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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280465/6/Kl/Rd

Linz, 10.07.2001

VwSen-280465/6/Kl/Rd Linz, am 10. Juli 2001
DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des S, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 2.6.1999, MA2-Pol-5080-1998 OM, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
 
II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.
 
Rechtsgrundlagen:
zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 27, 44a Z1, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.
zu II.: § 66 Abs.1 VStG.
 
Entscheidungsgründe:
 
1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 2.6.1999, MA2-Pol-5080-1998 OM, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 5.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 130 Abs.1 Z11, 12 Abs.1 und 14 Abs.1 ASchG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. S , folgenden verwaltungsstrafrechtlich relevanten Sachverhalt zu verantworten hat:
Anlässlich einer vom AI Wels am 13.7.1998 durchgeführten Unfallerhebung in Ihrer Betriebsstätte, wurde Folgendes festgestellt:
Die Arbeitnehmer P und E führten an diesem Tag um ca. 11.10 Uhr in der do Betriebsstätte Reparaturarbeiten an einem Überlaufrohr eines Tankwagens durch. Dieses Überlaufrohr mit einem Durchmesser von ca 50 mm führte vom Dach des Tankwagens (liegende Zylinderform) vertikal über dem Bauch desselben in Richtung Boden. Da das Rohr gebogen werden musste, wärmte es P mit Hilfe eines Autogenschweißgerätes an. Zu diesem Zweck stand er auf einer Stehleiter. Der Fahrzeugfertigerlehrling E stand am Boden und sollte das an die Kesselwand gedrückte Rohr in die gewünschte Richtung biegen.
Durch das Erhitzen wurde das erstarrte Maleinsäureanhydrid im Überlaufrohr verflüssigt; die Dämpfe bildeten mit Luft ein explosives Gemisch. In der Folge kam es zu einer Explosion, wobei sich P Verbrennungen im Gesicht und an beiden Augen zuzog.
Unfallmerkblätter und Sicherheitsdatenblätter lagen in Bezug auf diese Reparaturarbeit keine vor.
Nach den vom AI durchgeführten Erhebungen und aufgrund des Ergebnisses des in ggst. Angelegenheit durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde im ggst. Fall vom Arbeitgeber nicht für eine ausreichende Information der Arbeitnehmer über die Gefahren für Sicherheit und Gesundheit sowie über die Maßnahmen zur Gefahrenverhütung einerseits und für eine ausreichende Unterweisung der Arbeitnehmer über Sicherheit und Gesundheitsschutz andererseits iZm der ggst. Reparaturarbeit gesorgt.
Gemäß § 12 Abs.1 ASchG sind Arbeitgeber verpflichtet, für eine ausreichende Information der Arbeitnehmer über die Gefahren für Sicherheit und Gesundheit sowie über die Maßnahmen zur Gefahrenverhütung zu sorgen. Außerdem sind Arbeitgeber gemäß § 14 Abs.1 ASchG verpflichtet, für eine ausreichende Unterweisung der Arbeitnehmer über Sicherheit und Gesundheitsschutz zu sorgen. Information und Unterweisung müssen vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen.
 
2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, das Straferkenntnis zur Gänze angefochten und die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Tatsachen unvollständig erhoben worden seien und auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung zu Grunde gelegt wurde. Insbesondere wurde angeführt, dass der Werkstättenmeister für die Arbeiten zuständig und verantwortlich sei und auch für die Sicherheitsmaßnahmen aufzukommen habe. Dieser habe über den Inhalt des Tanks vor der Entleerung Bescheid gewusst und könne daher dem Bw eine Vernachlässigung der Informationspflicht nicht angelastet werden. Es liegt daher kein schuldhaftes Verhalten gemäß § 5 VStG vor.
In einem ergänzenden Schriftsatz führte der Bw weiters aus, dass in einem parallel durchgeführten Strafverfahren vor dem BG Wels zu 16 U 622/98Z ein Sachverständiger aus dem Kraftfahrzeugwesen in einem Gutachten ausführte, dass aus dem Blickwinkel eines Technikers nicht damit zu rechnen war, dass sich rückständiges Material im Überlaufrohr befindet, weil dieses Rohr nicht zum Überlauf des Füllmaterials dient. Es war der Unfall daher nicht vermeidbar, weder durch Tankreinigung noch durch das Vorhandensein eines Sicherheitsdatenblatts. Das Gutachten wurde vorgelegt.
 
3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.
Das zuständige AI wurde vom Oö. Verwaltungssenat am Berufungsverfahren beteiligt.
Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).
 
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
 
4.1. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
 
Nach der ständigen Judikatur des VwGH ist, wenn ein zur Vertretung einer juristischen Person nach außen berufenes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen gewesen wären. Wird nämlich dem Bw die Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen angelastet, so ist für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde der Ort maßgebend, an dem der Bw tätig hätte werden sollen (handeln hätte sollen). Das ist jener Ort, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (VwGH 14.5.1990, 90/19/0018, 25.3.1994, 94/02/0026, 24.6.1994, 94/02/0021 uam). Für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde kommt es grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird (also nicht auf den Ort des Filialbetriebes). Vielmehr ist gemäß § 27 Abs.1 VStG örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist (im vorliegenden Fall bei Verstoß gegen AAV, der Sitz der Unternehmensleitung) (VwGH 12.3.1990, 90/19/0091 ua).
 
4.2. Im gegenständlichen Straferkenntnis wurde die angelastete Tat dem Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. S mit dem Sitz in , vorgeworfen.
 
Festzuhalten ist, dass laut Gewerberegistereintragung für diese Firma an dem genannten Standort Gewerbeberechtigungen für das Vermieten von Maschinen, das Vermieten von Baumaschinen und die Arbeitskräfteüberlassung eingetragen sind. Das gegenständlich vorgeworfene strafbare Verhalten der Reparaturarbeiten an einem Überlaufrohr eines Tankwagens ohne die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen sind dieser Gewerbeberechtigung nicht zuzuzählen.
 
Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde aber weiters als Tatort der Unfall in der Betriebsstätte, angeführt.
Dazu ist auszuführen, dass die S mit dem Sitz in H, eine Gewerbeberechtigung ua für die Erzeugung von Lkw, Sattelkraftfahrzeugen, Anhängern udgl., weiters für den Handel mit diesen Kraftfahrzeugen und weiters eine Gewerbeberechtigung für Kraftfahrzeugtechniker jeweils für den Standort in W, besitzt. Es ist daher das gegenständlich vorgeworfene strafbare Verhalten im Rahmen der letztgenannten Gewerbeberechtigungen der S zuzurechnen. Der Bw ist laut Firmenbuch- und Gewerberegistereintragung sowohl handelsrechtlicher als auch gewerberechtlicher Geschäftsführer der S.
 
Weil aber die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht in den Wirkungsbereich eines gewerberechtlichen Geschäftsführers fallen, war daher der Bw zu Recht als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.
 
Wie aber die eingangs angeführte ständige Judikatur des VwGH zeigt, ist Tatort nicht der Sitz der Filiale bzw der Betriebsstätte sondern der Ort der Unternehmensleitung, also der Sitz des Unternehmens, von wo aus gehandelt hätte werden sollen. Laut Firmenbucheintragung ist der Firmensitz der Firma S in H. Es wird auch darauf hingewiesen, dass nach dem Geschäftspapier des Bw ebenfalls die S mit Anhänger- und Karosseriefabrik mit Anschrift H, angeführt ist, und daraus ersichtlich ist, dass an dieser Anschrift sowohl Einkauf als auch Verkauf, techn. Büro, Buchhaltung, Versand und Verkauf gegeben ist. Es ist daher die Firmenleitung an der angegebenen Anschrift anzunehmen. Es waren daher die entsprechenden Vorsorgehandlungen vom Sitz der Unternehmensleitung aus zu treffen, also von F aus. Dort ist der Tatort anzunehmen. Ein entsprechender Tatort wurde dem Bw innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht vorgeworfen. Es konnte daher eine Berichtigung durch den Oö. Verwaltungssenat nicht mehr erfolgen. Es war daher aus diesem Grunde das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge (§ 66 Abs.1 VStG).
 
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.
 
 
 

Dr. Klempt
 

Beschlagwortung:
Tatort, Unternehmenssitz