Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280527/5/Ga/Km

Linz, 31.07.2001

VwSen-280527/5/Ga/Km Linz, am 31. Juli 2001
DVR.0690392
 
 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des K D, vertreten durch Dr. P K, Dr. G S, Dr. E W und Dr. T W, Rechtsanwälte in W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt W vom 10. Februar 2000, Zl. MA 2-Pol-5017-1999, wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; in beiden Fakten wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1 und Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.
 
 
Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 10. Februar 2000 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er sei schuldig, er habe in seiner Eigenschaft als im Sinne des § 9 Abs.2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften betreffend die M Warenhandels-AG, Filiale W, die - bei Kontrollen des Arbeitsinspektorates am 4. und am 12. Oktober 1999 festgestellte - Übertretung bestimmter Arbeitnehmerschutzvorschriften in zwei Fällen zu vertreten. Als erwiesen wurde angelastet (§ 44a Z1 VStG), dass in der sprucherfassten Filiale

"1. vor den zur Belichtung dienenden Fensterflächen an der Nordseite des Verkaufsraumes der Achse 1A zwischen Achse 21 und Achse 24 Regale und Einbauten so aufgestellt wurden, dass die Lagerungen auf den Regalen über Parabethöhe und nicht bis max. zu der Höhe erfolgen, die in der Belichtungs-
berechnung vom 25.4.1997 (Grundlage für die Ausnahmegenehmigung vom § 8 Abs.1 AAV) angeführt ist bzw.
  1. durch den Einbau von Baldachinen bei der Obstabteilung an der Südseite des Verkaufsraumes der Achse 1E zwischen Achse 22 und Achse 24 die Sichtver-

bindung zum Freien, die mindestens 5 % der Bodenfläche des Raumes betragen muss, auf ca. 4,2 % verringert ist."
 

Dadurch seien zu 1. § 130 Abs.2, § 126 Abs.2 und § 106 Abs.3 Z.2 ASchG iVm § 8 Abs.1 AAV iVm Spruchteil IIa des Bescheides des Magistrates der Stadt Wels vom 15. Mai 1997, MA 11-GeBA-5-197 Wr, zu 2. § 130 Abs.1 Z.15 ASchG iVm § 25 Abs.5 AStV verletzt worden. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Berufungswerber zu 1. eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe) und zu 2. eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe), je kostenpflichtig verhängt.
 
Aus Anlass der gegen dieses Straferkenntnis zu beiden Fakten erhobenen, tatseitig im Wesentlichen die Rechtsbeurteilung sowie schuldseitig bestreitenden, in der Hauptsache Aufhebung und Einstellung beantragenden Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat nach Anhörung des Arbeitsinspektorates zum Berufungsvorbringen und nach Einsicht in den von der belangten Behörde zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt erwogen:
 
Die (nur) vom Berufungswerber beantragte öffentliche Verhandlung hatte zu entfallen, weil, wie zu begründen sein wird, schon auf Grund der Aktenlage feststand, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).
 
zu 1.
Auf Grund der zufolge des spruchgemäßen Vorwurfs verletzten Rechtsvorschrift - Nichteinhaltung einer im ASchG begründeten bescheidmäßigen Gebots-/Verbotsnorm - kommt es für die Annahme der objektiven Tatbestandsmäßigkeit im Berufungsfall wesentlich auf folgende Umstände an: Hat die "Belichtungsberechnung vom 25.4.1997" (folgend kurz: BelB) Bescheidqualität? Wenn ja: Enthält sie in hinreichender Bestimmtheit jene Höhengrenze (arg: "bis max. zu der Höhe"), die überschritten zu haben, tatseitiger Kern des Deliktsvorwurfs ist?
 
Hiezu stellt der Oö. Verwaltungssenat fest: Die BelB hat für sich Normqualität nicht autonom, sondern nur auf Grund ausdrücklicher Erklärung des (vorliegend im Spruchabschnitt gemäß § 44a Z2 VStG genannten) Betriebsanlagenänderungs-Bescheides vom 15. Mai 1997. Diesem, im vorgelegten Strafverfahrensakt (nur) in Kopie einliegenden gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheid (samt Verhandlungsschrift vom 13.2.1997) ist die BelB nicht angeschlossen. Die BelB war am 13. Februar 1997 auch nicht Verhandlungsgegenstand ("Einreichungsunterlage"), sondern wurde, wie aus der Verhandlungsschrift in Verbindung mit einem dem vorzitierten Bescheid beigeschlossenen Aktenvermerk vom 13. Mai 1997 hervorgeht, den "Projektunterlagen, die dem Verfahren zugrunde lagen" erst kurz vor Erlassung des Genehmigungsbescheides, und somit unverhandelt, zugeschlagen.
 
Angeschlossen in Kopie - und damit überhaupt erst der Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat zugänglich - war diese BelB der Anzeige des AI vom 19. Oktober 1999 (als eine von mehreren Beilagen). Auf der Rückseite dieser Kopie der BelB ist dem handschriftlich vervollständigten Stempelaufdruck (der belangten Behörde als Gewerbebehörde) der - aktenwidrige - Vermerk zu entnehmen, es sei die BelB "der kommissionellen Verhandlung am 13.2.1997 vorgelegen"!
Davon aber abgesehen enthält diese BelB, die sich als einseitige Tabelle (DIN A4-Format) darstellt, in insgesamt sechs namentlich beschriebenen Rubriken keine solchen Angaben, die, bezogen auf die Achse 1A, als maximale Höhe einer Lagerung auf den (vor den Belichtungsflächen stehenden) Regalen erkannt werden könnte - jedenfalls nicht mit der für eine Gebotsvorschrift aus dem Blickwinkel ihrer Vollstreckbarkeit erforderlichen Eindeutigkeit. Im übrigen wäre diese Höhenangabe, enthielte die BelB sie, verständlich und dezidiert ziffernmäßig im Schuldspruch anzuführen gewesen. Die, wie hier, bloß verweisende Andeutung genügte im Lichte des Bestimmtheitsgebotes nicht, weil dadurch nicht schon aus dem Spruch - unabhängig von den in diesem Zusammenhang erforderlichen Begründungsdarlegungen - selbst die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird (zu vergleichbaren Konstellationen vgl zB VwGH 26.4.1994, 93/04/0244; VwGH 29.3. 1994, 93/04/0255; ua).
Ist aber im Berufungsfall die zum Tatbestandsmerkmal erhobene Höhenfestlegung, wie dargelegt, nicht mit jener Bestimmtheit ausgestattet, die erforderlich wäre, um den Berufungswerber das ihm aufgetragene pflichtgemäße Verhalten unmissverständlich ablesen zu lassen, war vorliegend im Zweifel zugunsten des Beschuldigten schon die Erfüllung der Tatbestandsmäßigkeit nicht anzunehmen und musste auch der darauf abstellende spruchgemäße Tatvorwurf (ebenso wie die von der Begründung des Straferkenntnisses als erste Verfolgungshandlung genannte AzR vom 14.1.2000) die vom § 44a Z1 VStG geforderte Bestimmtheit verfehlen.
 
Aus diesen Gründen war zu 1. wie im Spruch zu entscheiden.
 
 
zu 2.
Der angefochtene Schuldspruch legt (ebenso wie die AzR vom 14.1.2000 als erste Verfolgungshandlung) in objektiver Hinsicht als maßgebenden Sachverhalt zugrunde, dass "durch den Einbau von Baldachinen bei der Obstabteilung an der Südseite des Verkaufsraumes der Achse 1E" das gemäß § 25 Abs.5 AStV vorgeschriebene Mindestausmaß der Sichtverbindung zum Freien "auf ca. 4,2 %" (zu ergänzen wäre: der Bodenfläche des [ganzen] Verkaufsraumes) verringert sei.
 
In der dieses Verwaltungsstrafverfahren auslösenden Anzeige des AI vom 19. Oktober 1999 sind als kausale Maßnahme (arg: "durch") für die vorschriftswidrige Verringerung des Mindestausmaßes der "freien Durchsicht ins Freie auf 4,2 %" angeführt: Der Einbau der Baldachine und die Verlagerung der Belichtungsflächen (Hervorhebung durch das Tribunal). Mit der spezifischen Ausdrucksweise "Verlagerung der Belichtungsflächen" ist offenbar jener zum Feststellungszeitpunkt vom AI-Organ vorgefundene Zustand des Verkaufsraumes gemeint, der auf Seite 2 oben derselben Anzeigeschrift wörtlich so umschrieben wurde: "Ebenso wurden auf den Regalen vor den Belichtungsflächen an der Nordseite des Verkaufsraumes der Achse 1A zwischen Achse 21 und Achse 24, die Lagerungen der Waren so hoch vorgenommen, daß die Belichtungsflächen fast zur Gänze verstellt waren."
 
Eine andere sinnvolle Erklärung für den Gebrauch der Ausdrucksweise "Verlagerung der Belichtungsflächen" ist in der Anzeige nicht auffindbar.
Abweichend jedoch von diesem Anzeigeninhalt spricht die Stellungnahme des AI vom 2. Dezember 1999 ohne Angabe von Gründen nur noch vom "Einbau der Baldachine bei der Achse 1E" als (alleiniger) Verursacher der inkriminierten Sichtverringerung. Dieser somit einschränkenden Darstellung ist der angefochtene Schuldspruch - ohne irgend eine darauf bezogene Erläuterung in der Begründung des Straferkenntnisses - gefolgt. Ebenso wenig können der Begründung, wie vom Berufungswerber zu Recht bemängelt, Hinweise entnommen werden, ob überhaupt und mit welchem Ergebnis die vom AI angezeigte, jedoch nicht näher zB hinsichtlich ihrer Berechnungsweise erläuterte Sichtflächenverringerung einer Beweiswürdigung unterzogen worden ist.
Im Ergebnis konnte nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Berücksichtigung nur der Ursache "Einbau von Baldachinen" das spruchgemäß angelastete Ausmaß der Sichtverringerung nicht erreicht, ja womöglich die 5 %-Grenze nicht unterschritten wurde.
 
Damit aber verblieben im Berufungsfall erhebliche Zweifel an der Richtigkeit eines wesentlichen Elementes in der Sachverhalts-Annahme des Schuldspruchs zu 2., weshalb in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo wie im Spruch zu erkennen war.
 
 
zu 1. und 2.
Bei diesem Verfahrensergebnis kann auf sich beruhen, dass die belangte Behörde hinsichtlich beider Fakten zwar offenbar von einem fortgesetzten Delikt ausgegangen ist (mit zwei Einzeltathandlungen; zulässigerweise durfte dabei die belangte Behörde die Feststellungstage als Tatzeit anlasten), jedoch hinsichtlich der Schuldform keinen Vorsatz (Gesamtvorsatz), sondern, wie aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses erschließbar, nur Fahrlässigkeitsschuld im Grund des § 5 Abs.1 VStG angenommen hat.
 
Dieses Verfahrensergebnis befreit den Beschuldigten von Gesetzes wegen aus seiner Kostenpflicht.
 
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.
 
 
Mag. Gallnbrunner