Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310289/13/Kü/Hu

Linz, 05.04.2006

 

 

 

VwSen-310289/13/Kü/Hu Linz, am 5. April 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn DI Dr. W L, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. H & Partner, K, L, vom 19. Dezember 2005 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28. November 2005, Zl. 0008545/2004, wegen Übertretungen des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen nach Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 10. Februar 2006 und 8. März 2006 zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 64 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

  1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28. November 2005, Zl. 0008545/2004, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) wegen drei Verwaltungsübertretungen gemäß § 15 Abs.1 Z1 iVm § 10 Abs.6 Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen (LRG-K) drei Geldstrafen in Höhe von jeweils 300 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 5,8 Tagen verhängt, weil er es als gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der V A S GmbH mit Sitz in L, V, für den Bereich "Kraftwerk" (Einhaltung verwaltungsrechtlicher Bestimmungen im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb) zu vertreten habe, dass von der V A S GmbH, als Betreiber der Kraftwerksblöcke 5 und 6 des Kraftwerkes im Werksgelände der V A S GmbH in L, KG S, in der Zeit vom 9.4.2003 bis 11.4.2003 weder der Betrieb der Dampfkesselanlage eingeschränkt noch unterbrochen wurde, obwohl eine Störung vorlag und aufgrund dieser Störung die festgesetzten Emissionsgrenzwerte auf längere Zeit erheblich überschritten wurden.

Im Tatvorwurf werden in der Folge die Grenzwertüberschreitungen angegeben als Halbstundenmittelwerte unter Nennung der Bescheide des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz, mit denen die Emissionsgrenzwerte im Block 5 und Block 6 des Kraftwerkes für N02 und S02 festgelegt werden, sowie des Datums und der Uhrzeit auflistet.

 

Begründend führte die Behörde nach nochmaliger Darstellung der Ermittlungsergebnisse aus, dass der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen sei. Insbesondere würde der Sachverhalt der erfolgten Überschreitungen der Emissionsgrenzwerte und der nicht erfolgten Einschränkung oder Unterbrechung des Betriebes der Dampfkesselanlage vom Beschuldigten auch nicht bestritten.

 

Der Beschuldigte rechtfertige sich damit, dass es sich um kurzzeitige Überschreitungen der Grenzwerte handle und diese daher nicht nach den angeführten Bestimmungen des LRG-K strafbar seien. Dem sei zu entgegnen, dass nach den Protokollen in zwei Fällen der Emissionsgrenzwert an mehr als zwei Tagen und in einem Fall mehr als 6 Stunden lang überschritten worden sei, teilweise um das Doppelte, teilweise im noch größeren Ausmaß, zumindest nie nur ganz knapp überschritten worden sei. Unter Zugrundelegung des bei einer solchen Emissionsüberschreitung bestehenden Gefährdungspotentiales müsse im vorliegenden Fall von einer erheblichen Überschreitung über einen längeren Zeitraum gesprochen werden.

 

Durch die in der Zwischenzeit erfolgte Gesetzesänderung, das Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen gehöre nicht mehr dem Rechtsbestand an, sei für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes keine Änderung eingetreten. Die nunmehr anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen des Emissionsschutzgesetzes für Kesselanlagen, BGBl.I/Nr. 150/2004, würden für den vorliegenden Fall keine geänderte Strafhöhe vorsehen. Die Pflichten des Betreibers seien insofern erweitert worden, als nicht mehr auf die Erheblichkeit und die Zeitdauer der Störung abgestellt würde.

 

Ein Schuldentlastungsbeweis habe vom Beschuldigten mit seiner Rechtfertigung nicht erbracht werden können. Die vom Beschuldigten für die unterbliebene gesetzmäßige Reaktion auf den Störfall angeführten Gründe, nämlich wirtschaftliche Nachteile, mögen sie auch erheblich sein, seien nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht geeignet, einen entschuldigenden Notstand zu begründen. Ab einer gewissen Größe eines Betriebes sei mit störfallbedingten Betriebseinschränkungen mit mehr oder weniger massiven wirtschaftlichen Schäden zu rechnen. Trotzdem sehe der Gesetzgeber eine Verpflichtung des Betreibers zur Einschränkung bzw. zur Unterbrechung des Betriebes vor, weshalb in diesen Fällen die Annahme eines entschuldigenden Notstands nicht gerechtfertigt sei.

 

Als strafmildernd sei die bisherige Unbescholtenheit gewertet worden, straferschwerende Umstände seien nicht vorgelegen. Bei der Berücksichtigung der Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sei die Behörde in realistischer Schätzung von einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.000 Euro ausgegangen. Bei entsprechender Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 19 VStG maßgebender Bemessungsgründe würden daher die verhängten Strafen dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden des Beschuldigten angemessen sein.

 

 

2. Dagegen wurde rechtzeitig vom Rechtsvertreter des Bw Berufung eingebracht, das Straferkenntnis in seinem gesamten Inhalt angefochten und die Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie die unrichtige rechtliche Beurteilung als Berufungsgründe geltend gemacht.

 

In der erstmaligen Aufforderung zur Rechtfertigung an die Geschäftsführung der V A S GmbH sei der Verdacht der Übertretung des § 10 Abs.1 Z6 Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen vorgeworfen worden. Eine dergestalt umschriebene Norm existiere nicht im österreichischen Rechtsbestand, weshalb keine taugliche Verfolgungshandlung, welche die Verfolgungsverjährung unterbreche, vorliege.

 

Die im Straferkenntnis festgehaltenen Grenzwertüberschreitungen würden daraus resultieren, dass im Kraftwerk der V A S GmbH im April 2003 eine neue Gichtgasleitung aufgrund dessen vermehrten Anfalls errichtet worden sei und an das bestehende Leitungssystem anzuschließen gewesen sei. Dieses Kraftwerk produziere Strom, Dampf und Fernwärme und sei Hauptenergielieferant für die Hütte der V A S GmbH in L. Zur Bewerkstelligung der Anbindung der neuen Gichtgasleitung an das bestehende Leitungssystem, hätte dieses Gas freigeblasen werden müssen. Für die Dauer der Anschlussarbeiten war folglich ein alternativer Energieträger für die Versorgung des Kraftwerkes notwendig. Als Brennstoffersatz sei in der Folge Erdgas und Heizöl eingesetzt worden. Bei Einsatz von zugekauften Strom wären nach vorsichtigen Schätzungen die Kosten bei weitem über denjenigen gelegen, welche allein der vollständige Ersatz durch Erdgas (rund 2 Mio. Euro) gekostet hätte. Die Kernproduktion des Kraftwerkes, nämlich die Fernwärmeproduktion für die österreichische Fernwärmegesellschaft wäre ausgefallen und hätte zu einem weiteren Folgeschaden in erheblicher Höhe geführt.

 

Zum Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit verweise der Einschreiter auf eine bereits vorgelegte Grafik, wonach die derzeitigen (und somit im Tatzeitraum vorliegenden) S02-Emissionen und N0x-Emissionen eklatant unter den noch in den späten 80iger Jahren vorliegenden Werten gelegen seien. Wenn nun die Behörde damit argumentiere, das LRG-K schütze insbesondere Leben und Gesundheit, so sei dieser Schutzzweck auch bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmales der Erheblichkeit zu beachten. Die im Straferkenntnis angegebenen Überschreitungen der Grenzwerte haben nach menschlichem Ermessen keinen Einfluss auf die Umwelt bzw. auf organische Organismen.

 

Selber Maßstab sei auch bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmales "längere Zeit" anzulegen. Eine Einschränkung bzw. Unterbrechung des Betriebes habe jedoch nur dann Sinn, wenn dadurch ein nachteiliger Effekt, welcher dem Schutzzweck des Gesetzes entspreche, hintan gehalten werden solle. Wie dargestellt, habe jedoch die festgestellte Überschreitung keinen wie immer gearteten Effekt auf Umwelt und Organismus. Folglich liege auch das Tatbestandsmerkmal "längere Zeit" nicht wirklich vor.

 

Gegenteiliges könne auch aus den mittlerweile in Kraft getretenen Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen (EG-K) nicht abgeleitet werden. Gemäß § 16 Abs.6 letzter Satz EG-K dürfe bei einer Anlage mit Abgasreinigungsanlage (und so eine liege hier vor) gesehen über einen 12-Monate-Zeitraum die Abgasreinigungsanlage max. 120 Stunden funktionsuntüchtig sein. Die vorgeworfene Übertretung hätte im Block 5 60 Stunden (die Übertretungen im Block 6 verliefen zeitlich parallel und kürzer) gedauert. Folglich liege eine konkrete Übertretung unter dem vom derzeit gültigen Gesetz tolerierten Zeitraum ohne Abgasreinigung, weshalb dieses als günstigere Norm gemäß § 1 Abs.2 VStG anzuwenden wäre.

 

Da aus den dargestellten Umständen eine Unterbrechung des Betriebes des Kraftwerks aus evidenten und massiven wirtschaftlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, sei die Grenzwertüberschreitung dem Einschreiter subjektiv nicht vorzuwerfen. Auch komme dem Einschreiter der entschuldigende Notstand gemäß § 6 VStG zugute. Eine Vermeidung der Grenzwertüberschreitung wäre nur durch das gänzliche Herunterfahren des Kraftwerks möglich gewesen. Dieser Vorgang dauere mehrere Tage und sei das nachfolgend notwendige Wiederanfahren des Ofens mit hohen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. In diesem Zusammenhang würde als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt, dass die in der Rechtfertigung vom 22.12.2003 ins Treffen geführten Beweise nicht eingeholt worden seien, welche belegt hätten, dass die dargestellten Konsequenzen eingetreten (massiver Vermögensschaden) bzw. nicht eingetreten (Auswirkungen auf Umwelt und Organismus) wären.

 

Dem bekämpften Bescheid sei auch insofern eine Rechtswidrigkeit vorzuwerfen, als für ein und das selbe Tatverhalten drei Strafen verhängt würden. Es dürfe nicht übersehen werden, dass durch die aufgetretenen Gesetzesübertretungen und damit verbunden dem Unterlassen des Einstellens des Betriebes allenfalls ein fortgesetztes Delikt verwirklicht sein könne. Die von der Behörde aufgesplitterten Tatvorwürfe treffen im Kern allenfalls einen einheitlichen Willensentschluss, weshalb eine Bestrafung nur wegen einfacher Gesetzesübertretung zulässig wäre.

 

Mittlerweile liege der strafbare Zeitraum beinahe drei Jahre zurück. Ein unter Umständen dem Einschreiter anzulastendes Verschulden sei denkbar gering und resultiere aus einer vertretbaren Rechtsmeinung in Anbetracht des rechtfertigenden Notstands. Die durch die Verwaltungsübertretung hervorgerufenen Folgen seien nicht messbar und ohne Relevanz. Folglich sei die Anwendung des § 21 VStG geboten, wobei nicht außer Acht gelassen werden dürfe, dass seit den mit dem angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfenen Vorfällen keinerlei Überschreitungen der genehmigten Grenzwerte im Bereich des Einschreiters mehr erfolgt seien.

 

 

3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und der Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 10. Februar 2006 und am 8. März 2006. An diesen mündlichen Verhandlungen haben der Rechtsvertreter des Bw und eine Vertreterin der belangten Behörde teilgenommen. In der zweiten mündlichen Verhandlung wurde der Betriebsleiter des Kraftwerkes der V A S GmbH als Zeuge einvernommen.

 

 

 

Danach steht folgender Sachverhalt fest:

Die Energieversorgung der Hütte der V A S GmbH am Standort L wird durch ein betriebseigenes Kraftwerk bewerkstelligt. Dieses Kraftwerk besteht aus fünf Blöcken und den Resten des alten Kraftwerkes, der sogenannten Sammelschienenanlage. Die Sammelschienenanlage ist eine kalte Reserve, d.h. sie wird nur bei Bedarf hochgefahren.

 

Die fünf Blöcke des Kraftwerkes setzen sich aus vier konventionellen Blöcken mit Dampfkessel und Dampfturbine zusammen. Ein Block des Kraftwerkes besteht aus einer Gasturbine, Abhitzekessel und Dampfturbine. Die Blöcke 5 und 6 des Kraftwerkes sind konventionelle Anlagen, die aus Dampfkessel und Dampfturbine bestehen.

 

Die elektrische Nennleistung von Block 5 beträgt 25 MW, die von Block 6 85 MW. Jeder einzelne Block verfügt über eine eigene Emissionsmessstelle und einen eigenen Schornstein.

 

Der Emissionsgrenzwert für den Parameter N02 im Block 5 wurde im Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 23.3.1992, Gz. 501/GB-12/85a, unter Pkt. 2. mit 150 mg/m³ festgelegt. Für den Block 6 wurde der Emissionsgrenzwert für S02 mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29.8.1990, Gz. 501/So, unter Pkt. 1. mit 200 mg/m³ festgelegt. In einem weiteren Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29.12.1997, Gz. 501/G970256c, wurde für den Block 6 ein Emissionsgrenzwert für N02 in Höhe von 100 mg/m³ festgelegt.

 

Im Normalbetrieb des Kraftwerkes besteht die Brennstoffzusammensetzung grundsätzlich aus 50 % Gichtgas, 20 % Kokereigas und 30 % Erdgas.

 

Anfang April 2003 war es erforderlich, die Einbindung der Gichtgasleitung in das Kraftwerk umzubauen, da die Hütte eine höhere Produktionsleistung gefahren ist und daher mehr Gichtgas zur Verwertung im Kraftwerk angefallen ist. Die Umbaumaßnahmen an der Einbindeleitung wurden vom Geschäftsbereich Medienversorgung der V A GmbH geplant. Die Planungsphase hat ca. zwei Monate gedauert.

 

Im Zuge der Umbaumaßnahmen an der Einbindeleitung stand der Brennstoff Gichtgas nicht zur Verfügung und kam es daher bei Block 5 und 6 zu einem geänderten Brennstoffeinsatz. Das fehlende Gichtgas wurde durch Erdgas, Stromzukauf und den Einsatz von Heizöl schwer substituiert. Heizöl schwer wurde dabei nur in Block 6 des Kraftwerkes eingesetzt. Die Gesamtmenge an eingesetztem Heizöl während der Umbaumaßnahmen betrug 347 t. Der Grund für den Einsatz von Heizöl schwer in Block 6 besteht darin, dass dieser Block auch für die Fernwärmeversorgung der österreichischen Fernwärmegesellschaft dient. Mit dem reinen Einsatz von Erdgas kann die für die Fernwärmeversorgung notwendige thermische Leistung der Anlage nicht erreicht werden.

 

Im Block 5 wurden während der Umbaumaßnahmen der Gichtgasleitung als Brennstoffe nur Erdgas und Kokereigas eingesetzt.

 

Im Zuge der Umbaumaßnahmen wurden im Block 5 und 6 des Kraftwerkes die Anlagenleistungen reduziert und die der V A S GmbH zur Verfügung stehenden Kontingente an Erdgas und Strom zur Gänze ausgereizt.

Der Block 6 wurde während der Umbauphase mit einer Leistung im Bereich von 50 MW gefahren und stellt dies die Untergrenze für die Fernwärmeproduktion dar.

 

Der Block 6 verfügt auch über eine Denoxanlage auf. Die Entstickungswirkung der Denoxanlage besteht nur in einem bestimmten Temperaturfenster, welches beim Betrieb mit Erdgas nicht erreicht wird. Die Denoxanlage war während der Umbaumaßnahmen teilweise nicht in Betrieb.

 

Im Zuge der Umbaumaßnahmen kam es zu Überschreitungen des Emissionsgrenzwertes für N02 beim Block 5 am 9.4.2003 von 5.00 Uhr bis 24.00 Uhr, am 10.4.2003 von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr und am 11.4.2003 von 00.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Die gemessenen Halbstundenmittelwerte wiesen dabei Werte von 172 mg/m³ bis 262 mg/m³ N02 auf.

 

Im Block 6 wurde während der Umbaumaßnahmen der Grenzwert für S02 am 9.4.2003 in der Zeit von 5.00 Uhr bis 24.00 Uhr, am 10.4.2003 von 00.30 Uhr bis 24.00 Uhr und am 11.4.2003 von 00.30 Uhr bis 15.30 Uhr überschritten, wobei der niedrigste gemessene Halbstundenmittelwert 570 mg/m³ und der höchste gemessene Halbstundenmittelwert 1528 mg/m³ S02 betragen hat. Am 9.4.2003 in der Zeit von 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr, am 11.4.2003 von 16.30 Uhr bis 24.00 Uhr und am 12.4.2004 von 00.30 Uhr bis 2.00 Uhr wurde in Block 6 auch der festgesetzte Emissionsgrenzwert für N02 überschritten, wobei der niedrigste gemessene Halbstundenmittelwert 485 mg/m³ und der höchste gemessene Halbstundenmittelwert 944 mg/m³ betragen hat.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den nachvollziehbaren und glaubwürdigen Aussagen des als Zeugen vernommenen Betriebsleiters des Kraftwerkes der V A S GmbH. Die im Straferkenntnis der ersten Instanz aufgelisteten Emissionsgrenzwertüberschreitungen wurden grundsätzlich vom Bw nicht bestritten und ergeben sich diese Daten aus kontinuierlich registrierenden Emissionsmessungen.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 10 Abs.4 LRG-K hat der Betreiber für den Fall, dass im Betrieb der Dampfkesselanlage Störungen auftreten, die eine Überschreitung der zulässigen Emissionen verursachen, die Behebung der Störung unverzüglich zu veranlassen.

 

Nach § 10 Abs.6 LRG-K hat der Betreiber, wenn durch die Störung die festgesetzten Emissionsgrenzwerte auf längere Zeit erheblich überschritten werden, unverzüglich den Betrieb der Dampfkesselanlage einzuschränken oder zu unterbrechen, bis die Störung behoben ist.

 

Nach § 15 Abs.1 Z1 LRG-K macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist, sofern die Handlung oder Unterlassung nicht nach anderen Vorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen, wer den in § 10 Abs.1 bis 7 festgelegten Pflichten nicht nachkommt; eine Verletzung der Bestimmung des § 10 Abs.6 ist bei Dampfkesselanlagen mit geringeren als den im § 7 Abs.1 angeführten Brennstoffwärmeleistungen nicht strafbar.

 

Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs.1 Z1 iVm § 10 Abs.6 LRG-K ist, dass die festgesetzten Grenzwerte infolge einer Störung auf längere Zeit erheblich überschritten werden. Das Gesetz selbst enthält keine Definition der Begriffe Störung, längere Zeit und erhebliche Überschreitung.

 

Gemäß § 3 Abs.2 LRG-K gelten die nach diesem Bundesgesetz festgelegten Emissionsgrenzwerte für den stationären Betrieb. Ihre Einhaltung ist jedoch auch bei instationären Zuständen (z.B. Anfahren, Laständerungen) und während der Dauer von Wartungs- und Reparaturarbeiten durch geeignete Maßnahmen anzustreben.

Aus dieser Bestimmung in Zusammenschau mit den besonderen Regelungen des § 10 Abs.4 und 6 LRG-K bezüglich Störungen lässt sich der Schluss ziehen, dass vom Gesetzgeber instationäre Zustände der Anlage sowie Wartungs- und Reparaturarbeiten nicht mit Störungen im Sinne des Gesetzes gleichgesetzt werden.

 

Im gegenständlichen Fall sind die Grenzwertüberschreitungen durch Umbaumaßnahmen an der Gichtgasleitung, die eine Änderung des Brennstoffeinsatzes bewirkten, begründet. Der Umbau der Gichtgasleitung stellt jedenfalls eine längerfristig geplante Maßnahme - im weitesten Sinn Wartungsarbeiten - an der Anlage und daher keine Störung im Sinne des Gesetzes dar. Weiters ist festzuhalten, dass diese geplante Umbaumaßnahme von der V A S GmbH vor Ausführung der Behörde schriftlich angezeigt wurde. Vom Unabhängigen Verwaltungssenat wird daher festgestellt, dass das Tatbestandsmerkmal der Störung des § 15 Abs. 1 Z1 LRG-K nicht erfüllt wird.

 

Gleichzeitig ist an dieser Stelle aber auch festzuhalten, dass nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Leistung des Blockes 6 des Kraftwerkes gedrosselt wurde. Dies ergibt sich daraus, dass nach den glaubwürdigen Schilderungen des Betriebsleiters, die auch durch die vorliegenden Betriebsprotokolle belegt werden, während der Umbauphase der Block 6 mit einer elektrischen Leistung von 50 MW bei einer Nennleistung der Anlage von 85 MW gefahren wurde. Diese Fahrweise der Anlage stellt die unterste technische Stufe dar, in welcher die von der Anlage zu bewerkstelligende Fernwärmeproduktion technisch möglich ist.

 

Zu den Grenzwertüberschreitungen des Parameters N02 wurde glaubhaft dargestellt, dass die Denoxanlage aufgrund der geänderten Brennstoffzusammensetzung und der damit verbundenen Absenkung des Temperaturniveaus nicht in der Lage war, eine entsprechende Entstickung der Abgase durchzuführen. Es ist somit aufgrund der Substitution des Brennstoffes Gichtgas durch Erdgas zu einer Verringerung der Temperatur des Rauchgases gekommen und hat dies auch zu einer technischen Beeinträchtigung der vorhandenen Denoxanlage geführt. In diesem Zusammenhang ist auch die Nachfolgevorschrift zum § 10 Abs. 6 LRG-K, nämlich § 16 Abs.6 Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen (EG-K) nicht unbeachtlich, wonach bei Anlagen mit Abgasreinigungsanlage, die gesamte Zeitdauer des Betriebes der Anlage ohne funktionstüchtige Abgasreinigungsanlage innerhalb eines 12-Monate-Zeitraumes höchstens 120 Stunden betragen darf. Die NO2-Grenzwertüberschreitung im Block 6 hat insgesamt 16 Stunden gedauert und wäre daher nach der nunmehr gültigen Rechtslage in der zeitlichen Toleranz gelegen.

 

Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmales der erheblichen Überschreitung von Emissionsgrenzwerten können auch die Bestimmungen des § 4 Abs.6 Luftreinhalteverordnung für Kesselanlagen (LRV-K) herangezogen werden.

 

Nach § 4 Abs.6 LRV-K gilt die im § 10 Abs.4 LRG-K normierte Pflicht des Betreibers, bei Störungen, welche eine Überschreitung der zulässigen Emissionen verursachen, deren Behebung unverzüglich zu veranlassen, als erfüllt, wenn die Auswertung der Messergebnisse gemäß Abs. 3 und 4 ergibt, dass innerhalb eines Kalenderjahres folgende Kriterien erfüllt worden sind:

  1. Kein Tagesmittelwert überschreitet den Emissionsgrenzwert. Tagesmittelwerte werden als arithmetisches Mittel aus allen Beurteilungswerten eines Kalendertages gebildet.
  2. Nicht mehr als 3 % der Beurteilungswerte überschreiten den Grenzwert um mehr als 20 %.
  3. Kein Halbstundenmittelwert überschreitet das Zweifache des Emissionsgrenzwertes.

 

Auf Grundlage dieser Regelungen ist festzustellen, dass die von der Erstbehörde vorgeworfenen Emissionsgrenzwertüberschreitungen für N02 im Block 5 das Kriterium der erheblichen Überschreitung im Sinne des § 10 Abs.6 LRG-K nicht erfüllen. Der Grenzwert für N02 im Block 5 wurde von der Behörde mit 150 mg/m³ festgelegt. Die festgestellten Grenzwertüberschreitungen weisen jedenfalls keinen Halbstundenmittelwert aus, der den Wert von 300 mg pro Normkubikmeter überschreitet. Den Regelungen des § 4 Abs.6 LRV-K folgend gilt der Emissionsgrenzwert innerhalb eines Kalenderjahres unter anderem dann als eingehalten, wenn kein Halbstundenmittelwert das Zweifache des Emissionsgrenzwertes überschreitet. Diese Auslegungsregel ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates auch auf den unbestimmten Gesetzesbegriff des § 10 Abs.6 LRG-K, nämlich der erheblichen Überschreitung anzuwenden. Es wird somit festgestellt, dass die im Block 5 während der Umbaumaßnahmen der Gichtgasleitung gemessenen N02-Grenzwertüberschreitungen das Kriterium der erhebliche Überschreitung nicht erfüllen.

 

Insgesamt geht der Unabhängige Verwaltungssenat davon aus, dass die angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht begangen wurden, zumal keine Störung der Anlage im Sinne des § 10 Abs.6 LRG-K vorgelegen ist und darüber hinaus - bezogen auf den Tatvorwurf lit.a - die festgesetzten Emissionsgrenzwerte nicht erheblich überschritten wurden. Es war somit zu erkennen, dass der Bw die ihm angelastete Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Der diesbezügliche Ausspruch war daher in den Spruch aufzunehmen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Kühberger

 

 

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