Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310020/3/Ga/Km

Linz, 12.08.1996

VwSen-310020/3/Ga/Km             Linz, am 12. August 1996                                                                                                                                                                  DVR.0690392                                                          

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter: Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung der K G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 27. April 1995, Zl. Ge96-143-1994, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes - AWG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Strafer kenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: AVG: § 66 Abs.4. VStG: § 24; § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Berufungswerberin wurde mit dem angefochtenen Straferkenntnis einer Verletzung des § 39 Abs.1 lit.a Z4 AWG schuldig erkannt. Als Tat (§ 44a Z1 VStG) wurde ihr vorge worfen, sie habe als (wohl: handelsrechtliche) Geschäfts führerin der M ges.m.b.H. in Ort i.I. dafür einzustehen, daßádie mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ. vom 14. September 1993, UR-300062/528-1993, abfallwirtschaftsrechtlich im Zuge der "Deponieerweiterung West" am bezeichneten Standort genehmigte Betriebstankstelle seit 6. Juli 1994 so situiert worden sei, daß die Zapfsäule sich nächst den Silos über unbefestigtem Untergrund befinde und somit eine wegen des Schutzes des Grundwassers gemäß § 29 AWG genehmigungspflichtige Anlage vor dem 6. Juli 1994 geändert und seit dem 6. Juli 1994 bis zumindest 24. Oktober 1994 geändert betrieben worden sei.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung sei über die Be rufungswerberin gemäß § 39 Abs.1 lit.a Z4 AWG eine Geld strafe in der Höhe von 60.000 S kostenpflichtig zu verhängen gewesen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe hingegen wurde nicht festgesetzt.

1.2. Begründend führt die belangte Behörde aus, es sei mit dem (durch den im Schuldspruch zitierten Bescheid) genehmigten Deponieprojekt auch die Betriebstankstelle, bestehend aus Lagerbehälter und Zapfsäule, abfallwirtschafts rechlich genehmigt worden. Diese Genehmigung habe eine bestimmte Situierung der Betriebstankstelle jedenfalls so vorgesehen, daß die Betankung der Betriebsfahrzeuge auf einer flüssigkeitsdichten Fläche durchgeführt werde. Bei behördlichen Überprüfungen am 6. Juli und am 24. Oktober 1994 durch das Amt der o.ö. Landesregierung/Umweltrechts abteilung unter Zuziehung von Sachverständigen habe sich jedoch herausgestellt, daß die Zapfsäule dieser Tankstelle sich nicht über befestigtem Boden befinde und austretender Kraftstoff in das Abwasserbecken oder direkt in den Untergrund einsickern und das Grundwasser verunreinigen könne. Diese entgegen dem zit. Genehmigungsbescheid vorgenom mene Situierung der Betriebstankstelle sei als wesentliche Änderung der Deponie anzusehen. Dies gehe insbesondere schon aus den Ausführungen des Sachverständigen hervor. Der geänderte Standort wäre ja nicht einmal einer Genehmigung zugänglich gewesen. Weil aber für diese daher wesentliche Änderung der Deponieanlage eine Genehmigung nicht vorliege, sei - so die zwar nicht ausdrückliche, jedoch erkennbare Folgerung - das objektive Tatbild erfüllt und habe die Berufungswerberin, weil ein anderer Verantwortlicher der Behörde nicht namhaft gemacht worden sei, dafür auch einzustehen.

2. Die Berufungswerberin bringt zunächst vor, daß gegen sie wegen "desselben angeblichen Tatbestandes" von der belangten Behörde zu Zl. WA96-30-1994 ein Verwaltungsstraf verfahren wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes geführt werde. Dies laufe auf eine unzulässige Doppelbestrafung hinaus, zumal auch vorliegend ausschließlich wasserrecht liche Aspekte zugrundelägen. Entgegen der insoweit unrich tigen Darstellung in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses habe sie schon mit ihrer Rechtfertigung vom 9. Februar 1995 den ihr zur Last gelegten Sachverhalt bestritten, worauf jedoch im Straferkenntnis nicht eingegan gen werde. Ausdrücklich und neuerlich bekämpfe sie die Feststellung, wonach der ihr angelastete Sachverhalt eine wesentliche Änderung der gesamten Deponie verkörpere. Worin diese wesentliche Änderung bestanden haben soll, werde von der Behörde nicht dargetan. Diesbezüglich wären alle Emissionen und Immissionen aus dem gesamten Deponiebetrieb der geringfügigen und kurzfristigen Drehung der Betriebstankstelle gegenüberzustellen gewesen und sage schon die allgemeine Lebenserfahrung, daß sich daraus keine wesentliche Änderung der Deponie ergeben könne, zumal noch dazu jegliche Abwässer - selbst bei einem Unfall - durch die entsprechende Sickerwassererfassung ordnungsgemäßá aufgefangen und entsorgt worden wären und sei überdies eine zusätzliche Ölwanne vorhanden gewesen. Zu alledem habe sich die Anlage in der Phase der Bauführung befunden, sodaßánaturgemäß noch nicht der in der Genehmigung festgelegte Endzustand vorliegen könne. Als Verfahrensmangel werde gerügt, daß das Straferkenntnis nur auf die Niederschrift einer anderen Behörde gegründet sei; die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht selbst überprüft und keine eigenen Feststellungen zugrundegelegt.

Auf Grund dieser Berufung hat der unabhängige Verwal tungssenat - nach Einsicht in den von der belangten Behörde zu Zl. Ge96-149-1994, ohne Gegenäußerung, vorgelegten Verfah rensakt (dem wichtige Beweismittel, so die den Schuldspruch stützenden Niederschriften über die Ergebnisse der behördli chen Überprüfungen der Deponie am 6.7. und 24.10.1994 nicht einlagen!) - erwogen:

3.1.  Aus der Aktenlage wird folgender Sachverhalt, soweit für die Entscheidung belangvoll, als maßgebend festge stellt: Am angegebenen Standort besteht eine abfallwirtschafts rechtlich genehmigte, von der bezeichneten Gesellschaft betriebene Großdeponie für nicht gefährliche Abfälle iSd § 29 Abs.1 Z6 AWG, die auch über bestimmte (mitgenehmigte) Hilfs einrichtungen verfügt. Unstrittig eine solche Hilfseinrich tung - die Tankstelle - wurde an den Feststellungstagen geändert, dh. nicht dem genehmigten Projekt entsprechend vorgefunden. Diese Änderung der Tankstelle wurde jedenfalls "vor dem 6.7.1994" durchgeführt.

3.2. Gemäß § 39 Abs.1 lit.a AWG begeht, wer gemäß Z4 dieser Vorschrift eine Abfall- oder Altölbehandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach den §§ 28 und 29 leg.cit. erforderlichen Genehmigung zu sein, eine mit Geldstrafe von 50.000 S bis 500.000 S zu bestrafende Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungs strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Gemäß dem verwiesenen (hier allein maßgeblichen) § 29 Abs.1 AWG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von Deponien für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3 (Z6 dieser Vorschrift) einer Genehmigung des Landeshaupt mannes.

3.3. Nicht geregelt ist im Gesetz, was § 29 Abs.1 AWG unter dem Begriff "wesentliche Änderung" versteht. Auch die Gesetzesmaterialien, 1274 BlgNR 17. GP, geben darüber keine Auskunft. Nach dem Wortlaut und unter Bedachtnahme auf den systematischen Zusammenhang mit den übrigen Regelungen zum Anlagenrecht (vor allem: VI. Abschnitt des Gesetzes) steht fest, daß nicht schon jedes Änderungsvorhaben im Zshg. mit einer bereits genehmigten Deponie neuerlich das aufwendige Genehmigungsverfahren gemäß § 29 AWG auslösen soll. Generell wird als Maßstab darauf abzustellen sein, ob die Änderung eine Überschreitung des Interessenausgleiches bewirken wird, auf dessen Grundlage die langfristige Deponierung von unge fährlichen Abfällen im projektmäßigen Umfang als (gerade noch) genehmigungsfähig erschien. Bewirkt, daran im konkreten Einzelfall gemessen, die die Anlage ändernde Maßnahme einen Nachteil für die geschützten Nachbar interessen und öffentlichen Interessen, so nämlich, daß nur ein neuerlicher Konsens das Gleichgewicht wieder herstellen kann, dann ist die Änderung nicht mehr bloß unwesentlich. In diese Richtung versucht auch der (für den unabhän gigen Verwaltungssenat nicht verbindliche, jedoch als Auslegungshilfe nutzbare) Durchführungserlaß des BMfU zum AWG vom 16. August 1995, Zl. 47 3504/404-III/9/95, eine Begriffsdeutung. Demnach könne eine wesentliche Änderung der Anlage zum einen nur dann angenommen werden, wenn durch die Änderung jene Schutzgüter betroffen sind, über die im konzentrierten Genehmigungsverfahren nach § 29 Abs.2 AWG abgesprochen wurde. Zum anderen sei, weil der Begriff "Einheit der Betriebsanlage" nicht überstrapaziert werden dürfe, bei der Änderung nicht auf die Gesamtanlage (gemeint offenbar: unter Einschluß sämtlicher infrastruktureller und verwaltungsmäßiger Hilfseinrichtungen), sondern nur auf die Abfallbehandlungsanlage (hier: die eigentliche Deponie als solche) abzustellen.

3.4. Wird zur objektiven Tatseite weiters bedacht, daßáder dem Spruch zugrundegelegte Straftatbestand an die Erforderlichkeit der Genehmigung anknüpft und daß diese Erforderlichkeit durch das - vorhin interpretierte - Gewicht der Anlagenänderung, dh. durch ihre nachhaltige Bedeutung für die bestimmungsgemäße Aufgabe der Anlage zur langfristi gen Ablagerung von Abfällen (vgl. die Definition in § 2 Abs.11 AWG) determiniert ist, so erweist sich der ausdrück liche Vorwurf, eine in diesem Sinn "wesentliche" Änderung vorgenommen zu haben, als hier unverzichtbares Tatbestands merkmal. Gerade die Erfüllung dieses Merkmals aber hätte der Berufungswerberin auf Grund des Bestimmtheitsgebotes (§ 44a Z1 VStG) - mit dem für die Tatbilderfüllung maßgebenden Sachverhalt - konkret vorgehalten werden müssen. Weder aber die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. Dezember 1994 (als erste Verfolgungshandlung) noch der Schuldspruch selbst enthalten in der Tatumschreibung den Vorwurf, es sei zufolge der anderen Situierung der Tank stelle die Deponie wesentlich - und deshalb genehmigungs gebunden - geändert worden.

3.5.  Unbestimmt im Lichte des § 44a Z1 VStG scheint weiters, daß beide Verfolgungshandlungen nicht konkret vorwerfen, WER denn überhaupt die (genehmigte und nicht bloßá"genehmigungspflichtige"!) Anlage betrieben und ohne hiefür erforderliche Genehmigung geändert haben soll. Und auch dadurch, daß für den Änderungsvorhalt als Tatzeit nur ange geben ist, dies sei "vor dem 6.7.1994" gewesen, leidet der Tatvorwurf an einem Konkretisierungsmangel.

3.6.  Begründungsausführungen (Seite 3 Mitte des Strafer kenntnisses) allein vermögen eine den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes genügende spruchgemäße Bezeichnung der Tat hier schon deshalb nicht zu ersetzen, weil die Unbe stimmtheit, wie dargelegt, bereits der ersten Verfolgungs handlung anhaftete und daher die Verjährungsfrist iSd § 31 Abs.2 VStG nicht unterbrochen wurde. Der unabhängige Verwaltungssenat geht für den Berufungsfall grundsätzlich davon aus, daß der objektive Tatbestand einer genehmigungslos vorgenommenen Anlagenänderung mit der Herbeiführung des Änderungssachverhalts abgeschlossen ist und daher ab diesem Zeitpunkt die Verjährung zu laufen beginnt. Das angefochtene Straferkenntnis hätte nicht mehr erlassen werden dürfen.

3.7.  Im Ergebnis ist die Berufungswerberin mit ihrem die Unbestimmtheit des Schuldspruchs rügenden Vorbringen im Recht und war das Straferkenntnis daher aufzuheben; gleich zeitig war - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung, weil schon die Aktenlage den Aufhe bungsgrund offenbarte - die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

4. Ohne daß darauf noch näher einzugehen wäre, sprechen allerdings folgende weitere Umstände dafür, daß im Berufungsfall von vornherein kein Anwendungsfall des § 39 Abs.1 lit.a Z4 AWG vorgelegen sein dürfte:

- So ist schon anzuzweifeln, ob in diesem Fall von einer "wesentlichen" Änderung ausgegangen werden durfte. Gegen diese Qualität der sachverhaltsmäßig zugrundegelegten anderen Situierung der Betriebstankstelle spricht, daßáder Landeshauptmann als Genehmigungsbehörde des Beschei des vom 14. September 1993 die wasserrechtlichen Belange der Tankstelle einem gesonderten wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren vorbehalten hat (Punkt I.B.37 des Bescheides); aus dieser Nichteinbeziehung der Tankstelle in das Konzentrationsprinzip des § 29 Abs.2 AWG könnte abgeleitet werden, daß die (gleichwohl im Projekt beschriebene) Tankstelle nicht als integrierender Teil der Abfallbehandlungsanlage bewertet und genehmigt wurde. Nur die Änderung einer schlichten, für Betrieb und Zweckerfüllung der Deponie keineswegs unerläßlichen Hilfseinrichtung aber könnte eine "wesentliche" Änderung der Deponie als solche iSd § 29 Abs.1 Einleitung AWG nicht bewirken (oben 3.3.).

- Fraglich ist weiters, ob im Rechtssinne überhaupt auf eine "Änderung" gemäß dem Tatbestandsmerkmal geschlossen werden durfte. Dies hätte nach Auffassung des unabhängi gen Verwaltungssenates (vgl. das h. Erk. vom 31.7.1996, VwSen-310022/3/Ga/La) die Rechtskraft des Genehmigungsbe scheides vom 14.9.1993 vorausgesetzt. Dieser Bescheid ist aber - jedenfalls mit seinem auf § 29 AWG gestützten Spruchteil - in Berufung gezogen worden. Darüber hat der zuständige Bundesminister bis heute nicht entschieden, sodaß auch der die Tankstelle betreffende Bescheidinhalt zur Tatzeit grundsätzlich noch keine 'Verbindlichkeit' hatte. - Der Schuldspruch wirft - zusätzlich zum eigentlichen Änderungssachverhalt - als Tat auch vor, daß die Deponie anlage "geändert betrieben" worden sein soll. Der entsprechende Tatbestand ist jedoch, anders als in der Vergleichsvorschrift des § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994, in der Strafbestimmung des § 39 Abs.1 lit.a Z4 AWG nicht enthalten und kann auch nicht dem § 29 Abs.1 und 2 leg.cit. entnommen werden.

Hingegen läge die von der Berufungswerberin gesehene, konventionswidrige Doppelbestrafung schon deshalb nicht vor, weil in beiden bezüglichen Strafverfahren - dem vorliegenden sowie dem zur Zl. Wa96-30-1994 geführten (und mit h. Erk. vom 31.7.1996, VwSen-310026/2/Ga/La, entschiede nen) - als Ausgangspunkt zwar dieselbe Betriebstankstelle involviert ist, dennoch aber den Schuldsprüchen je unter schiedliche Sachverhalte zugrundegelegt wurden. ^abstand(3) 5. Mit dieser Entscheidung entfällt die Kostenpflicht der Berufungswerberin (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzu erlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungs gerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr.   K l e m p t

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