Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-340028/6/Br/Ni

Linz, 04.02.2002

VwSen-340028/6/Br/Ni Linz, am 4. Februar 2002

DVR. 0690329

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Herrn W, geb. 25.9.1949, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau, vom 29. November 2001, Zl. Agrar96-99-2001-Mc, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 zweiter Halbsatz, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, BGBl. I Nr. 137/2001 - VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit dem o.a. Bescheid dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 1.8.2001 im genossenschaftlichen Jagdgebiet M während der Schonzeit verbotenerweise einen II-er Bock erlegt; dadurch habe er eine Übertretung gemäß § 48 Abs.2 des Jagdgesetzes iVm § 93 Abs.1 lit.h Oö. Jagdgesetz und § 1 Abs.1 der Schonzeitenverordnung in der geltenden Fassung begangen.

Begründend ging die Behörde erster Instanz, offenbar gestützt auf die von ihr eingeholte jagdfachliche Stellungnahme von einem geringen Verschulden aus. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass auf Grund der Veranlagung dieses Bocks für den Erleger - den Berufungswerber - der Verbotstatbestand "nicht leicht" erkennbar gewesen sei.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber sinngemäß aus, diesen Bock als Schadwild erlegt zu haben, weil in derart gelagerten Fällen den Interessen der Landeskultur gegenüber jagdlichen Interessen der Vorzug zukomme. Ein Verschulden wurde aus diesem Grunde bestritten und gleichzeitig der Antrag auf Ausfolgung der Trophäe gestellt.

3. Da weder eine 726,73 Euro (entspricht 10.000 S) übersteigende Geldstrafe noch eine Freiheitsstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine Berufungsverhandlung konnte nach ergänzender Einholung einer sachverständigen Stellungnahme, letztlich jedoch auch mit Blick auf die Tatsache, dass diesem Verfahren einerseits keine dem Gesetz entsprechende taugliche Verfolgungshandlung zu Grunde liegt, sodass sich schon daraus das Gebot zur Verfahrenseinstellung ableiten würde, andererseits dem zur Last gelegten Verhalten vor allem aber weder ein objektiver Sorgfaltsverstoß noch eine Rechtswidrigkeit anhaftet, unterbleiben (§ 51e Abs.1 zweiter Fall VStG).

3.1. Beweis geführt wurde durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde, Zl.: Agrar96-99-2001-Mc und die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme v. 24. Jänner 2002, AZ: Forst-600000/212-2002-Rei/Ter, vom Amtssachverständigen der Abteilung Landesforstdirektion des Amtes der Oö. Landesregierung, Herrn Dipl.Ing. R. In Wahrung des Parteiengehörs wurde der Behörde erster Instanz und dem Berufungswerber diese Stellungnahme per E-Mail mit der Einladung übermittelt, sich dazu binnen einer Woche zu äußern.

4. Demnach steht hier der am 1. August getätigte Abschuss eines überdurchschnittlich gut veranlagten vierjährigen Rehbocks (demnach in die Klasse IIa einzustufen) mit einem "Sechsergeweih", als entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest. Vor Abgabe des Schusses sei der Bock als "sehr gut" erkennbar gewesen. Am rechten Kieferast wurde eine Strahlenpilzerkrankung festgestellt. In diesem Zusammenhang wurde der Beurteilung der Bewertungskommission in Klammer die Anmerkung "Toleranz?" beigefügt. Sowohl gemäß dem Kieferast als auch laut Geweih wurde der Bock als vierjährig beurteilt. Die gut geperlte Stangenauslage wurde mit 10 cm, die Rosen als stark und die gut ausgeprägten Stangenenden als scharf glänzend festgestellt.

Die im Berufungsverfahren eingeholte gutachterliche Stellungnahme besagt abschließend, dass die Trophäenbewertung nach den gegenwärtig noch geltenden Richtlinien vom 13. Dezember 1993 durchgeführt worden sei, wobei sich die jagdfachliche Beurteilung auch aufgrund des Abschusszeitpunktes auf die geltende Richtlinie beziehe. Nach den im Entwurf vorliegenden (neuen) "Richtlinien für die Bewertung von Rehbocktrophäen in Oberösterreich (Fassung vom 27.8.2001), die im Jahr 2001 auch bereits bei der hier erfolgten Trophäenbewertung im Bundesland zur Anwendung empfohlen wurden, wäre dieser vom Berufungswerber erlegte Rehbock mit 400g jedoch mit "rot/grün" (eindeutig vierjährig, nach 1. August erlegt, Geweihgewicht über 330g) zu bewerten gewesen.

Aus jagdfachlicher Sicht erachtete der Sachverständige mit Blick auf die Altersbestimmung diesen Abschuss innerhalb eines "tolerablen Fehlerkalküls".

Auch der Berufungswerber äußerte sich dazu in einem fristgerecht übermittelten Schreiben sinngemäß dahingehend, dass hier der Abschuss als nicht in der Schonzeit getätigt angesehen werden könne. Die Bewertung müsste mit "Grün" erfolgen und es werde um die Ausfolgung der Trophäe ersucht.

Die Behörde erster Instanz verzichtete über fernmündliche Mitteilung auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den ergänzend eingeholten sachverständigen Äußerungen.

4.1. Zur Frage des Ansprechens des Rehwildes in freier Wildbahn, weist hinsichtlich der Methoden der Altersbestimmung der Sachverständige, unter Bezugnahme auf mehrere wissenschaftliche Untersuchungen ganz allgemein auf einen weiten Fehlerrahmen (Fehlschätzungen bis zu 2 Jahren möglich) hin. Eine Unterscheidung von 4- oder 5-jährigen Rehböcken sei nicht mit ausreichender Sicherheit möglich. Auch die Altersmerkmale am lebenden Stück (z.B. Verhalten, Körperbau, Färbung des Hauptes) in der freien Wildbahn weisen laut Sachverständigen eine breite Schwankung auf.

Die in der Berufung vorgetragene Rechtfertigung, den Abschussentschluss aus Gründen gefasst zu haben, weil es sich um einen Schadbock gehandelt hätte, kann angesichts der hier vorliegenden Fallgestaltung auf sich bewenden. Hinzuweisen ist jedoch auf die gängige Praxis, dass vor Abschuss von grenzwertigen Schadböcken mit der Jagdbehörde Kontakt aufgenommen wird, worauf ein Abschuss in der Regel auf kurzem Wege genehmigt wird.

Aus jagdfachlicher Sicht ergab sich unabhängig vom Alter der gegenständlichen Böcke zusammenfassend, dass durch den gegenständlichen Abschuss (in Verbindung mit dem ebenfalls revierident und inhaltsgleich verfahrensanhängigen Abschuss VwSen-340029) weder eine nachteilige Auswirkung auf den Wildbestand noch wesentliche Auswirkungen zur Erfüllung der Abschussplanziele herbeigeführt wurden, wenngleich aus jagdfachlicher und wildbiologischer Sicht auch dieser Abschuss wohl doch besser erst in diesem Jahr erfolgen hätte sollen.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 93 Abs. 1 lit. h Oö. Jagdgesetz 1964 idF LGBl.Nr. 40/2001 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer während der Schonzeit Tiere der geschonten Wildgattung jagt, fängt oder tötet (§ 48 Abs.2 Oö. JagdG).

Gemäß § 1 Abs. 1 Schonzeitenverordnung dürfen II-er Böcke vom 1. Oktober bis 31. Mai weder gejagt noch gefangen noch getötet werden. Da der Abschuss nicht in die fragliche Zeit fiel, kann auf diese Gesetzesbestimmung der Schuldspruch nicht gestützt werden. Vielmehr leitet sich ein Verbot zum Erlegen eines gut veranlagten Bocks der Klasse II - dessen Schusszeit mit 1. Juni beginnt und mit 30. September endet, in Verbindung mit der Anlage 1 der Verordnung über den Abschussplan und die Abschussliste ab (LGBl.Nr. 116/1993). Die Schonzeitenverordnung bezeichnet lediglich die Klassen, wobei die Klasse I zwischen einem Geweihgewicht bis 300 g und über 300 g unterscheidet. Hinsichtlich letzterer Kategorie beginnt die Schusszeit (erst) mit 1. August, während diese bei Ersterer bereits mit 1. Juni beginnt. Nur aus der sogenannten Abschussplanverordnung ergibt sich zusätzlich auch eine altersmäßige Differenzierung, welche die Klasse I ab dem vollendeten 5. Lebensjahr und die Klasse II vom 2. bis zum 5. Lebensjahr festlegt. Der Vorwurf des "Erlegens eines IIer-Bocks in der Schonzeit" lässt sich demnach aus dem Wortlaut des § 1 Abs.1 der VO, LGBl.Nr. 30/1990 idF LGBl.Nr. 92/1999 nicht schlussfolgern.

Vielmehr wäre hier daher, falls in diesem Abschuss eine Rechtswidrigkeit und ein Verschulden zu erblicken wäre, nicht gegen die Schonzeitenverordnung, sondern allenfalls gegen die Abschussplanverordnung, LGBl. Nr. 116/1993 in Verbindung mit den dieser angeschlossenen Anlagen verstoßen worden.

Diesbezüglich läge mit dem zur Last gelegten Tatverhalten wiederum keine taugliche und alle Tatbestandselemente umfassende Verfolgungshandlung im Sinne des § 44a Z1 u. 2 VStG vor. Da letztlich - wie oben schon dargelegt - im Licht der hier bereits anzuwendenden gewesenen "neuen" Bewertungsrichtlinie weder von einer Rechtswidrigkeit und darüber hinaus auch keinem ausreichend erweislichen Verschulden ausgegangen werden kann, war hier - ohne weiterer Ermittlungsschritte mit Blick auf allfällige Ergänzungen des Tatvorwurfes innerhalb der zum Zeitpunkt des Einlangens des Aktes noch wenige Tage offenen (und jetzt bereits verstrichenen) Verfolgungshandlungsfrist - das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen. Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und ist die Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 86/83/0251; ZfVB 1991/3/1122).

5.1. Abschließend ist noch festzustellen, dass aus dem Verfahrensakt keinerlei Verfallsausspruch hinsichtlich der Trophäe ersichtlich ist, sodass es im Sinne der Berufungsausführungen und des Ersuchens in der Stellungnahme vom 1.2.2002 eines Ausspruches darüber im Rahmen dieses Verfahrens nicht bedarf.

Die Trophäe wird demnach dem Berufungswerber formlos auszufolgen sein. Auch die Bewertung der Trophäe wird im Sinne der hier getroffenen Feststellungen anzunehmen sein.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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