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VwSen-320070/3/Kl/Rd

Linz, 23.03.2001

VwSen-320070/3/Kl/Rd Linz, am 23. März 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Konrath, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung des M, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11.8.2000, N96-1003-1999, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Artenhandelsgesetz - ArtHG zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 8, 45 Abs.1 Z1 und 2 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11.8.2000, N96-1003-1999, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 16.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs.1 Z1 und Abs.2 Artenhandelsgesetz 1998 iVm Art.3 Abs.2 und Art.4 Abs.2 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels iVm Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 2307/97 und § 8 VStG verhängt, weil er am 3.10.1998 am Flughafen Frankfurt/Main verbotenerweise versucht hat, eine Koralle mit der wissenschaftlichen Bezeichnung "Scleractinia spp", somit ein Exemplar einer dem Geltungsbereich des Art.3 Abs.2 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 unterliegenden Art entgegen Art.4 Abs.2 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 ohne Vorliegen einer Einfuhrgenehmigung einer österreichischen Vollzugsbehörde in die Europäische Union einzuführen.

Gleichzeitig wurden Kosten für ein Sachverständigengutachten als Barauslage vorgeschrieben.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Untersuchung der beschlagnahmten Koralle ergeben habe, dass es sich um eine Steinkoralle und nicht um eine Gehirnkoralle, wie der Tatvorwurf lautet, gehandelt habe. Das bisherige Verfahren habe dokumentiert, dass sogar für Fachleute es völlig unmöglich ist, über sämtliche Korallenarten und deren Schutzbereich informiert zu sein. Den Bw treffe kein Verschulden. Wenn auch allgemein bekannt sei, dass gewisse Tierarten geschützt sind und die Einfuhr verboten ist, so ist die Unkenntnis im gegenständlichen Fall unverschuldet. Bei der gegenständlichen Koralle handelte es sich um eine abgebrochene Koralle, die der Bw am Strand angeschwemmt vorgefunden hat. Sie wird von den Einwohnern der Cook-Inseln dem Straßenunterbau beigefügt und auch in gemahlener Form als Mörtelersatz und sohin als Baumaterial verwendet. Der Bw als Baumeister konnte daher keine rechtswidrige Vorgangsweise darin erblicken, dass er das angeschwemmte Stück Koralle als Andenken mitgenommen hat. Aber selbst den geschulten Beamten am Hauptzollamt Frankfurt/Main war eine Klassifikation nur erschwert mit Nachschlagewerken möglich. Darüber hinaus werde auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz hingewiesen.

In einer weiteren schriftlichen Anregung verweist der Bw auf Erkenntnisse des VfGH, wonach der generelle Ausschluss des § 21 VStG verfassungswidrig sei. Es wird daher die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend die Bestimmung des § 9 Abs.3 Artenhandelsgesetz angeregt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war eine Kammer des Oö. Verwaltungssenates zur Entscheidung zuständig. Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich, weil der Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs.1 Z1 Artenhandelsgesetz - ArtHG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein Exemplar einer dem Geltungsbereich des Art.3 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 unterliegenden Art entgegen diesem Bundesgesetz oder den Art.4, 5, 7 oder 11 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 ausführt, wiederausführt, einführt oder durchführt und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 10.000 S bis 100.000 S zu bestrafen. Strafbare Handlungen nach Z1 oder Z2 sind mit Geldstrafe von 20.000 S bis 200.000 S zu bestrafen, sofern ein Exemplar einer dem Geltungsbereich des Art.3 Abs.2 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 unterliegenden Art betroffen ist, jedoch mit Geldstrafe von 50.000 S bis 500.000 S, sofern ein Exemplar einer dem Geltungsbereich des Art.3 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 unterliegenden Art betroffen ist.

Gemäß § 9 Abs.2 ArtHG ist der Versuch strafbar.

4.2. Aufgrund des Ermittlungsergebnisses des Verfahrens erster Instanz, welches dem angefochtenen Straferkenntnis zugrunde gelegt wurde und vom Bw auch bestätigt wurde, wurde am 3.10.1998 von ihm am Flughafen Frankfurt/Main eine Koralle mit der wissenschaftlichen Bezeichnung "Scleractinia spp" einzuführen versucht, ohne dass eine Einfuhrgenehmigung einer österreichischen Vollzugsbehörde vorlag. Dieses Exemplar unterliegt dem Geltungsbereich des Art.3 Abs.2 der Verordnung (EG) Nr. 338/97.

Aus dem im Verfahren erster Instanz eingeholten Gutachten vom 20.4.2000 ist weiters ersichtlich, dass die gegenständliche Koralle rezent (heutzeitlich lebend) und nicht fossil (vorzeitlich) ist. Weiters geht daraus hervor, dass alle rezenten Scleractinia den Handelsbeschränkungen gemäß Verordnung (EG) Nr. 338/97 Anhang B unterliegen.

Daraus erhellt auch, dass es nicht relevant ist, ob es sich um eine Steinkoralle oder eine Gehirnkoralle handelt. Es ist jedenfalls der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs.1 Z1 ArtHG erfüllt.

4.3. Die Berufung hat aber dennoch Erfolg.

Gemäß § 9 Abs.2 ArtHG ist der Versuch strafbar. Gemäß § 8 VStG, welcher hier anzuwenden ist, unterliegen, sofern eine Verwaltungsvorschrift den Versuch einer Verwaltungsübertretung ausdrücklich für strafbar erklärt, der Strafe, wer vorsätzlich eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung unternimmt.

Weder im Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz noch in dem dieses Verfahren abschließenden angefochtenen Straferkenntnis behauptet die Behörde, dass der Bw vorsätzlich eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung unternommen hat, also dass er vorsätzlich einen Versuch und wodurch er diesen Versuch ausgeübt hat. Vielmehr stützt sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses auf fahrlässige Tatbegehung. Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Versuchshandlung sind im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht zu entnehmen. Es hat daher der Bw die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in der Form eines Versuches nicht begangen.

Darüber hinaus ist dem Bw aber auch zugute zu halten, dass erst durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden konnte, welcher Gattung die gegenständliche Koralle angehört und ob sie zu den Fossilien zu zählen ist. Ein diesbezügliches Wissen kann daher dem Bw als Laien nicht zugemutet werden. In Anbetracht des Umstandes, dass es sich um ein angeschwemmtes abgebrochenes Korallenstück gehandelt hat, welches also nicht mehr gelebt hat und in Anbetracht des Umstandes, dass derartige Muschel- und Korallenreste als Mörtelersatz am Fundort als Zusatz zum Baumaterial verwendet werden, kann die Unkenntnis des Bw, dass auch diese Koralle unter das ArtHG bzw die Verordnung (EG) Nr. 338/97 fällt, nicht schuldhaft angelastet werden. Eine diesbezügliche Erkundigung an Ort und Stelle erscheint auch aus praktischen Überlegungen unmöglich. Es war daher die Rechtsunkenntnis erwiesenermaßen unverschuldet und war daher ein Schuldausschließungsgrund gemäß § 5 Abs.2 VStG gegeben. Jedenfalls konnte aber der Bw Bedenken glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft und es kann seitens der Behörde dem Bw nicht in einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ein Verschulden nachgewiesen werden. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Mangels einer Strafbarkeit konnte der Anregung auf Überprüfung des § 9 Abs.3 ArtHG auf seine Verfassungsmäßigkeit nicht näher getreten werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht  181,68 €) zu entrichten.

 

 

Dr. Konrath

Beschlagwortung:

Versuch, Vorsatz, Artenschutz, Rechtsunkenntnis, kein Verschulden.

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