Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102153/6/Br

Linz, 16.09.1994

VwSen - 102153/6/Br Linz, am 16. September 1994 DVR. 0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier, über die Berufung der Frau Romana R, H, 4342 B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 28. Juni 1994, Zl. VerkR96-3813-1993, nach der am 16. September 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Verkündung zu Recht erkannt: I. Der Berufung wird F o l g e gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt. Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 u. § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über die Berufungswerberin wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg wegen der Übertretung nach § 103 Abs.1 Z3 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil sie als Zulassungsbesitzerin des KFZ mit dem Kennzeichen , am 18. September 1993 um 17.50 Uhr in P, Haus OberP 22, das Lenken des angeführten Fahrzeuges Herrn Josef R überlassen gehabt habe, obwohl dieser nicht im Besitze der erforderlichen Lenkerberechtigung gewesen sei. 2. Die Erstbehörde stützt ihre Entscheidung im wesentlichen auf den Umstand, daß die Behörde schließlich mit Bescheid vom 19.10.1993 dem Fahrzeuglenker R das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit seiner ausländischen (tschechischen) Lenkerberechtigung untersagt habe. Dieser Bescheid sei letztlich auch durch das Amt der O.ö. Landesregierung bestätigt worden. Es sei davon auszugehen gewesen, daß der Lebensgefährte der Berufungswerberin, Herr R, seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich nie aufgegeben gehabt habe, er sich nur zum Zwecke des Erwerbes der Lenkerberechtigung, bloß vorübergehend in Tschechien aufgehalten habe. 3. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin sinngemäß aus, daß sie keine Bedenken im Hinblick auf die Gültigkeit des tschechischen Führerscheines gehabt habe. Weil es bei diversen Verkehrskontrollen bei R im Hinblick auf die Gültigkeit des tschechischen Führerscheines nie zu Beanstandungen gekommen ist, sei sie sich keiner Schuld bewußt. 4. Zumal keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da das Berufungsvorbringen sich nicht nur gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung, sondern auch gegen das von der Erstbehörde zugrundegelegte Beweisergebnis richtet, war die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG). 4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Erörterung des bisherigen Ganges des Verfahrens im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung anhand des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Ferner wurde Beweis aufgenommen durch die Vernehmung der Berufungswerberin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. 5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

5.1. Die Berufungswerberin ist die Lebensgefährtin von Herrn Josef R. Letztgenannter war zur Tatzeit im Besitz eines für ihn am 23. März 1992 in Tschechien ausgestellten Führerscheines. R hatte im Zusammenhang mit seiner ehemaligen Tätigkeit als Werkstätteninhaber nach Tschechien Kontakte. Im Jahr 1992 wurde dieser Kontakt intensiviert, sodaß er im März 1992 an der Adresse seiner Lebensgefährtin seinen Wohnsitz aufgegeben und sich polizeilich abgemeldet hatte. Der persönliche Kontakt zur Lebensgefährtin blieb während dieser Zeit aufrecht und es erfolgten Besuche an den Wochenenden, wobei auch die Berufungswerberin nach Tschechien auf Besuch fuhr. R bezog in Tschechien im ersten Stock des Werkstättengebäudes eine Unterkunft. Die Tatsache des Führerscheinerwerbes durch R war der Berufungswerberin bekannt. Nach der Rückkehr von R aus Tschechien und Wiederanmeldung an seiner früheren Adresse im Frühjahr des Jahres 1993, erfolgten auch behördliche Überprüfungen und seitens Rs auch die Einholung von Erkundigungen betreffend die Gültigkeit und Möglichkeit der Umschreibung des tschechischen Führerscheines. Diese verliefen dahingehend, daß offenbar am Recht in Österreich einen Pkw zu lenken kein Anlaß zu zweifeln bestand. In diesem Bewußtsein hat die Berufungswerberin schließlich ihrem Lebensgefährten R ihr Fahrzeug überlassen gehabt. 5.1.1. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die Angaben der Berufungswerberin. Diese sind hinsichtlich ihres subjektiven Aussageinhaltes (die Berufungswerberin sei sich keiner Schuld bewußt gewesen) glaubwürdig. Ihr war der Erwerb des tschechischen Führerscheines seit März 1992, sowie die Tatsache des längeren unbeanstandeten Gebrauchmachens von dieser Lenkerberechtigung bekannt. Diesen Angaben stehen auch nicht Feststellungen der Erstbehörde entgegen. 6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen: 6.1. Ungeachtet dessen, daß der unabhängige Verwaltungssenat im Gegensatz zur Sicht der Erstbehörde und des Amtes der O.ö. Landesregierung im Rahmen der später geführten Berufungsverhandlungen gegen den Lebensgefährten der Berufungswerberin, welchem das Fahrzeug überlassen worden war, zur Ansicht gelangt ist, daß der Berufungswerber einerseits seinen Wohnsitz in Österreich jedenfalls ab Frühjahr 1992 aufgegeben gehabt hat und somit zur Tatzeit noch kein Jahr bis zur Wiederbegründung eines österreichischen Wohnsitzes verstrichen gewesen ist, konnte dieses Verfahren jedoch auf die Verschuldensprüfung beschränkt bleiben. 6.1.1. Der § 5 Abs.1 VStG besagt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch für das Verwaltungsstrafrecht gilt das Schuldprinzip, dh eine Bestrafung ist nur bei Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens möglich (so auch VwGH 13.5.1987, 85/18/0067). Das Kriterium eines Verschuldens war anhand objektiver Kriterien zu prüfen. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht ist es ständige Judikatur des VwGH (s. E Slg. 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig wurde folglich dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der (die) Handelnde angehört, an seiner (ihrer) Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Dies muß im gegenständlichen Fall wohl verneint werden. Die objektiven Sorgfaltspflichten legen zwar immer nur das Mindestmaß der anzuwendenden Sorgfalt fest. In atypischen Situationen kann von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt werden. Andererseits muß man sich hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. abermals VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Bei einem juristischen Laien ist bei lebensnaher und somit objektiver Beurteilung jedenfalls dann das Ausmaß an Zumutbarkeit überschritten zu sehen, wenn von ihm erwartet würde, daß er (sie) komplizierte juristische Zusammenhänge richtig beurteilt. Im gegenständlichen Fall konnte über die Feststellung - Sichtung des entsprechenden unbedenklich erscheinenden Dokumentes - der Innehabung einer ausländischen Lenkerberechtigung jener Person, welcher sie das Fahrzeug überlassen hatte, die schon über ein Jahr offenbar unbeanstandet innehatte, keine weitergehenden Aufklärungs- oder Nachforschungshandlungen erwartet werden. In der Überlassung des Fahrzeuges an den Lebensgefährten konnte sohin keine Schuld erblickt werden. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum