Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310260/5/Ga/Da

Linz, 14.01.2005

 

 

 VwSen-310260/5/Ga/Da Linz, am 14. Jänner 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Herrn U S in T gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 9. Juni 2004, UR96-4/5-2004/Ka, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben; in beiden Fakten wird das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991- AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z3, 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991- VStG.

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 9. Juni 2004 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe es in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma K S GmbH., Sitz in S, zu verantworten, dass I. am 20./21. November 2003 die Verbringung von 21.274 kg Rinderrohfett von Österreich, und zwar von einer Adresse in T, nach Italien (mit best. Adresse) und II. am 25. November 2003 die Verbringung von 22.155 kg Rinderrohfett von der selben Adresse in Österreich nach Deutschland (mit best. Adresse) durchgeführt worden sei, obwohl in beiden Fällen eine dafür gemäß § 67 AWG 2002 (richtig wohl: § 69 AWG 2002) erforderliche Bewilligung des Bundesministers für LFUW nicht vorhanden gewesen sei.
Dadurch habe er in beiden Fällen § 79 Abs.2 Z18 AWG 2002 übertreten. Über ihn wurde zu I. und II. je eine Geldstrafe von 2.000 Euro kostenpflichtig verhängt und jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt.

Der Berufungswerber bekämpft das Straferkenntnis im wesentlichen mit dem Einwand, dass es sich vorliegend um keine Abfalltransporte gehandelt habe. Rohtalg stelle "für uns" in keiner Weise Abfall dar, es habe auch keinerlei Absicht der Entledigung (wie es bei Abfall der Fall wäre) beim Transport dieser Ware vorgelegen, da Rohtalg als Produkt zur Weiterverarbeitung zu technischen Zwecken an die Kunden geliefert werde. Eine Entledigung sei auch in keiner Weise im öffentlichen Interesse, da die daraus hergestellten Produkte dem Gemeinwohl nützlich seien. Rohtalg sei ein typisches Schlachtnebenerzeugnis und werde zur Herstellung zB technischer Fette verwendet.
Über diese, Aufhebung und Einstellung begehrende Berufung hat der UVS nach Einsicht in den der Vorlage, ohne Gegenäußerung, angeschlossenen Strafverfahrensakt der belangten Behörde erwogen:
 
Nach der Aktenlage allseits unstrittig handelte es sich bei dem verbrachten Rohfett um Nichtrisikomaterial, das seuchenrechtlich unbedenklich, jedoch nicht genusstauglich war. Letzteres auch deswegen, weil der Transport des Materials in einer geschlossenen Kühlkette veterinärrechtlich nicht vorgeschrieben ist und in diesem Zusammenhang auch bedacht werden musste, dass unter Umständen Fettreste zu Boden gefallen sein konnten (etwa schon im Zuge des Einsammelns bei den Schlachthöfen).
Strittig jedoch ist die Abfalleigenschaft des auf dem Straßenweg verbrachten Rinderrohfettes. Trotz der diesbezüglichen Bestreitung des Berufungswerbers schon in seiner Rechtfertigung vom 19. Februar 2004 ("frei handelbarer Rohstoff für technische Zwecke") hat die belangte Behörde begründete Zweifel an der Abfalleigenschaft des Rinderrohfettes letztlich nicht gehegt. Zur Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach § 6 Abs.1 Z1 AWG 2002 sah sie sich nicht veranlasst. Aus Seite 4 untere Hälfte der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses kann (noch) nachvollziehbar abgeleitet werden, dass die belangte Behörde die Eigenschaft des Rinderrohfettes als Abfall im Grunde (jedenfalls auch) des objektiven Abfallbegriffs gemäß § 2 Abs.1 Z2 leg.cit. angenommen hat.
Darin war ihr im Ergebnis nicht entgegen zu treten. Nach Maßgabe der in der Begründung (zwar nicht formell bezeichneten, aber) mit ihren wesentlichen Inhalten wiedergegebenen Kriterien gemäß § 1 Abs.3 Z1 leg.cit. (Gefährdung der Gesundheit der Menschen; unzumutbare Belästigungen) und Z7 leg.cit. (Begünstigung des Auftretens oder der Vermehrung von Krankheitserregern) erscheint die Annahme der Abfalleigenschaft in der Aktenlage insgesamt gedeckt. Dabei konnte sich die belangte Behörde hinsichtlich der nicht mit Gewissheit auszuschließenden Möglichkeiten nachteiliger äußerer Einflüsse (und der daraus abzuleitenden Gefahren; sh. vorhin) auf eine begründete Sachverständigenmeinung (im Akt einliegend die Stellungnahme von Frau Dipl.-Ing. L, BMLFUW, vom 4.12.2003) stützen.
 
War aber vorliegend der objektive Abfallbegriff des AWG 2002 als erfüllt anzusehen (die Frage nach der konkreten Abfallart - gefährlicher Abfall oder nicht? - war im erstinstanzlichen Strafverfahren nicht Sache und daher auch vom UVS nicht aufzugreifen), kommt es auf die vom Berufungswerber argumentierte, fehlende Absicht der Entledigung nicht an. Die zutreffend aus objektiven, im öffentlichen Interesse gebotenen Rücksichten angenommene Abfalleigenschaft des Rinderrohfettes für beide Verbringungen hindert nicht seine Bewertung als Ausgangsstoff für eine im Rahmen abfallwirtschaftsrechtlicher Maßgaben zulässige Verwendung. Der Berufungswerber durfte aber das Rinderrohfett (den "Rohtalg") nach den Umständen dieses Falles weder als Produkt (hier gemeint als: neue, für den Markt unter marktspezifischen Kriterien erzeugte Sache) noch als Rohstoff (hier gemeint als: für eine industrielle Be-/Verarbeitung geeigneter oder bestimmter Stoff, den die Natur liefert oder der im Rahmen der Urproduktion aus natürlichen Quellen gewonnen wird) einschätzen (zu all dem: List in Hauer/List/Nußbaumer/Schmelz, AWG 2002, Verlag Österreich, 2004 Wien, 50 bis 52). Dass er (vor der Verbringung) Auskünfte bei der zuständigen Behörde eingeholt oder eine Feststellung iSd. § 6 Abs.1 Z1 AWG 2002 wenigstens beantragt gehabt hätte, hat der Berufungswerber nicht behauptet. Alles in allem lag nicht das von ihm eingewendete "typische Schlachtnebenerzeugnis" (Hervorhebung durch den UVS), sondern ein Schlachtabfall im oben dargelegten Verständnis vor.
 
Der hier herangezogene Straftatbestand des § 79 Abs.2 Z18 AWG 2002 ("wer entgegen § 69 Abfälle ohne die erforderliche Bewilligung .... verbringt") erfordert für seine Erfüllung den auf entsprechende Feststellungen gestützten Vorwurf, dass eine bestimmte Sache als Abfall verbracht wurde. Eine Ausdrücklichkeit diesbezüglich enthält im Berufungsfall für beide Fakten weder die erste Verfolgungshandlung (AzR vom 17.2.2004) noch der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses. Die im Tatvorwurf genannten und inhaltlich ausgeführten Fundstellen zum Abfallkatalog 1.9.1997 bzw zum Europäischen Abfallkatalog (EAK) nennen Rinderrohfett nicht, weshalb die Einordnung nur im Interpretationsweg mit Hilfe der bezügl. Klassifikations-/Zuordnungskriterien vorgenommen werden konnte. Das dem Tatvorwurf zugrunde gelegte Ergebnis ist jedoch nicht unmittelbar aussagekräftig, sodass es die Anführung des hier wesentlichen Tatbestandsmerkmals 'als Abfall' nicht zu ersetzen vermochte. Davon ausgehend und gerade im Hinblick auf die Bestreitung der Abfalleigenschaft durch den Berufungswerber hätte es, um dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot (§ 44a Z1 VStG) zu genügen, jedenfalls auch des ausdrücklichen Vorwurfs im Schuldspruch / in der ersten Verfolgungshandlung bedurft, dass es sich bei den Transporten um eine rechtswidrige Verbringung von Rinderrohfett als Abfall gehandelt hat.
 
Den angefochtenen Schuldsprüchen kann aber auch das weitere wesentliche Tatbestandsmerkmal, "wer" nämlich die unbefugte Verbringung durchgeführt hat, nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnommen werden. Dem Berufungswerber wird jeweils nur vorgeworfen (in der ersten Verfolgungshandlung wortgleich nur angelastet), als organschaftlicher Vertreter der bezeichneten Gesellschaft verantworten zu müssen, dass die Verbringung schlicht "durchgeführt" wurde. Von wem die grenzüberschreitende Verbringung, ob durch die bezeichnete Gesellschaft oder aber von Dritten (selbständig oder unselbständig; aus den im Strafakt einliegenden Kopien der internationalen Frachtbriefe ist ersichtlich, dass in einem der Fälle jedenfalls nicht die Gesellschaft als Transporteur aufgetreten ist) durchgeführt wurde, blieb unerwähnt bzw. der Interpretationsneigung des Beschuldigten überlassen.
 
Nach Auffassung des UVS ist daher nicht auszuschließen, dass die in dieser Weise unvollständigen Tatvorwürfe den Berufungswerber in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigten. Die Sanierung der in beiden Fakten insofern unbestimmt gebliebenen Schuldsprüche kann vom UVS wegen der bereits abgelaufenen Verfolgungsverjährungsfrist nicht mehr vorgenommen werden.
Aus diesen Gründen war, unter Wegfall der Kostenfolgen, auf Aufhebung zu erkennen und, weil Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, zu beiden Fakten die Einstellung zu verfügen.
 
 
Bei diesem Verfahrensergebnis konnte auf sich beruhen, ob das vorliegend erfasste Rinderrohfett unter die Ausnahme des § 3 Abs.1 Z5 AWG 2002 ("Kadaver und Konfiskate, Schlachtabfälle, Abfälle aus der Fleischverarbeitung, die einer Ablieferungspflicht nach tierkörperverwertungsrechtlichen Bestimmungen unterliegen") fällt. Nachstehende grundsätzliche Anmerkungen hält der UVS dennoch für zweckmäßig:
Zufolge des genannten Ausnahmetatbestandes unterläge Rinderrohfett, auch wenn es unter dem techn. Ausdruck "Schlachtabfall" als Abfall im Rechtssinn beurteilt werden muss, dann nicht dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, wenn es "einer Ablieferungspflicht nach tierkörperverwertungsrechtlichen Bestimmungen" unterliegt. Mit anderen Worten, es kommt für die Herausnahme von Rinderrohfett als Abfall vom Geltungsbereich des AWG 2002 darauf an, ob hiefür eine veterinärpolizeiliche Ablieferungspflicht aktuell aufrecht ist (und insofern und insoweit dem öffentlichen Interesse an der Abwehr spezifischer Gefahren aus unkontrollierten Manipulationen mit derartigen Abfällen Genüge getan ist). Die gemäß § 66 Abs.1 AVG zur Absicherung der h. Erwägung bei der Abteilung Sanitäts- und Veterinärrecht des Amtes der Oö. Landesregierung hiezu eingeholte Stellungnahme hat die vorgelegte Frage zur veterinärpolizeilichen Ablieferungspflicht wie folgt beantwortet:
"Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass 'Rinderrohfett' als Schlachtungsabfall nur dann nicht der Ablieferungspflicht unterliegt, wenn


 
Ausgehend von dieser Beurteilung käme es im Berufungsfall sachverhaltsbezogen in beiden Fakten darauf an, ob die in bestimmter Weise erfolgten Transporte und die unmittelbare Lieferung des Rohfettes zu spezialisierten Betrieben als direkt anderweitige Verwendung für industrielle Zwecke gewertet werden durfte oder nicht. Wäre also in dem zu beurteilenden Gesamtvorgang (Übernahme/Einsammeln des Rinderrohfettes österreichweit [von ca. 10 bis 15 Schlachthöfen] sowie daran anschließend der grenzüberschreitende Transport zu bestimmten Unternehmen der Schmiermittel- und Seifenerzeugung) eine direkt anderweitige industrielle Verwendung zu sehen, dann (und natürlich nach Maßgabe auch der oben zit. anderen Punkte) unterläge das Rohfett (als Abfall) zwar nicht der veterinärpolizeilichen Ablieferungspflicht, jedoch den bzgl. Vorschriften des AWG 2002, d.h. Rinderrohfett als Schlachtabfall wäre dann vom Abfallregime des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 erfasst. Aus dieser Sicht also könnte, was die hier als verletzt vorgeworfene Bewilligungspflicht für die Verbringungstransporte angeht, nicht auf den Ausnahmetatbestand gemäß § 3 Abs.1 Z5 AWG 2002 rekurriert werden.
 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

 

 

Mag. Gallnbrunner

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