Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-310010/5/Le/La

Linz, 12.12.1995

VwSen-310010/5/Le/La Linz, am 12. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung der M L, vertreten durch Dr. W M, Rechtsanwalt in M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26.1.1995, Zl. UR96/46-1993/Eck, wegen Übertretung des O.ö.

Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens und des Berufungsverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1, des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idgF.

Zu II.: §§ 65 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die nunmehrige Berufungswerberin (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 (im folgenden kurz: O.ö. AWG) mit Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden) bestraft; gleichzeitig wurde sie zum Ersatz der Verfahrenskosten verhalten.

Im einzelnen wurde ihr vorgeworfen, am 1.9.1993 um 22.00 Uhr nicht gefährliche Abfälle wie Altpapier, Zeitschriften und diversen Hausmüll unbefugt im Vorgarten des Hauses F abgelagert zu haben.

In der Begründung dazu wurde auf die Anzeige des Gendarmeriepostens Enns verwiesen. Demnach hätte Herr G U angezeigt, daß vermutlich in der Nacht in seinem Vorgarten von einer unbekannten Person Abfälle abgelagert worden wären. Bei den Erhebungen wurde festgestellt, daß diese Abfälle nur aus dem Eigentum des Gatten der nunmehrigen Bw Dr. L stammen konnten; dies sei von der Beschuldigten anläßlich ihrer Einvernahme durch die Gendarmerie am 2.9.1993 auch bestätigt worden.

Gegen die daraufhin ergangene Strafverfügung habe die Bw rechtzeitig Einspruch erhoben.

Daraufhin wurde das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet, doch hätte die Beschuldigte den Ladungsbescheiden ohne Vorliegen wichtiger Gründe keine Folge geleistet.

Nach einer Wiedergabe der Rechtslage kam die Erstbehörde zum Schluß, daß die Beschuldigte zumindest mit bedingtem Vorsatz die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe.

Hinsichtlich der Strafbemessung wurde als strafmildernd der Umstand gewertet, daß die Beschuldigte nach Erhebung des Sachverhaltes die Abfallstoffe wegbrachte und entsorgte.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 10.2.1995, mit der beantragt wurde, das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze zu beheben.

In der Begründung dazu wurde ausgeführt, daß die Bw im Tatzeitpunkt nicht deliktsfähig gewesen sei. Dazu zählte sie eine Reihe von Anzeigen des Gendarmeriepostenkommandos Enns auf, wobei sämtliche Strafverfahren mangels ihrer Schuldfähigkeit eingestellt worden seien, zumal sie sich in stationärer Behandlung des Wagner-Jauregg-Krankenhauses in Linz befunden hätte.

Weiters wies sie darauf hin, daß sie laut Tatvorwurf Altpapier, Zeitschriften und diversen Hausmüll unbefugt im Vorgarten des Hauses F abgelagert hätte. Die Bestimmungen des § 7 Abs.1 O.ö. AWG würden jedoch gemäß § 7 Abs.2 Z4 nicht für Abfälle gelten, die üblicherweise in Papierkörben, Aschenbechern, "Mülleimern" udgl. gelagert würden. Die erstinstanzliche Behörde wäre daher verpflichtet gewesen die Feststellung zu treffen, daß sie nur Abfälle in der F abgelagert hätte, die üblicherweise in Papierkörben, Aschenbechern, "Mülleimern" udgl. gelagert würden. Damit hätte sie jedoch einen Sachverhalt verwirklicht, der unter die Bestimmungen des § 7 Abs.1 nicht subsumierbar sei.

3. Die belangte Behörde hat auf Grund der Berufung die medizinische Amtssachverständige der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land um Stellungnahme ersucht. Im dazu erstellten Gutachten vom 15.3.1995 kam die Amtsärztin unter Hinweis auf oftmalige ha. amtsärztliche Untersuchungen zum Ergebnis, daß es 1 1/2 Jahre nach dem Deliktszeitpunkt 1.9.1993 schwer feststellbar sei, ob Frau L zum konkreten Tatzeitpunkt schuldfähig gewesen war oder nicht. Es könne jedoch gesagt werden, daß bei Frau L eine rez. psych. Erkrankung bestehe, die auch einer Behandlung bedürfe. Eine Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt könne nicht ausgeschlossen werden, sei aber auch nicht beweisbar.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat eigene Ermittlungen angestellt, indem beim Gendarmeriepostenkommando Enns die von der Bw angegebenen Anzeigen überprüft wurden. Das Gendarmeriepostenkommando Enns hat daraufhin mitgeteilt, daß im Tatzeitraum 21.9.1993 bis 13.10.1993 insgesamt fünf Anzeigen vom Bezirksgericht Enns auf Grund eines medizinischen Gutachtens wegen Unzurechnungsfähigkeit eingestellt worden sind.

Da im übrigen der Sachverhalt aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren in Verbindung mit der Berufung ausreichend ermittelt ist, war es entbehrlich, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat (§ 51 Abs.1 VStG).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

4.2. § 3 Abs.1 VStG bestimmt, daß nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Diese Bestimmung ist von Amts wegen wahrzunehmen, weil die Zurechnungsfähigkeit eine unbedingte Voraussetzung der Strafbarkeit bildet (siehe hiezu VwGH 12.9.1969, 795/67).

Die durchgeführten Erhebungen haben ergeben, daß die Zurechnungsfähigkeit der Bw zum Tatzeitpunkt 1.9.1993 in Zweifel zu ziehen sind.

Wie schon aus dem Gutachten der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 15.3.1995 hervorgeht, wurde die Bw bereits am 14.7.1993 unter Beachtung der Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes amtsärztlich untersucht; eine Einweisung in ein Krankenhaus erfolgte damals mangels Voraussetzungen nach diesem Gesetz nicht.

Allerdings war dann bereits im Oktober 1993 eine Krankenhausaufnahme erforderlich.

Die Amtsärztin konnte in diesem Gutachten vom 15.3.1995, das immerhin erst 1 1/2 Jahre nach dem vorgeworfenen Tatzeitpunkt abgegeben wurde, nicht die Zurechnungsfähigkeit am 1.9.1993 beurteilen; aus dem Umfeld der der Untersuchung vom 14.7.1993 folgenden oftmaligen amtsärztlichen Untersuchungen konnte sie jedoch eine Unzurechnungsfähigkeit zum 1.9.1993 nicht ausschließen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang weiters, daß im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der hier vorgeworfenen Verwaltungsübertretung die Bw in der Zeit zwischen 21.9. und 13.10.1993 insgesamt fünf Mal wegen Verdachtes von Übertretungen des Strafgesetzbuches angezeigt worden war. Das Bezirksgericht Enns hatte daraufhin die psychiatrische Untersuchung von Frau L veranlaßt, wobei der medizinische Sachverständige Dr. B mit Gutachten vom 2.5.1994 zum Ergebnis kam, daß diese unzurechnungsfähig war.

Daraufhin wurden diese Strafverfahren eingestellt.

Auf Grund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen den wegen Unzurechnungsfähigkeit eingestellten gerichtlichen Strafverfahren zum vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren muß daher davon ausgegangen werden, daß die nunmehrige Bw auch am 1.9.1993 nicht in der Lage war, das Unerlaubte der Tat einzusehen bzw. dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Da ihr sohin die Zurechnungsfähigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit fehlte, war das Verwaltungsstrafverfahren in Zweifel einzustellen.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, daß die Bw weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum