und für den Nichteinbringungsfall fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 27. Juni 1993 um 03.30 Uhr, den Kombi mit dem Kennzeichen auf der P B, Strkm. 38.850 im Gemeindegebiet von M von Wi kommend in Richtung K gelenkt und es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er vor dem Verlassen der Unfallstelle die Kennzeichentafel vom verunfallten Fahrzeug abmontiert und er noch vor seiner Ausforschung Alkohol konsumiert habe (Nachtrunk).

1.1. Hiezu führte die Erstbehörde begründend zur Sache aus:

"Den vorliegenden Ermittlungen zufolge lenkten Sie zur Tatzeit den Kombinationskraftwagen, Kennz. auf der P B im Gemeindegebiet von Min Richtung K, wobei Sie im Baustellenbereich S (Strkm. 38,850) nach rechts von der Fahrbahn abkamen und Sie einen Verkehrsunfall verursachten, bei dem sich Ihr Fahrzeug überschlug und total beschädigt wurde.

Nach diesem Verkehrsunfall bei dem Sie unverletzt blieben montierten Sie gemeinsam mit einem Ihnen unbekannten Autofahrer die Kennzeichentafeln vom verunfallten Kombi ab und fuhren Sie anschließend mit diesem Autofahrer nach Hause. In der weiteren Folge tranken Sie in der Zeit von 08.30 - 09.30 Uhr zu einer Jause zwei offene halbe Bier, wodurch die Feststellung, ob Sie sich im Zeitpunkt des Unfalles (03.30 Uhr) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befanden erschwert wurde, zumal Sie bereits vor dem Verkehrsunfall im Cafe M in W insgesamt 3/8 l Wein jeweils aufgespritzt mit Limonade konsumierten und die an Ihnen um 10.31 Uhr des gleichen Tages durchgeführte Atemluftüberprüfung einen Atemluftalkoholgehalt von 0,24 mg/l ergab.

Im gegenständlichen Verfahren haben Sie den Ihnen zur Last gelegten Tatbestand bestritten und Sie rechtfertigten sich im wesentlichen dahingehend, daß Sie keine im Eigentum dritter Personen stehenden Sachen beschädigt hatten und es läge kein Verkehrsunfall mit Sachschaden vor, sodaß Sie nicht verpflichtet gewesen waren, an der Unfallstelle zu verbleiben bzw. könne Sie auch keine Mitwirkungspflicht an der Feststellung des Sachverhaltes treffen.

Sie hatten keinesfalls damit rechnen müssen, daß hier irgendwelche behördlichen Erhebungen durch die Gendarmerie durchgeführt werden würden, da Sie ja keine fremden Sachen beschädigt hätten. Sie hatten erst etwa in der Zeit zwischen 08.30 und 09.30 Uhr zwei halbe Bier getrunken. Zu diesem Zeitpunkt hatten Sie keinesfalls mehr mit behördlichen Erhebungen rechnen müssen und es liege daher keinesfalls ein verbotener Nachtrunk vor. Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe weder eine Verständigungspflicht noch die Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, wenn nur am eigenen Fahrzeug Sachschaden entstanden sind (VwGH 20.6.1973, 207/73).

Hierüber hat die Behörde nachstehendes erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO. 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO. 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen zu bestrafen, der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt.

Aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse kann zweifelsfrei davon ausgegangen werden, daß Ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang stand.

Die Verpflichtung an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken dient auch dem Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatgeschehens zu erleichtern und zu gewährleisten, daß die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallsherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt. Dies beinhaltet die Verpflichtung, dar Eintreffen der Organe der öffentlichen Sicherheit am Unfallsort abzuwarten, auch um Feststellungen zur Person der Beteiligten Fahrzeuglenker in der Richtung treffen zu können, ob diese zur Lenkung der am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuge berechtigt waren und äußerlich den Anschein erwecken sich geistig und körperlich in einem zur Lenkung eines Fahrzeuges geeigneten Zustand befunden zu haben.

Dazu kommt, daß laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Verletzung der passiven Mitwirkungspflicht bereits in der Zustimmung des Beschuldigten zum Abmontierten der Kennzeichentafeln seines Kraftfahrzeuges vorliegt, da darin die Absicht gelegen war, Feststellungen über den Unfall bzw. des Unfallbeteiligten zu verschleiern (VwGH 27.4.1979, 1739/77, Zfv 1980/144).

Ihre Einwendungen, nämlich daß Sie die Kennzeichentafeln aus Sicherheitsgründen abmontiert und mitgenommen hatten sind als bloße Schutzbehauptungen zu werten.

Bei der von Ihnen zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.6.1973, 207/1973 wurde der Fahrer selbst verletzt, sodaß darauf nicht näher einzugehen war.

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes grundsätzlich auch das Verbot ein, nach dem Unfall Alkohol zu trinken (sogen. "Nachtrunk"), wenn dadurch die Feststellung im Zeitpunkt des Unfalles ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand gegeben war, erschwert werden kann, und zwar unabhängig davon, ob vor dem Unfall Alkohol konsumiert wurde oder nicht; das Verbot besteht solange als mit einer amtlichen Tatbestandaufnahme, zu der auch die Feststellung eines allfälligen alkoholbeeinträchtigten Zustandes des Lenkers im Unfallszeitpunkt gehört, gerechnet werden muß bzw. die amtliche Unfallaufnahme erfolgt ist und solange noch brauchbare Ergebnisse aus Untersuchungen zu erwarten sind. Dieser Zeitraum hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und ist nicht generell bestimmbar.

Ihren Einwendungen, nämlich daß Sie zum Zeitpunkt Ihres Nachtrunkes keinesfalls mehr mit behördlichen Erhebungen rechnen hätten müssen, kann aber nicht gefolgt werden. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Ergebnis der Atemalkoholuntersuchung verwiesen.

Die Behörde gelangte daher in freier Beweiswürdigung zu dem Schluß, daß Sie den Ihnen zur Last gelegten Tatbestand, einerseits durch Entfernen der Kennzeichentafeln und Verlassen der Unfallstelle und zum anderen durch verbotenen Nachtrunk verwirklicht und als Verwaltungsübertretung zu verantworten haben.

Bei der Strafbemessung (§ 19 VStG.) wurden das Ausmaß Ihres Verschuldens und auch Ihre bisherige Unbescholtenheit gewertet und somit die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abgewogen, sowie Ihre Einkommens- und Vermögensverhaltnisse (ca. S 11.000,-- mtl. Einkommen, kein Vermögen) und das Nichtvorliegen von Sorgepflichten berücksichtigt.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den zitierten Strafrahmen von S 500,-- bis S 30.000,--, ist die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch. Die Entscheidung über die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter aus wie folgt:

"Das angefochtene Straferkenntnis wird seinem gesamten Umfange und Inhalt nach bekämpft, der Berufungswerber erhebt gegen das angefochtene Straferkenntnis volle Berufung und bekämpft sowohl den Schuldspruch, als auch den Ausspruch über die Strafe.

Als Berufungsgründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellung auf Grund unrichtiger und unvollständiger Beweiswürdigung, unrichtige rechtliche Beurteilung sowie unrichtige, unzweckmäßige und gesetzwidrige Ermessensübung geltend gemacht.

Die Berufungsgründe werden im einzelnen ausgeführt wie folgt:

1. Mangelhaftigkeit des Verfahrens Der Berufungswerber hat in seiner Rechtfertigung vom 13.12.1993 ausgeführt, daß er durch den Verkehrsunfall einen Unfallschock erlitten hat und es ihm daher nicht als Verschulden angelastet werden kann, wenn er allenfalls eine Mitwirkungspflicht, welche jedoch ohnedies nicht bestanden hat, verletzt hat. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen diese Angaben zu überprüfen und ein medizinisches Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit nach dem Unfall einzuholen, welches Beweismittel jedoch nicht eingeholt wurde, sodaß das erstinstanzliche Verfahren zum Nachteile des Beschuldigten mangelhaft geblieben ist.

Die Erstbehörde hat auch keinerlei Erhebungen durchgeführt, durch welche die Frage, ob überhaupt ein Leitpflock beschädigt worden ist oder nicht, abgeklärt wurde. Es wurde eine derartige Beschädigung eines Leitpflockes auch im Straferkenntnis nicht ausgeführt und festgestellt, sodaß nicht von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ausgegangen werden kann.

Die Erstbehörde hat ursprünglich dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe es unterlassen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er die Kennzeichentafeln vom verunfallten Fahrzeug abmontierte und er die Unfallstelle verließ.

Der Berufungswerber konnte sich auch nur zu diesem ihm zur Last gelegten Sachverhalt rechtfertigen, die ihm nunmehr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung eines verbotenen Nachtrunkes wurde ihm erst mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29.11.1993 angelastet, wobei jedoch in weiterer Folge keine Beweismittel und keine Beweise aufgenommen wurden. Es wurde daher auch das Parteiengehör des Berufungswerbers nicht gewährt.

Die Erstbehörde hätte auf jeden Fall ein medizinisches Gutachten zur Frage, ob der Beschuldigte durch einen schweren Schockzustand nach dem Verkehrsunfall nicht in der Lage war, aus medizinischen bzw. gesundheitlichen Gründen einer allfälligen Mitwirkungspflicht nachzukommen.

Das angefochtene Straferkenntnis ist jedoch auch im Spruch mangelhaft, und stimmt der im Spruch angeführte Tatzeitpunkt 27.06.1993 gegen 03.30 Uhr sowie auch der Tatort P Bundesstraße B, Straßenkilometer 38,850, nicht mit den in weiterer Folge getroffenen Feststellungen überein. Dem Berufungswerber wird vorgeworfen, daß er noch vor seiner Ausforschung Alkohol konsumiert habe, dieser Alkoholkonsum war jedoch erst am 27.06.1993 in der Zeit von 08.30 bis 09.30 Uhr. Der Tatzeitpunkt stimmt daher nicht mit den Feststellungen bzw. den angeführten Tatsachen in der Begründung des Straferkenntnisses überein, sodaß das angefochtene Straferkenntnis mangelhaft, materiell rechtswidrig und nichtig ist.

Es liegen daher erhebliche Verfahrensfehler vor, sodaß der Berufungswerber beantragt, das angefochtene Straferkenntnis wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufzuheben.

2. Unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellung auf Grund unrichtiger und unvollständiger Beweiswürdigung:

Unter diesem Berufungsgrund wird die Feststellung der Erstbehörde bekämpft, daß der Berufungswerber einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem Sachschaden entstanden sei.

Die Erstbehörde hat nicht festgestellt bzw. ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen die negative Feststellung, daß durch den Beschuldigten keine im Eigentum von Dritten stehenden Sachen oder Gegenstände beschädigt wurden. Es wurde lediglich das eigene Fahrzeug des Beschuldigten beschädigt, dies kann jedoch nicht als Verkehrsunfall mit Sachschaden im Sinne der StVO qualifiziert und festgestellt werden.

Es wird daher die Feststellung begehrt, daß durch den Verkehrsunfall lediglich das eigene Fahrzeug des Beschuldigten beschädigt wurde und keine im Eigentum Dritter stehenden Sachen beschädigt wurden. Weiters wird die Feststellung begehrt, daß der Beschuldigte einen schweren Unfallschock erlitten hat und dadurch nicht in der Lage war, unmittelbar nach dem Verkehrsunfall einer allfälligen Mitwirkungspflicht nachzukommen.

Aus den begehrten Feststellungen ergibt sich, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

Wie bereits unter Punkt 1. ausgeführt, ist jedoch auch die genaue Tatzeit hinsichtlich des dem Berufungswerber angelasteten Nachtrunkes nicht festgestellt worden bzw. ist sie im Straferkenntnis falsch angenommen worden.

Im Verwaltungsstrafverfahren ist im Zweifel zugunsten des Beschuldigten zu entscheiden, sodaß dann, wenn hier ein gravierender Unfallschock auf Grund desÜberschlagens des Fahrzeuges des Beschuldigten gegeben war, nicht mit der erforderlichen Sicherheit und zweifelsfrei geschlossen werden kann, daß der Beschuldigte seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

3. Unrichtige rechtliche Beurteilung:

Die Erstbehörde hätte eine Verwaltungsübertretung durch den Berufungswerber bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes nicht annehmen dürfen.

Der Beschuldigte hatte keine im Eigentum dritter Personen stehenden Sachen beschädigt und lag kein Verkehrsunfall mit Sachschaden vor, sodaß der Beschuldigte nicht verpflichtet war, an der Unfallstelle zu verbleiben bzw. kann ihn auch keine Mitwirkungspflicht an der Feststellung des Sachverhaltes treffen. Der Beschuldigte mußte keinesfalls damit rechnen, daß hier irgendwelche behördlichen Erhebungen bzw. Erhebungen durch die Gendarmerie durchgeführt werden, da er ja keine fremden Sachen beschädigt hat, und hat er erst etwa in der Zeit zwischen 08.30 und 09.30 zwei Halbe Bier getrunken. Zu diesem Zeitpunkt mußte er keinesfalls mehr mit behördlichen Erhebungen rechnen, und liegt keinesfalls ein verbotener Nachtrunk vor.

Nach der Rechtsprechung ist sogar bei einem Unfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist und bei dem die Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Identität nachgewiesen haben, nicht erforderlich, daß es zu einer behördlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt. Eine Verpflichtung eines Beteiligten zur Mitwirkung an der Feststellung eines Sachverhaltes und damit ein Verbot des Alkohol-Nachtrunks besteht in einem solchen Fall nur, wenn den Beteiligten bekannt ist, daß ein anderer Beteiligter oder ein Dritter das Einschreiten der Exekutive verlangte oder veranlaßte (VwGH 11.03.1968, 1377/67, KJ 1969/68).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht weder eine Verständigungspflicht, noch die Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, wenn nur am eigenen Fahrzeug Sachschäden entstanden sind (VwGH 20.06.1973, 207/73).

Nachdem im vorliegenden Fall nur das eigene Fahrzeug des Beschuldigten beschädigt war, bestand daher nach ständiger Rechtsprechung des VwGH keinerlei Mitwirkungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 lit.c StVO.

Die von der Erstbehörde zitierte Entscheidung des VwGH kann auf den gegenständlichen Fall nicht angewendet werden, da dieser Entscheidung ein Verkehrsunfall mit Sachschaden, bei welchem auch fremde Sachen beschädigt wurden, zugrunde lag.

Das Abmontieren der Kennzeichentafeln durch den Berufungswerber erfolgte nur deshalb, da in letzter Zeit Diebstähle von Kennzeichentafeln von abgestellten Fahrzeugen überhand genommen haben, welcher Umstand auch den Behörden bekannt sein müßte. Das Abmontieren der Kennzeichentafeln erfolgte daher lediglich aus Sicherheitsgründen und zur Verhütung eines Diebstahles, und fehlt dem Berufungswerber daher jeglicher Vorsatz oder auch eine Fahrlässigkeit und sohin ein Verschulden an einer allfälligen Verletzung der Mitwirkungspflicht.

Wie bereits unter Punkt 1. ausgeführt hat die Erstbehörde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht festgestellt, wann und wo der Beschuldigte noch vor seiner Ausforschung Alkohol konsumiert hat (Nachtrunk). Es fehlt daher dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses an der von der Rechtsprechung geforderten Konkretisierung der Tat nach Zeit und Ort, sodaß hier ein Begründungsmangel und eine materielle Rechtswidrigkeit des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses ebenfalls vorliegt.

Aus all den angeführten Gründen ist das angefochtene Straferkenntnis auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung ergangen, das angefochtene Straferkenntnis ist daher materiell rechtswidrig.

4. Unrichtige, unzweckmäßige und gesetzwidrige Ermessensübung:

Unter diesem Berufungsgrund bekämpft der Beschuldigte die Höhe der von der Erstbehörde festgesetzten Geldstrafe. Die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe von S 5.000,-- erscheint unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als bei weitem zu hoch bemessen. Eine Geldstrafe von S 5.000,-- wurde - soweit dem Verteidiger bekannt ist - für ein Delikt nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO in dieser Höhe noch nie verhängt, noch dazu gegenüber einem völlig unbescholtenen Täter.

Es wurden auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (S 11.000,-- netto) nicht angemessen berücksichtigt. Auf Grund der Novellierung der Exekutionsordnung und der in der Exekutionsordnung bzw. der Existenzminimumverordnung festgelegten unpfändbaren Beträge ergibt sich, daß die verhängte Geldstrafe bei weitem überhöht ist. Eine derartige Geldstrafe würde bedeuten, daß der Beschuldigte praktisch ein halbes Monatseinkommen an Geldstrafe bezahlen müßte. Es würde dies bedeuten, daß er mehrere Monate lang unter dem in der Existenzminimumverordnung festgelegten Existenzminimum leben müßte.

Die Erstbehörde hat daher bei der Strafbemessung eine unrichtige bzw. unzweckmäßige und gesetzwidrige Ermessensübung vorgenommen, bei richtiger und zweckmäßiger Ermessensübung hätte die Erstbehörde eine bei weitem niedrigere Geldstrafe verhängen müssen.

Der Beschuldigte und Berufungswerber stellt sohin nachstehende ANTRÄGE:

1. der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wolle als Berufungsbehörde der Berufung des Beschuldigten Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 29.04.1994, VerkR96/3534/1993/Bi/Hu, allenfalls nach Beweiswiederholung und ergänzender Beweisaufnahme, aufheben und ersatzlos beseitigen und das gegen den Beschuldigten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen;" 3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt wurde ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. 3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, AZ. VerkR96/3534/1993/Bi/Hu und der Einholung einer Auskunft bei der Straßenmeisterei Kirchdorf/Krems über Beschaffenheit und Beschädigung des Leitpflockes. Daraus ergibt sich der Sachverhalt so ausreichend, sodaß von einer weiteren Beweisaufnahme im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, welche nicht gesondert beantragt wurde, abgesehen werden konnte (§ 51e Abs.1 VStG). 4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber ist zur oben angeführten Zeit mit seinem Pkw auf der P bei einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 40 bis 50 km/h infolge eines sogenannten "Sekundenschlafes" von der Fahrbahn abgekommen. Dabei wurde auch ein Plastikleitpflock der Straßenmeisterei Kirchdorf/Krems im Wert von S beschädigt. Folglich kam sein seitlich umstürzendes Fahrzeug am Dach zu liegen. Nach dem Unfall wurde der Berufungswerber von einem vorbeikommenden Fahrzeuglenker nach Hause gefahren, wobei vorher am verunfallten Fahrzeug noch die Kennzeichentafeln abmontiert wurden. 4.2. Das entscheidungsrelevante Beweisergebnis stützt sich insbesondere auf das im wesentlichen unbestrittene erstbehördliche Ermittlungsergebnis. Es könnte angesichts der nachfolgend darzulegenden rechtlichenÜberlegungen dahingestellt bleiben, ob die Beschädigung des Leitpflockes vom Berufungswerber bemerkt wurde oder bemerkt werden hätte müssen. LogischenÜberlegungen folgend kann es angesichts eines derartigen Zwischenfalles als durchaus typisch angesehen werden, daß die Beschädigung eines Leitpflockes insbesondere zur Nachtzeit nicht bemerkt wird. Es darf nicht übersehen werden, daß nach einem Fahrzeugüberschlag ein betroffener Lenker sich in einem seelischen Zustand befinden kann, daß ihm ein solche Wahrnehmungsmangel allenfalls nicht als Verschulden angelastet werden könnte. Der dahingehenden Verantwortung des Berufungswerbers würde man sich daher apriori nicht verschließen können.

Es fällt jedoch auf, daß der Berufungswerber anläßlich seiner Einvernahme beim Gendarmerieposten K am 27. Juni 1993 um 10.50 Uhr auf diesbezügliche konkrete Befragung angegeben hatte, nach dem Unfall keinen Alkohol konsumiert gehabt zu haben. Erst die Mutter des Berufungswerbers, welche am 5. August 1993 von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdof/Krems einvernommen wurde, wußte vom Konsum zweier Flaschen Bier in der Zeit von 08.30 Uhr bis 09.30 Uhr zu berichten. Auch den Widerspruch zur Aussage des Beschuldigten, daß er erst um 09.30 Uhr des Unfalltages vom Heuboden - wo er sich nach dem Unfall zum Schlafen niedergelegt hatte - in das Haus gegangen sei, wurde nicht eingegangen. 5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

5.1. Vorweg sei dargelegt, daß gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 mit 500 S bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei den, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden! Die Bekanntgabe der Idendität dient u.a. der Regelung des Schadenersatzes. Wird die Idendität des Beschädigers etwa von einer anderen Person als den Beschädiger gemeldet, so hat zwar eine Bestrafung nicht nach § 99 Abs.2 lit.e (der Schadenersatz ist auch durch eine solche Meldung sichergestellt) zu erfolgen, jedoch unterliegt sein Verhalten - die Fahrerflucht - allenfalls der Bestrafung nach § 99 Abs.2 lit.a od. § 99 Abs. 3 lit.b StVO 1960. Im gegenständlichen Fall wurde wohl ein Schaden im Vermögen einer vom Berufungswerber verschiedenen Person verursacht. Es wäre aber, hätte der Berufungswerber den von ihm verursachten Fremdschaden bemerkt, nicht "ohne unnötigen Aufschub" die nächste Gendarmeriedienststelle von diesem Unfall, verständigt worden. Ein zufälliges in Kenntnis gelangen der Gendarmerie ersetzt nämlich die Meldepflicht nicht. Der Begriff "unnötiger Aufschub" ist streng auszulegen, sodaß mit der hier vermutlich durch Dritte wegen des verunfallten Fahrzeuges erfolgten Verständigung der Gendarmerie, dieser Anforderung nicht genüge getan gewesen wäre (VwGH 28.11.1990, Zl. 90/02/0049). Die Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.e ist in Verbindung mit § 31 Abs.1 StVO 1960 anzuwenden. Ein "Leitpflock" ist im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung als eine "Verkehrsleiteinrichtung" anzusehen (VwGH 28.9.1988, Zl. 88/02/0133). 5.1.2. Unzutreffend wurde dem Berufungswerber jedoch angelastet, er habe, nachdem er vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme die Kennzeichentafeln abmontiert gehabt habe, sich von der Unfallstelle entfernt und durch einen nachfolgenden Alkoholkonsum es unterlassen an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken. In diesem Punkt ist der vom Berufungswerber zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht im Ergebnis zu folgen.

Die Bestimmung des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 dient dem offenkundigen Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatbestandes zu erleichtern und zu gewährleisten, daß die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt. Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung schließt daher wohl grundsätzlich insbesondere das Verbot ein, Veränderungen an der Stellung der vom Unfall betroffenen Fahrzeuge vorzunehmen, die Kennzeichen zu entfernen, oder, wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis v. 2. 5. 65, Z. 2210/65, ausgesprochen hat, Alkohol zu trinken, wenn dadurch die Feststellung, ob im Zeitpunkt des Unfalles ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand gegeben war, erschwert werden kann. Wenngleich im Sinne dieser Entscheidung die im § 4 Abs.1 lit.c StVO ausgesprochene Verpflichtung ihrem Wortlaut nach uneingeschränkt gilt, ergibt sich doch aus dem dargelegten Sinn und aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung mit dem weiteren Inhalt des § 4 Abs.5 zweiter Satz, daß diese Bestimmung sinnlos wäre (diese muß auch bei der Anwendung der Spezialbestimmung des § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 mitgelesen werden), wonach unter bestimmten Voraussetzungen keine Meldung von einem Verkehrsunfall an die Polizei oder Gendarmerie gemacht werden muß. Bei der von der Erstbehörde angenommenen Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung - so sie überhaupt vom Beschädiger bemerkt werden mußte, was hier wie schon erwähnt dahingestellt bleiben kann - würde wohl der Meldepflicht auch genüge getan, wenn sie nicht vom Beschädiger gemacht wird (VwGH 13. 2. 1987, Zl. 86/18/0254, Slg.Nr. 12399). Sinnvoll kann die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung mit allen daraus entspringenden Folgerungen aber nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes zu kommen gehabt hätte. Eine solche Aufnahme ist von einer Entgegennahme der Meldung im Sinne des § 4 Abs.5 leg.cit. zu unterscheiden. Dies trifft immer dann zu, wenn es sich etwa um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs.2 StVO 1960 besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organes der öffentlichen Aufsicht verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Organ aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlaßt. Im übrigen kann - so wie auch gegenständlich - eine Verpflichtung an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken (§ 4 Abs.1 lit.c leg.cit.) nicht angenommen werden. Dieser Verkehrsunfall, bei dem niemand verletzt worden ist, ist ungeachtet der (weiteren) Frage ob dieser geringfügige Fremdschaden überhaupt bemerkt werden hätte müssen, in unzutreffender Weise unter § 99 Abs.2 lit.a iVm § 4 Abs.1 lit.c subsumiert worden. Bemerkt wird noch, daß die im Ladungsbescheid vom 18. August 1993 - in an sich zutreffender Weise - im Hinblick auf § 99 Abs.2 lit.e iVm § 31 Abs.1 StVO 1960 vorgenommene Verfolgungshandlung nicht dem § 44a VStG standzuhalten schiene, indem es, neben dem Tatbestandselement der angeführten Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung, dem weiteren Tatbestandselement "es unterlassen zu haben hievon die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen" entbehrt. Ein weiteres Eingehen auf die Ausführungen der Erstbehörde und des Berufungswerbers kann folglich unterbleiben. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. B l e i e r

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