Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300662/2/WEI/Ps

Linz, 07.02.2006

 

 

 

VwSen-300662/2/WEI/Ps Linz, am 7. Februar 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des G Z, W, S, gegen den als Straferkenntnis fehlbezeichneten Ermahnungsbescheid der Bundespolizeidirektion Steyr vom 9. März 2005, Zl. S 8520/ST/05, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 3 Abs 1 Oö. Polizeistrafgesetz - Oö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 147/2002) zu Recht erkannt:

 

 

I. Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit dem oben zitierten, von der belangten Behörde als Straferkenntnis fehlbezeichneten Ermahnungsbescheid wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) wie folgt abgesprochen:

 

"Sie haben am 9.11.2004 um 18.50 Uhr in S, S durch Herumschreien im Stiegenhaus ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 3 Abs. 1 .Pol.StG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 21 VStG 1991

 

eine ERMAHNUNG ausgesprochen"

 

Dieser Spruch der belangten Behörde wird in der Folge überhaupt nicht begründet. Auf der nächsten Seite des aktenkundigen Bescheids findet sich nur mehr die Rechtsmittelbelehrung.

 

1.2. Gegen diesen Ermahnungsbescheid, der dem Bw durch Hinterlegung beim Postamt 4405 Steyr am 15. März 2005 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 29. März 2005 zur Post gegeben Berufung vom 25. März 2005. Sie lautet:

 

"Berufung

 

Berufe gegen Ihre Straferkenntnis mit der Begründung, dass meine Zeugen nicht gehört wurden. Es stimmen auch die Angaben des schwer vorbestraften Herrn K nicht. Überdies habe ich bereits bei meiner ersten Vernehmung den Tathergang als solchen bestritten und die Weiterleitung des Falles an eine Rechtsanwaltskanzlei in Betracht gezogen. Diesbezüglich stelle ich hiermit gleichzeitig den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers."

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Mit Anzeige des Wachzimmers Stadtplatz der BPD Steyr vom 26. November 2004 wurde der belangten Behörde über eine ungebührliche Lärmerregung durch den Bw berichtet. Gattin P Z, die frühere Gattin des Bw, hatte Anzeige erstattet, weil sie sich vom Bw belästigt fühlte. Am 9. November 2004 um 18.50 Uhr wurde die Zivilstreife mit den Meldungslegern von der Dienststelle zum Haus S beordert. Der Angezeigte konnte allerdings nicht mehr angetroffen werden.

 

P Z berichtete, dass ihre beim Bw wohnende Tochter um 18.50 Uhr an der Hauseingangstür läutete. Mit ihr hätte auch der Bw das Haus betreten, den man sonst nicht hereingelassen hätte. Er würde seine Ex-Gattin ständig belästigen. Als sie und ihr Lebensgefährte sahen, dass er das Stiegenhaus betrat, hätten sie die Wohnungstüre verschlossen, um ihn nicht herein zu lassen. Daraufhin hätte er lautstark im Stiegenhaus herum geschrien, seine Ex-Frau beschimpft und mit Fäusten oder Füßen gegen die Tür geschlagen, die aber nicht beschädigt worden sei. Der Lebensgefährte habe diese Angaben sinngemäß bestätigt.

 

2.2. Mit Ladungsbescheid vom 4. Jänner 2005 wurde dem Bw Folgendes angelastet:

 

"Sie haben am 9.11.2004 um 18.50 Uhr in S, S durch Herumschreien im Stiegenhaus und das Schlagen gegen eine Wohnungstür ungebührlicherweise störenden Lärm erregt."

 

Bei seiner Einvernahme am 1. Februar 2005 erklärte der Bw, dass er zum Zeitpunkt der Anzeige nicht an der angeführten Adresse anwesend gewesen wäre. Dafür gäbe es Zeugen. Er werde die Angelegenheit der Kanzlei Dr. L übergeben.

 

Die am 7. März 2005 einvernommene P Z hielt ihre Angaben in der Anzeige aufrecht. Der Bw wäre noch ein paar Mal erschienen, um sich Sachen zu holen. Belästigt habe er sie jedoch nicht mehr.

 

Weitere Erhebungen sind nicht aktenkundig. In der Folge erging der angefochtene Bescheid.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass der angefochtene Bescheid schon aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 3 Abs 1 Oö. PolStG begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung,

 

wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

 

Nach der Legaldefinition des § 3 Abs 2 Oö. PolStG sind unter störendem Lärm alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen.

 

§ 3 Abs 3 Oö. PolStG bestimmt, dass störender Lärm dann als ungebührlicherweise erregt anzusehen ist, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss und jene Rücksichten vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann.

 

§ 3 Abs 4 Oö. PolStG zählt beispielsweise Verhaltensweisen auf, die unter der Bedingung, dass dadurch ungebührlicherweise störender Lärm erregt wird, als Verwaltungsübertretung iSd § 3 Abs 1 Oö. PolStG anzusehen sind.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein auf § 21 Abs 1 VStG gestützter Bescheid einen Schuldspruch zu enthalten. Deshalb ist die Anführung des strafbaren Tatbestands und der übertretenen Verwaltungsnorm erforderlich (vgl dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], E 2 und E 3b zu § 21 VStG). Da ein Bescheid nach § 21 Abs 1 VStG einen Schuldspruch ohne Strafausspruch enthält und damit als eine Vormerkung im Verwaltungsstrafverfahren zu gelten hat, kann auch nicht zweifelhaft sein, dass der Schuldspruch den verwaltungsstrafrechtlichen Anforderungen des § 44a Z 1 und Z 2 VStG zu entsprechen hat.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats genügt der Schuldspruch der belangten Behörde bei weitem nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG an eine Konkretisierung, die sich auf Basis eines rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten Schuldstrafrechts ergeben. Die belangte Behörde hat nämlich im Schuldspruch lediglich angelastet, der Bw hätte in S S am 9. November 2004 um 18.50 Uhr durch "Herumschreien" im Stiegenhaus ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Ein solcher Vorwurf ist beliebig austauschbar, weil viel zu abstrakt gehalten, um die für die Subsumtion relevanten Fragen beantworten zu können. Die im § 3 Abs 2 Oö. PolStG angeführten Gesichtspunkte zur Frage der Störungseignung von Lärm sind völlig offen geblieben und auf der Tatsachengrundlage des Spruchs der belangten Behörde nicht zu lösen. Weder der Inhalt des vorgeworfenen "Herumschreiens" noch seine Dauer oder Lautstärke wurden von der belangten Behörde aufgeklärt. Angesichts der nach Ausweis der Aktenlage wesentlichen Erhebungs- und Feststellungsmängel vermag dies auch nicht zu verwundern. Auf Grund der völligen Unbestimmtheit des Tatvorwurfs kann auch nicht zwischen angeblichen Beschimpfungen des Bw gegenüber seiner Exgattin oder deren Lebensgefährten, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte fielen, und dem allenfalls sonstigen "Herumschreien" getrennt werden.

 

Die belangte Behörde hat hinsichtlich der gesetzlichen Wendung "ungebührlicherweise störenden Lärm erregt" kaum eine über die bloße Wiedergabe der verba legalia hinausgehende Umschreibung vorgenommen. Es reicht aber nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl dazu näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1522 mwN).

 

5. Im Ergebnis war daher der angefochtene Ermahnungsbescheid aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen. Aus dem vorgelegen Verwaltungsstrafakt war nämlich auch keine hinreichend konkretisierte und damit taugliche Verfolgungshandlung erkennbar, weshalb mittlerweile Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

 

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